Kultur und Wein

das beschauliche Magazin


 

PCF$ - Rezente Kolonialisierung mit neuem Gesicht

Mansour Ciss Kanakassy hat im Quartier21 eine Filiale des Zentralbank Shopping Store eröffnet

Meinungsshoppen im Post Colonial Flagshipstore und bezahlen mit Afro

„Was vor 100 Jahren der Kolonialwarenladen war, ist heute der Flagship Store“, heißt es zur Ausstellung PCF$. Wesentliches hat sich daran nicht geändert. Wir sind von billigen Textilien begeistert und hüten uns zu fragen, wie manche Rohstoffe da drüben, also im guten alten Übersee gewonnen werden. Es soll hier nicht moralisiert werden. Einfach nur einmal hinschauen, in diesem Fall durch die Augen von Künstlern! Sie haben dieses Thema auf ihre Art aufgegriffen, mit teils witzig verbrämter Anklage und mit erstaunlich ungewöhnlichen Lösungsansätzen. Angeboten werden ihre Ideen im Post Colonial Flagshipstore, frei zugänglich im Quartier21 (bis 23. November 2014).

 

Empfangen wird man in einer Bank und kann dort gut investieren. Noch gibt es sie nicht, die Vereinigten Staaten von Afrika, aber wenn sie einmal Wirklichkeit werden, dann war man bereits heute gut beraten, in eine noch inoffizielle Währung, den Afro, rechtzeitig investiert zu haben.

Erik Pauhrizi, Young Djamu Art Shop (Detail)

Von Mansour Ciss Kanakassy, einem 1957 in Senegal geborenen und nun in Deutschland lebenden Künstler, stammt die Mixed Media Installation „Zentralbank Shopping Store“ (2014). Noch ist der Afro mit den Porträts bedeutender afrikanischer Persönlichkeiten ein Stück Kunst, trotz der bereits entworfenen Afro-Express-Kreditkarten und dem Globalen Pass, einem Reisedokument für alle Menschen, gleich welcher Herkunft, so Mansour Ciss.

Sven Kalden, Graben (Füllhorn I/II) 2011/13

Wie viele der Arbeiten in dieser von Sven Kalden und Georg Klein kuratierten Schau ist auch der Afro nur Utopie, oder anderes gesagt, Ironie mit dem bitteren Nachgeschmack der Realität, in der niemand, auch nicht der unverbesserlichste Optimist eine bessere Zukunft für die nächste Zeit erblicken dürfte. Man kann und muss sich mit den sichtbar gemachten Gedanken von Künstlern aus zehn Ländern einlassen, um einigermaßen einschätzen zu können, wie es hinter den Kulissen der realen Flagship Stores der mondänen Einkaufsstraßen in den Metropolen zugeht oder auf welch seltsamen Wegen Geld von drogendreckig in businessweiß gewaschen wird.

Gudrun F. Widlok (& Nil N. Nortey), volunteers unlimited (2014)

Vielleicht lässt sich sogar jemand überzeugen, mit „volunteers unlimited“ (2014) von Gudrun F. Widlok sein „eigenes freiwilligen set für ghana zu besorgen.“ Der Interessent an sofortiger Hilfe erhält „ein zertifiziertes dokument, das dich berechtigt zu helfen, eine weste, die dich erkennbar macht, und ein heft, in das du deine dienste eintragen und abzeichnen lassen kannst.“ Ihr zweiter Vorschlag hat der deutschen Künstlerin 2006 das Nipkow Stipendium eingebracht. Der Film ADOPTED (2009/2010) dreht die bisherige Praxis der Adoption um.

Afrikanische Großfamilien übernehmen symbolische Patenschaft für erwachsene Europäer, um diesen ihrer Meinung nach individuellen und freiheitsliebenden Menschen Familienleben bieten zu können. In Zeiten grassierender Einsamkeit tüchtiger Singles vielleicht gar kein so übles Angebot und einer der vielen guten Gründe, einmal ganz entspannt im PCF$ meinungsshoppen zu gehen.

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