Kultur und Wein

das beschauliche Magazin


Johanna Mahaffy, Günter Franzmeier © Joachim Kern

Johanna Mahaffy, Günter Franzmeier © Joachim Kern

ES MUSS GESCHIEDEN SEIN Revolution vor und im Theater

Es muss geschieden sein, Szenenmotiv © Joachim Kern

Es muss geschieden sein, Szenenmotiv © Joachim Kern

Nicht nur das Jahr 1848 wird dramatisch und emotional erlebbar.

Dem österreichischen Theaterautor Peter Turrini geht es darum, zu zeigen, was geschieht, wenn Kunst und Wirklichkeit aufeinanderprallen. Es könnte eine Pandemie sein, die vor den Toren des Theaters nicht halt macht, ein Krieg, dessen Bomben Thalias Haus zerstören, oder eine andere Katastrophe, die wir uns gar nicht ausmalen wollen. In diesem Fall ist der Schauplatz seiner Demonstration ein herabgekommenes Wiener Theater anno 1848. Die Schüsse der Kaiserlichen, die in die Menge der Aufständischen hinein gefeuert werden, sind bis in den Bühnenraum zu hören. Geprobt wird „Der Bauer als Millionär“ von Ferdinand Raimund. Die Verbindung nach draußen ist der Hausmeister, der sein schmales Einkommen als Füsilier aufbessert, als einer, der sich zur Erschießung von Verurteilten hergibt. Er wird zum erschreckend trockenen Moderator des Geschehens, im Laufe dessen nicht nur die Revolution, sondern auch der Theaterbetrieb im wahrsten Sinn des Wortes erstirbt. Hoffnung keimt auf, als sich eine junge Schauspielerin und ein entflohener Student als Liebespaar finden. Aber es wird nichts aus dem ersehnten Himmelsflug an Bord einer Montgolfier. Auf der Strecke bleiben die Träume, wenn der Aufstand für Freiheit und ein menschenwürdiges Leben unter der Macht des Althergebrachten zusammenbricht.

Alexander Strobele, Alexander Strömer, Thomas Frank © Joachim Kern

Alexander Strobele, Alexander Strömer, Thomas Frank © Joachim Kern

Johanna Mahaffy, Julian Valerio Rehrl © Joachim Kern

Johanna Mahaffy, Julian Valerio Rehrl © Joachim Kern

Das Ensemble unter der Regie von Stephanie Mohr auf einer von Mirjam Busch gestalteten Bühne wird zu glaubhaften Zeitzeugen der bitteren, bis ins Detail angeführten Vorkommnisse des Revolutionsjahres 1848. Auf verlorenem Posten steht sogar der in Improvisationskunst geprüfte Spielleiter Ferdinand Tassié (Thomas Frank). Alexander Strobele als leicht zu kränkender Nepomuk Ludle soll den Wurzel geben und verlässt beleidigt die Probe. Susanna Wiegand als Katharina Glück dichtet Raimund gegen den Willen des Prinzipals um und Waldemar Bunzl (Alexander Strömer) hängt an der Schnapsflasche. Der Student Karl Kammerlander (Julian Valerio Rehrl) wollte sich eigentlich nur im Theater verstecken, wird aber auf der Stelle engagiert.

Dabei nimmt er die Liebesschwüre der bildhübschen Zäzilie Wagner (Johanna Mahaffy zuletzt als tief berührende „Jugend“) allzu ernst. In der von trügerischen Erfolgen ausgelösten Begeisterung spielen sie alle die damals bekannte Katzenmusik und erhängen eine Uniform an Stelle des Kaisers – ein Verbrechen, das mit Todesstrafe bedroht war. Noch in der Todeszelle stellt sich Karl gegen seinen betuchten Vater, einem jüdischen Wirtschaftsmagnaten. Eduard Wildner als Kajetan Kammerlander unternimmt jedoch alles, auch den Bruch seines Wortes, um den Sohn wieder zu sich zu holen. Der vom Hausmeister zum Füsilier rückverwandelte Adam Holzapfel bringt es nicht übers Herz, Zäzilie zu liquidieren und zeigt zumindest in diesem Moment einen Anflug von Menschlichkeit. Es ist ein grandioser Günter Franzmeier, der den fragwürdigen Charakter einer Person zwischen Sympathie und Abscheu changieren lässt, einem Allzeitgenossen, dem stets das Hemd näher ist als der Rock und der bereit ist, für seine fünf schönen Kinder und einen Gulden ohne jedweden Gewissensbiss Menschen zu vernadern oder zu erschießen.

Günter Franzmeier © Joachim Kern

Günter Franzmeier © Joachim Kern

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