Kultur und Weindas beschauliche MagazinBlumenschmuck im Geymüllerschlössel anlässlich (Con)temporary Fashion Showcase MODE & BIEDERMEIER (Con)temporary Fashion Showcase???
Eine Fahrt mit dem 41er nach Pötzleinsdorf ist fast schon eine Zeitreise, eine Landpartie, um dem Gedränge der Großstadt zu entfliehen. Erklimmt man den kurzen Aufstieg von der Endstation bis knapp vor der Kirche, muss man schon Glück haben, um einem Auto zu begegnen. An der Kreuzung rechts geht´s hinein in einen Park mit einem wundersamen Dornröschenschloss. So wenig sich äußerlich verändert hat – abgesehen vom armseligen Stumpf eines einst mächtigen und Schatten spendenden Baumes –, so gut hat sich auch das Interieur erhalten. Das Ambiente mit Wandmalereien, Leuchtern und Originalmöbeln lässt die Gegenwart vergessen. Man verbeugt sich vor Herrn Johann Jakob Geymüller, einem stinkreichen Bankier, und seinem Nachfolger, dem nicht weniger betuchten Großindustriellen Isidor Mautner, denen wir dieses biedermeierliche Kleinod zu verdanken haben. Dass es so aussieht, wie man es heute antrifft, ist jedoch das Verdienst von Franz Sobek, der die Beinaheruine für seine Uhrensammlung wieder auf Hochglanz gebracht hat. Seit geraumer Zeit ist es Spielort des MAK, das mit behutsamen Ausstellungen Besucher in die Vorstadt herauslockt. Mit MAK-Generaldirektorin Lilli Hollein haben die Frauen das Kommando übernommen. Gekommen um zu bleiben ist die Mode, der man mit dem geheimnisvollen Titel „(Con)temporary Fashion Showcase“ künstlerischen Tiefgang verleihen will. Es geht um aktuelles Design, das zu einem Diskurs über zeitgenössische Strömungen führen soll. Für dieses Jahr sind zwei Damen vorgesehen, Modeschöpferinnen, die ihre Ideen präsentieren, und – man lese und staune – ein Mann.
DISSOLUTION Wurm-Monster im Geymüllerschlössel gelandet!
Im Geymüllerschlössel wird der Künstler noch um einen Schritt deutlicher. Versteckt im englischen Wort „Dissolution“ ergeht er sich in Auflösung, Verfall, Zerstörung oder Entgrenzung, wenn er amorphe Tongebilde als anthropomorph bezeichnen lässt. Dank der Formulierungskraft wortgewaltiger Kuratoren eröffnet Erwin Wurm in dieser Serie einen „Dialog zwischen einem fragilen, soziopolitisch konnotierten Material, zeitgenössischer Skulpturensprache und der Neuinterpretation des Malerischen durch oszillierende keramische Lasuren.“ Die diesen seltsamen Gestalten entspringenden Finger, Hände, Lippen, Münder, Busen, Bäuche, Nabel, Nasen oder Ohren werden, so betrachtet, zu „experimentellen, surrealen Gebilden aus isolierten Körperteilen und Sinnesorganen“, die ein Eigenleben gewinnen und deren Volumina eine expressive Präsenz entwickeln.
Er hätte sein Vermögen verprasst und damit in Ferdinand Raimunds „Verschwender“ literarische Unsterblichkeit erlangt. Da Tuchhandel nicht immer mit betucht gleichzusetzen ist, musste der Textilindustrielle Isidor Mautner sein Refugium 1929 an die Österreichische Nationalbank verpfänden. Es gab im Laufe der Geschichte Hypotheken, Arisierung und einen Baumbewuchs auf dem ramponierten Dach, bis der Direktor der Staatsdruckerei Franz Sobek der Republik Österreich den Kaufpreis in Devisen vorschoss. Er erhielt dafür ein lebenslanges Wohnrecht. Von ihm stammt auch die grandiose Uhrensammlung, über die sich das MAK als derzeitige Verwalterin freuen darf. Als dessen Außenstelle kann das Geymüllerschlössel nun bis 5. Dezember 2021 jeweils Samstag & Sonntag von 11:00 bis 18:00 Uhr besucht werden – im Zuge eines empfehlenswerten Ausflugs in schönstes Biedermeier, dem heuer mit Erwin Wurm ein nicht unbeachtlicher Kontrapunkt entgegengesetzt wurde. Statistik |