Kultur und Wein

das beschauliche Magazin


Il Barbiere di Siviglia, Ensemble © Herwig Prammer

Il Barbiere di Siviglia, Ensemble © Herwig Prammer

IL BARBIERE DI SIVIGLIA Geld für Liebe oder Liebe für Geld?

Adam Kim © Herwig Prammer

Adam Kim © Herwig Prammer

Sevilla wird zu einer Münzstatt mit bestechend italienischem Gepräge.

Pierre-Augustin Caron de Beaumarchais ist nicht zu trauen. In „Der tolle Tag“ lässt er kein gutes Haar am Adel, lässt den Grafen Almaviva als Weiberhelden in die von seinem Diener Figaro errichteten Ränke rennen und handelte sich damit bei der Obrigkeit größte Schwierigkeiten ein. Zehn Jahre zuvor (1775) war es wiederum ein Mann namens Figaro, der mit Witz und Hinterlist die Handlung bestimmt. Als Barbier von Sevilla sitzt er im Zentrum eines Netzwerkes, das vom Tratsch und der Geldgier seiner Kundschaft gewebt ist. Ausgerechnet dem reichen Grafen Almaviva gewährt dieser seine volle Unterstützung, um dessen Verliebtheit in das Mündel Rosina im Hause des bürgerlichen Arztes Dr. Bartolo zum Erfolg zu führen. Mozart und Da Ponte bedienten sich der späteren Version und schufen mit „Die Hochzeit des Figaro“ eine legendär aufmüpfige Oper (Uraufführung 1786). Bis Gioachino Rossini sich auf die Dramen von Beaumarchais besann (1816), gab es die Französische Revolution, viel Blutvergießen und am Ende mit Napoleon einen Kaiser aus eigenen Gnaden. Der Adelige durfte also durchaus der Gute sein, der von Natur aus ein Vermögen besitzt und über die Raffgier seiner Mitmenschen nur milde lächeln kann. Er verzichtet sogar großzügig auf die Mitgift, derentwegen der Alte das ihm anvertraute Mädchen ehelichen wollte.

Angela Simkin, Michael Wagner © Herwig Prammer

Angela Simkin, Michael Wagner © Herwig Prammer

Angela Simkin, SeungJick Kim © Herwig Prammer

Angela Simkin, SeungJick Kim © Herwig Prammer

Wenn sich im Musiktheater Linz während der vom Bruckner Orchester unter der Leitung von Claudio Novati wunderbar zart musizierten Ouvertüre von „Il Barbiere di Siviglia“ hebt, beherrschen Münzen in verschiedener Größe das Bild (Inszenierung: Gregor Horres, Bühne: Elisabeth Pedross). Bald stellt sich heraus, dass ungemein viel Leben in diesem Hartgeld herrscht. Ränder klappen auf, um diversen Personen ihre Auftritte zu ermöglichen, und mittig öffnen sich auf der Bildseite Fenster und Tür von Bartolos Wohnung. Erster Höhepunkt ist das Ständchen vor diesem Haus. Herren des Chors des Landestheaters Linz erscheinen etwas irritierend halb männlich (oben mit Frack und Zylinder) und halb weiblich (mit Tutu und weiß bestrumpften Beinen). Was immer sich Yvonne Forster dabei gedacht haben mag, aber lustig sind eher nur die vielen kleinen Tschinellen, mit denen Katzenmusik gemacht wird. Graf Almaviva ist dank einer prächtigen Kopfbedeckung deutlich als solcher erkennbar, wie auch der später hinzukommende Figaro, dem das Hinterteil mächtig ausgestopft wurde. Man gewöhnt sich jedoch bald an die seltsamen Kostüme, die entfernt an die Commedia dell´Arte erinnern. Bartolo hat sinnigerweise lange Krallen, der intrigante Musiklehrer Basilio wird mit zwei Fühlern zur monströsen Hummel und die Soldaten zu gestreiften Rittern. Liebreizend ist allein Rosina, derentwegen Figaro und Almaviva alles dransetzen, um sie ihrem Vormund zu entführen.

Gotho Griesmeier, Alexander York, Angela Simkin, Michael Wagner © Herwig Prammer

Gotho Griesmeier, Alexander York, Angela Simkin, Michael Wagner © Herwig Prammer

Thomas Schütz, Michael Wagner, Angela Simkin, SeungJick Kim, Adam Kim, Dominik Nekel  © H. Prammer

Thomas Schütz, Michael Wagner, Angela Simkin, SeungJick Kim, Adam Kim, Dominik Nekel © Herwig Prammer

SeungJick Kim umwirbt als Almaviva die Geliebte mit klangvoll hellem Tenor. Wenn er sich der mehr als willigen Rosina (reizend gespielt und gesungen von Angela Simkin) zärtlich nähert, wird er aber immer wieder von Bartolo dabei ertappt. Bassist Michael Wagner beherrscht als virtuose Bocca veloce die Häufung von unzähligen Silben auf wenigen Tönen und lässt nichts von der Komik missen, die seiner Rolle immanent ist. Berta (Gotho Griesmeier) hadert mit beeindruckendem Sopran mit ihrem Dasein als alternde Gouvernante, um mit dem faulen Diener Fiorello (Alexander York) einen Joint zu inhalieren und in einer Münzen die verhasste Jungfernschaft los zu werden. Dominik Nekel ist ein Basilio, der es versteht, zur Unzeit aufzutauchen und damit beinahe die raffinierten Pläne durchkreuzt. Sie alle haben jedoch nicht mit Figaro gerechnet. Adam Kim bringt mit seinem Bariton und sehenswerter Verschlagenheit das Ganze zu seinem guten Ende, das durchaus als vorgezogene Rehabilitation des Grafen Almaviva betrachtet werden darf.

Der Freischütz, Ensemble © Reinhard Winkler

Der Freischütz, Ensemble © Reinhard Winkler

DER FREISCHÜTZ Romantik mit teuflischer Expertise

Michael Wagner, Timothy Richards, Ensemble © Reinhard Winkler

Michael Wagner, Timothy Richards, Ensemble © Reinhard Winkler

Ein Schützenfest zwischen Regietheater und liebevoll interpretierter Oper

Die Reaktionen des Publikums waren zweigeteilt. Als das Leading Team beim Schlussapplaus auf der Bühne erschien, brach im Publikum ein Wettstreit zwischen Pfiffen und Bravorufen aus. Das Ergebnis: ein klares Unentschieden! Was hat diese deutsche Oper von Carl Maria von Weber nach einem Libretto von Friedrich Kind in seiner reichen Aufführungsgeschichte (Uraufführung am 18. Juni 1821) nicht schon alles durchgemacht?! Vor allem die Wolfsschlucht ließ die Fantasie der Ausstatter Kapriolen schlagen und die Bühnenmaschinerie an ihre Grenzen bringen. Wie stellt man eine Wilde Jagd der Musik gegenüber, die ohnehin den finsteren Schrecken dieser Szene in ihrer gespenstischen Instrumentierung deutlicher malt als jede Kulisse? Das Problem stellte sich auch dem erfahrenen Regisseur Hermann Schneider. War es die im Stück angedeutete Aufklärung, die ihn veranlasst hat, den Inhalt in einer Parallelhandlung so deutlich zu erklären, dass jedes Missverständnis ausgeräumt wird? Er lässt den Wilden Jäger als ständig präsenten Moderator infernalische Umtriebe ausführen, um ihn schließlich vor einem gemütlichen Höllenfeuer im Kamin mit dem Bösewicht Kaspar bei einem Drink locker plaudern.

Fenja Lukas, Erica Eloff © Reinhard Winkler

Fenja Lukas, Erica Eloff © Reinhard Winkler

Sven Mattke, Timothy Richards, Michael Wagner © Reinhard Winkler

Sven Mattke, Timothy Richards, Michael Wagner © Reinhard Winkler

Nicht umsonst ist diese deutsche Oper beliebt, wenn es darum geht, Kindern dieses Genre nahezubringen. Es ist jedoch keine Frage des Alters, um sowohl die kurz nach dem Dreißigjährigen Krieg angesetzte Handlung als auch die sich so wunderbar zugängliche Musik zu genießen. Schon bei der Ouvertüre, genau gesagt, bei der Darstellung des Deutschen Waldes mir den Hörnern, spürt man den gefühlvollen Schlag von Markus Poschner, der mit dem Bruckner Orchester Linz alle die Feinheiten der Komposition hörbar macht. Dabei wird irritierend mit einer Projektion die Entnahme eines Herzens (die Seele kann man wohl schwer zeigen) seitens des Teufels gezeigt, mit Blut und allem Drum und Dran einer solchen Operation ohne Narkose. Zurück zur Musik: Organisch eingebaut in den romantischen Reigen ist Polymorphia, ein Werk von Krzysztof Penderecki, um dem Bösen an sich eine musikalische Plattform zu geben. Denn über dem geheimnisvoll dunklen Streicherklang verkündet der Schauspieler Sven Mattke „Die Litanei des Satans“ von Charles Baudelaire. Mattke ist als der Wilde Jäger designierter Vertreter des Teufels auf Erden und mischt sich penetrant in das Treiben um den Probeschuss ein.

Sven Mattke in der Wolfsschlucht © Reinhard Winkler

Sven Mattke in der Wolfsschlucht © Reinhard Winkler

Adam Kim, Markus Raab, Erica Eloff © Reinhard Winkler

Adam Kim, Markus Raab, Erica Eloff © Reinhard Winkler

Dazwischen gibt es freilich auch den originalen Freischütz. Timothy Richards gibt als Suizid gefährdeter Max seinem Jammer um die verlorene Zielsicherheit mit einem schlanken Tenor Ausdruck und folgt in seiner Verzweiflung den verhängnisvollen Anträgen von Kaspar (es brilliert kraftvoll Michael Wagner). Ännchen Fenja Lukas versucht mit ungemein fröhlichem Sopran gute Laune in düsterer Stimmung zu verbreiten, ist aber den damit verbundenen Anfechtungen scheinbar nicht gewachsen. Sie muss neurotisch kichern und sich blutig kratzen. Agathe dagegen vergeht zwar beinahe vor Angst, lässt aber bei „Leise, leise, fromme Weise“ den Atem anhalten, so schön strömt diese Arie aus Erica Eloff heraus. Gott sei´s gedankt, dass es den Eremiten gibt.

Mit klangvollem Bass überzeugt Dominik Nekel nicht nur Fürst Ottokar (Adam Kim) und Erbförster Cuno (Markus Raab), den strengen Bann für den Missetäter aufzuheben, sondern diesen nach einem Probejahr seiner geliebten Braut wiederzugeben. Ob damit auch die finsteren Mächte besiegt sind, darf bezweifelt werden, denn an Klausners Kutte pendelt das umgekehrte Kreuz, das unter anderem auch als Zeichen für okkulten Satanismus steht. Darf man wirklich niemandem mehr trauen? Oh doch! Denn der Grat zwischen Schrecken und Parodie ist schmal und ein Samiel als Feschak mit schwarzen Flügeln kann so böse gar nicht sein.

Sven Mattke mit Flügeln am Flügel © Reinhard Winkler

Sven Mattke mit Flügeln am Flügel © Reinhard Winkler

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