Kultur und Wein

das beschauliche Magazin


Christoph Wagner-Trenkwitz, André Bauer © KM Westermann

DIE LUSTIGE WITWE burschikos und trotzdem heiratslustig

Erwin Belakowitsch, Conrelia Horak © KM Westermann

Die pontevedrinische Vergangenheit der Dekadenz

Was Franz Lehar dazu veranlasst haben mag, ein mehr als seltsames Lustspiel mit dem Titel L’attaché d'ambassade von Victor Léon und Leo Stein zu einem Libretto verarbeiten zu lassen, man weiß es nicht. 1905 fand die Uraufführung statt, also zu einer Zeit, als es in Kakanien noch von Baronen, Grafen und Grisetten wimmelte. Es gibt in der Handlung alle Versatzstücke, die damals einen Publikumserfolg versprachen: Die Hochzeit, die aufgrund des Standesdünkels nicht stattfinden durfte und allein schon deswegen eine bittersüße Liebesgeschichte heraufbeschwört. Es gibt aber auch den vertrottelten Botschafter eines exotischen Landes (Pontevedro), der in Paris die letzten Staatsfinanzen durchbringt und nie im Leben draufkäme, dass ihn seine Frau betrügen könnte. Über soviel adelige Blödheit, die an der Zensur vorbeigeschwindelt war, konnte der kleine Untertan herzlich lachen und dennoch einen Blick vom Glamour dieser Gesellschaft erhaschen. Männer klopften sich vor Vergnügen auf die Schenkel, wenn über die Weiber hergezogen und ihr Studium als schwer bezeichnet wurde.

Alexandra Flood, André Bauer © KM Westermann

Und die Frauen mögen sich ein wenig in diesen Regenbogen mit einem Spektrum aus Leichtlebigkeit, schönen Kleidern und anlassigen Kavalieren hineingeträumt haben. Dekadenz pur hatte zu dieser Zeit, in der man sich im Theater an der Wien bestenfalls einen Stehplatz leisten konnte, bestimmt enorme Anziehungskraft. Das Wichtigste aber, die Weiber gibt es nicht mehr, sie sind Frauen geworden, die beim besten Willen nicht mehr in ein solches Zerrbild von einem „schwachen, koketten Geschlecht“ hineinpassen würden. Geblieben ist einzig und allein die Musik von Franz Lehár, die es auch 2017 noch erlaubt, diese Operette im Ganzen zu inszenieren und einem Publikum, das mit all dem dümmlichen Drumherum kaum mehr etwas anfangen kann, zuzumuten.

Franz Gürtelschmied, Alexandra Flood © KM Westermann

Wahrscheinlich waren es die traumhaften Melodien, die Andreas Stoehr, Intendant der Schlossfestspiele Langenlois zur Wahl dieses Stückes bewogen haben. Er ist gleichzeitig Dirigent des Orchesters und entlockt seinen Musikern wahrhaft flüsternde Geigenklänge, wie sie in „Lippen schweigen“ sogar im Text gefordert werden. Er hat aber auch die entsprechend feste Hand, Chor, Sänger und Instrumentalisten in den turbulentesten Szenen, in denen getanzt (Choreographie: Selly Meier) und gesungen wird, zusammen zu halten.

Rudolf Frey zeichnet für die Regie und stellt den Zuschauern einige Fragen, die allerdings schwer zu beantworten sind. Warum badet seine lustige Witwe im Schlossbrunnen die Füße? Nur weil es im Park des Schlosses Haindorf einen gibt? Warum muss sie liegend das berühmte Lied vom Waldmädchen Vilja singen? Warum ist Graf Danilo gewandet wie der Undertaker von Lucky Luke und muss mit den Beinen strickend tanzen? So imponiert er weder Lolo, Dodo, Jou-Jou, Frou-Frou, Clo-Clo noch Margot. Und wenn schon Gegenwart mit Miniröcken und bunten Männerhosen, was haben dann der Kopfschmuck eines Indianerhäuptlings und ein nicht näher nachvollziehbarer Federbusch auf einem Männerkopf im Kostüm verloren?

Die lustige Witwe, Ensemble © KM Westermann

Sängerisch gibt´s nichts zu meckern. Erwin Belakowitsch gibt trotz aller Einschränkungen seines Äußeren einen berührenden Graf Danilo Danilowitsch, der nicht mit seinem Tenor, sondern auch schauspielerisch deutlich macht, was ihn von einer Liebeserklärung an die reiche Witwe Hanna Glawari abhält. Cornelia Horak hat man es schwer gemacht, ihre Heiratsabsichten deutlich zu machen. Offenbar soll es nur das Geld sein, das die Männlein dazu bewegt, das burschikos Rustikale, verbunden mit einem harschen Kurzhaarschnitt, zu übersehen

Großartig ist ihre Stimme, nicht nur in den Soli, sondern auch im Tutti, wenn sie sich mit einer kongenialen Alexandra Flood als Valencienne im Kampfsingen übt und die beiden Damen den Chor mühelos überstrahlen. Ein armes Schwein ist in dieser Geschichte der in Valencienne verliebte Camille de Rosillon.

Franz Gürtelschmied singt mit einer Hingabe, dass jedes Herz schwach werden muss, und bleibt dennoch stets das nie zum Schuss gekommene Verhältnis einer „anständigen Frau“. Als ein Neutrum agiert Njegus, der Kanzlist von Baron Mirko Zeta (André Bauer), ist aber prominent besetzt, mit niemand geringerem als Christoph Wagner-Trenkwitz, der es offenbar genießt, zwischen Bar und Botschafter zu pendeln und im Grunde in die ganzen Liebeswirren nicht wirklich verwickelt zu sein.

Die lustige Witwe, Ensemble © KM Westermann
Schlossfestspiele Langenlois Logo 400

Statistik