Kultur und Wein

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Ausstellungsansicht GABRIELE MÜNTER © Leopold Museum, Wien, 2023 | Foto: Lisa Rastl

Ausstellungsansicht GABRIELE MÜNTER © Leopold Museum, Wien, 2023 | Foto: Lisa Rastl

GABRIELE MÜNTER Heraus aus dem Schatten Kandinskys!

GABRIELE MÜNTER, Der blaue See, 1954 © Lentos Kunstmuseum,  © Bildrecht, Wien 2023

GABRIELE MÜNTER, Der blaue See, 1954 © Lentos Kunstmuseum © Bildrecht, Wien 2023

Eine umfassende Retrospektive würdigt das Œuvre einer lange verkannten Künstlerin.

Die Kunstgeschichte reduzierte sie zur Wegbegleiterin des Titanen der europäischen Avantgarde Wassily Kandinsky. Bei ihm hat Gabriele Münter tatsächlich die Aktklasse besucht, nachdem sie, als Frau von der staatlichen Kunstakademie ausgeschlossen, 1901 nach München gekommen war, um das vorhandene malerische Talent zu perfektionieren. Es kam mit dem verheirateten Kandinsky zu einer Liaison. Um einer damit verbundenen Rufschädigung an der Isar zu entgehen, unternahm das Paar ausgedehnte Reisen nach Holland, Tunesien, Dresden, Ligurien und schließlich nach Sèvres in Frankreich. Münter hatte stets eine Kamera bei sich und dokumentierte die Aufenthalte, wie beispielsweise in Nordafrika 180 Fotografien entstanden. Daneben schuf die junge Künstlerin Porträts von Kandinsky als Farblinolschnitte und pastose, kleinteilig gespachtelte Freiluftmalerei. Als eine erste Abnabelung vom Meister erscheint eine alleinige Ausstellungsbeteiligung in Paris.

GABRIELE MÜNTER, Promenade (Promenade an der Seine), 1904–1906 © Kunsthalle Emden

o.: GABRIELE MÜNTER, Promenade (Promenade an der Seine), 1904–1906 © Kunsthalle Emden | Foto: bpk/Kunsthalle Emden/Martinus Ekkenga © Bildrecht, Wien 2023

r.: GABRIELE MÜNTER, Früchte und Blumen, 1909 © ALBERTINA, Wien - Sammlung Batliner | Foto: ALBERTINA, Wien - Sammlung Batliner © Bildrecht, Wien 2023

GABRIELE MÜNTER, Früchte und Blumen, 1909 © ALBERTINA, Wien - Sammlung Batliner | Foto: ALBERTINA

Im Sommer 1917 wurde die 1877 in Berlin geborene Gabriele Münter von Kandinsky verlassen, eine Trennung, die persönliche Verbitterung zur Folge hatte. Inzwischen war sie jedoch bestens vernetzt, unter anderem in der Gruppe „Der Blaue Reiter“ mit Franz Marc.

In einer Ausstellung in Kopenhagen fanden 100 Ölgemälde, 20 Hinterglasbilder und druckgrafische Arbeiten weitgehend Anerkennung. Der einsetzende berufliche Erfolg brachte jedoch wenig Trost. In ihren Bildern herrschte melancholische Stimmung, die sich zu einer Lebens- und Schaffenskrise ausweitete. Erst ein neuerlicher Aufenthalt in Frankreich brachte Münter um 1929 wieder zur Malerei zurück. Sie hatte die neue Sachlichkeit für sich entdeckt. Als 1937 in München die nationalsozialistische Wanderausstellung „Entartete Kunst“ eröffnet wurde, fehlten ihre Werke, möglicherweise als Folge ihres Eintritts in die Reichskammer der bildenden Künste im Jahr 1933. So konnte ihre Bleibe in Murnau zu einem sicheren Ort der verfolgten Moderne werden. Mit dem Kunsthistoriker Johannes Eichner gemeinsam versteckte sie frühe Werke Kandinskys und Archivalien des Blauen Reiters. Münter wurde nach dem Krieg als Stifterin und Wegbegleiterin gefeiert, ihr eigenes Können blieb jedoch verborgen. Ihren Durchbruch durfte sie nicht mehr erleben. Gabriele Münter verstarb am 19. Mai 1962.

GABRIELE MÜNTER, Bildnis Marianne von Werefkin, 1909 © Städtische Galerie im Lenbachhaus etc.

GABRIELE MÜNTER, Bildnis Marianne von Werefkin, 1909 © Städtische Galerie im Lenbachhaus und Kunstbau München © Bildrecht, Wien 2023

In der Ausstellung „Gabiele Münter. Retrospektive“ (bis 18. Februar 2024), kuratiert von Ivan Ristić, hängt an den Wänden nun der Beweis ihres beachtlichen Könnens im Bereich von Zeichnung, Malerei, Fotografie und mehr. Mehr als 130 Exponate begleiten den Rundgang durch ein ungemein spannend verlaufenes Frauenleben, das von Kindheit auf die bildnerische Kunst hin ausgerichtet war und sich durch persönliche Enttäuschungen und der zähen Ignoranz des Kunstbetriebes nicht von ihrem Weg abbringen ließ. So kann Hans-Peter Wipplinger, Direktor des Leopold Museums, anlässlich der ersten österreichischen Retrospektive mit Fug und Recht behaupten: „Heute genießt Gabriele Münter des Status einer Säulenheiligen der deutschen Avantgarde und der internationalen Moderne.

Ausstellungsansicht MAX OPPENHEIMER © Leopold Museum, Wien, 2023 | Foto: Lisa Rastl

Ausstellungsansicht MAX OPPENHEIMER © Leopold Museum, Wien, 2023 | Foto: Lisa Rastl

MAX OPPENHEIMER Der expressionistische Blick in die Seele

Ausstellungsansicht MAX OPPENHEIMER © Leopold Museum, Wien, 2023 | Foto: Lisa Rastl

Ausstellungsansicht © Leopold Museum, Foto: Lisa Rastl

Mit der bisher umfassendsten Retrospektive wird die Bedeutung eines Pioniers der Malerei gewürdigt.

Den Anfang machen die frühen Porträts von Protagonisten des Kultur- und Geisteslebens Anfang des 20. Jahrhunderts. Adolf Loos, Sigmund Freud oder Arnold Schönberg sind dem jungen Maler Max Oppenheimer (1885-1954) im Jahr 1909 Modell gesessen und haben sich damit seinem tiefen Blick in ihr innerstes Wesen ausgesetzt. Die Bilder lassen jedoch nur erahnen, wohin die Entwicklung dieses Künstlers führen wird. Oppenheimer ist ein Pionier des Expressionismus österreichischer Prägung, ein Revolutionär der Darstellung, der ohne Kompromisse seine eigene Handschrift entwickelte. Er war darin nicht allein. Eine kurzzeitige künstlerische Partnerschaft verband Oppenheimer (kurz MOPP) mit Oskar Kokoschka (OK). Sie ging jedoch bald in Brüche, da sich die beiden kantigen Persönlichkeiten aus – so scheint es heute – lächerlichen Gründen zerstritten. Egon Schiele, ein paar jünger Jahre als Oppenheimer, folgte dem Älteren bereits 1910 in seinem Aufbruch zur neuen Ausdrucksweise, die sich mit den damals modernsten Kunstströmungen wie Kubismus und Futurismus intensiv auseinandersetzte.

MAX OPPENHEIMER, Schachpartie, 1953 © Privatbesitz | Foto: Leopold Museum, Wien/Foto: Lisa Rastl

o.: MAX OPPENHEIMER, Schachpartie, 1953 © Privatbesitz | Foto: Leopold Museum, Wien/Foto: Lisa Rastl

r.: MAX OPPENHEIMER, Bildnis Sigmund Freud, 1909 © New York Psychoanalytic Society and Institute Foto: New York Psychoanalytic Society & Institute, New York

MAX OPPENHEIMER, Bildnis Sigmund Freud, 1909 © New York Psychoanalytic Society and Institute

In der Ausstellung „MAX OPPENHEIMER, Expressionist der ersten Stunde“ (bis 25. Februar 2024) werden Arbeiten von dessen Weggefährten seinen Werken gegenübergestellt. So malte Schiele den Freund MOPP und ließ ihn dabei eine ähnlich verkrampfte Haltung einnehmen wie auf seinen Selbstbildnissen (Der Maler Max Oppenheimer, 1910, Sitzender Männerakt, 1910). Umgekehrt waren es die markanten Hände, die Oppenheimer in einem Selbstporträt aus 1911 von Schiele übernommen hat. Der aus einem jüdischen Elternhaus stammende Maler (*1885) hatte keine Berührungsängste zu Themen aus dem christlichen, neutestamentarischen Kanon.

Er stellt sich 1913 selbst als Gegeißelten dar und sieht in der Pieta die Trösterin (1912). Das graphische Werk mit Zeichnungen und Radierungen wird ebenfalls ausgiebig präsentiert. Wieder sind es Porträts von Kulturschaffenden wie August Strindberg, Heinrich und Thomas Mann. Einen Höhepunkt stellen die in auffälligen ovalen Rahmen gezeigten Gemälde von Streichquartetten dar. Man schaut dabei den Musikern auf die Finger und vermeint im konzentrierten Zusammenspiel von Linien und Farbe die Musik zu hören. Max Oppenheimer war zu seiner Zeit in großen europäischen Galerien ausgestellt, bis 1938 der große Bruch in seinem Leben erfolgte. Vor den Nationalsozialisten gelang ihm die Flucht nach den USA, die ihm aber weder die erhoffte Inspiration noch die künstlerische Heimat boten. Die dort entstanden Werke schließen den Bogen dieses bedeutenden österreichischen Künstlers, der 1954 in New York City verstarb.

Max OPPENHEIMER, Simson, 1911 © Privatbesitz | Foto: Leopold Museum, Wien/Lisa Rastl

Max OPPENHEIMER, Simson, 1911 © Privatbesitz | Foto: Leopold Museum, Wien/Lisa Rastl

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