Kultur und Wein

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Ausstellungsansicht: Darker, Lighter, Puffy, Flat, Kunsthalle Wien 2023, Foto: Apollonia T. Bitzan

Ausstellungsansicht: Darker, Lighter, Puffy, Flat, Kunsthalle Wien 2023, Foto: Apollonia T. Bitzan

DARKER, LIGHTER, PUFFY, FLAT Nippel und ihre Busen im Blick der Kunst

Mariya Vasilyeva, ALTAR 2.0, 2019, Courtesy die Künstlerin / © Bildrecht, Wien 2023

Mariya Vasilyeva, ALTAR 2.0, 2019, Courtesy die Künstlerin / © Bildrecht, Wien 2023

Eine Gruppenausstellung zur Bedeutung der (weiblichen) Brust in Kultur, Gesellschaft und Kunst.

Es ist symptomatisch, dass Männer auf dem Weg ins andere Geschlecht vorerst Unmengen von Hormonen schlucken, um auf dem flachen Teppich an der Vorderseite des Oberkörpers zwei runde Hügeln sprießen zu lassen. Und die Frauen? Schönheitschirurgen haben seit Jahrzehnten andauernde Konjunktur, wenn es um die Vergrößerung von deren Oberweite geht. Warum spielt der Busen eine dermaßen zwiespältige Rolle, dass er drapiert als Dekollete aus der Werbung nicht wegzudenken ist, aber hüllenlos von den Social Media als unanständiges Posting verbannt wird? Es ist also höchst an der Zeit, diese Tendenzen kritisch zu hinterfragen. Eine ganze Reihe von Künstlerinnen und ein paar kreative Herren haben sich des Themas angenommen, zum Teil schon lang vor Instagram und Photoshop. Sie haben ganz schlicht Kunst gemacht.

Marianne Vlaschits, The Deluge [Die Sinnflut], 2023, Courtesy la BEAST gallery / © Bildrecht, Wien

o.: Marianne Vlaschits, The Deluge [Die Sinnflut], 2023, Courtesy la BEAST gallery / © Bildrecht, Wien 2023

r.: Trulee Hall, The Boob Dance [Der Titten-Tanz], 2018, Videostill, Courtesy die Künstlerin

Trulee Hall, The Boob Dance [Der Titten-Tanz], 2018, Videostill, Courtesy die Künstlerin

Bis 14. April 2024 ist in der Kunsthalle Wien dazu die Ausstellung „Darker, Lighter, Puffy, Flat“ zu sehen. Mit diesen englischen Ausdrücken wird im angelsächsischen Raum gemeinhin der Nippel umschrieben, der ebenso vielfältige Formen annehmen kann wie der ihn tragende Busen. Nach inhaltlichen Einführungen im Foyer geht es in die Halle zu den Objekten. Weiche Vorhänge, vielversprechendes Stöhnen und locker verteilte Positionen schaffen das erstaunlich sanfte Erlebnis eines Phänomens, das an sich von erotisch über praktisch bis furchterregend auftritt. Welcher Mann würde sich schon freiwillig zu den drei Damen setzen, die lustvoll mit ihren Brüsten einen „Milky Way“ in den Himmel spritzen (Lucia Dovičáková)? Misleidys Castillo Pedroso erspart sich für ihre mit Klebestreifen aufgeklebten Muskelpakete die Titel und hat doch so starke Bilder geschaffen, dass niemand einfach an ihnen vorübergehen kann. Grausam wird es bei Maria Lassnig im schockierenden Gemälde „Traum vom Idealbusen / Busenwunsch / Busenillusion“ (1996/1997).

Auf die innige, aber unaufgearbeitete Verbindung von Religion und Sex verweist „Altar 2.0“ (2019) von Mariya Vasilyeva. St. Sebastian, dessentwegen schon Nonnen unkeusch dachten, ist eine nackte Frau, nämlich die Künstlerin selbst, die sich damit im Sinne der LGBTQ+-Community an ihre Geschlechtskolleginnen wendet, mit einer Jungfrau Maria im Zentrum, um rechts wieder selbst zu erscheinen, als heilige Teresa in Verzückung, sprich Orgasmus – als Botschafterin ebenfalls nur für Frauen! Männer dürfen hinschauen und sich ein bisschen schämen, wie Adam Rzepecki. In seinem „Projekt für ein Denkmal von Vater Polen“ (1981) versucht ein Mann, freilich vergeblich, ein Baby zu säugen. Da hilft ihm auch ein noch so großer Busen nichts, wie ihn Toni Schmale in „schlauch #4“ (2023) mit zwei Metallplatten andeutet und als abschreckendes Beispiel für jedwedes sinnliche Begehren an die Wand gelehnt hat.

Lucia Dovičáková, I Like Order, 2018, Courtesy die Künstlerin

Lucia Dovičáková, I Like Order, 2018, Courtesy die Künstlerin

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