Kultur und Wein

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 Louise Bourgeois, Fallen Woman (Femme Maison), 1946-47  Foto: Christopher Burke, © The Easton Found

Louise Bourgeois, Fallen Woman (Femme Maison), 1946-47 Foto: Christopher Burke, © The Easton Foundation / Bildrecht, Wien 2023

UNBEIRRBARER WIDERSTAND einer Künstlerin namens Louise Bourgeois

Louise Bourgeois, "Spider", 1996 © The Easton Foundation, Foto: Johannes Stoll / Belvedere, Wien

Louise Bourgeois, "Spider", 1996 © The Easton Foundation, Foto: Johannes Stoll / Belvedere, Wien

Das Malerische Werk im Kontext des Gesamtschaffens in einer Solopräsentation im Belvedere

Louise Bourgeois zählt zu den international bedeutendsten Persönlichkeiten auf dem Gebiet der Bildhauerei. Ein Beispiel davon findet sich bereits seit einiger Zeit im Garten des Belvedere. Zwischen Hecken lauert eine riesige Spinne aus Bronze, die einiges von der Gedankenwelt ihrer Schöpferin erahnen lässt. Im Unteren Belvedere sind nun in der gesamten Länge der Ausstellungsfläche Arbeiten der 1911 in Paris geborenen, in den USA tätigen und 2010 verstorbenen Louise Joséphine Bourgois unter dem Titel „UNBEIRRBARER WIDERSTAND“ (bis 28. Jänner 2024) im wahrsten Sinn des Wortes zu erleben. Für Generaldirektorin Stella Rollig war diese Schau und Würdigung längst überfällig und ist, so die jubilierende Museumsleiterin, einer der Höhepunkte von 300 Jahre Belvedere. Die Kuratorinnen Sabine Fellner und Johanna Hofer haben in einem klaren System das Leben mit der künstlerischen Entwicklung verquickt. Genützt wurde auch der Luftraum der Säle, wo sie plastische Werke genial schweben lassen. Mit einer Reihe von literarisch anmutenden Zitaten gibt es Einblick in ein Seelenleben, das bis hin zur Psychoanalyse und damit wiederum nach Wien in die Stadt von Sigmund Freud führt.

 Louise Bourgeois, Cell (The Last Climb), 2008  Foto: Christopher Burke, © The Easton Foundation
 Louise Bourgeois, Arch of Hysteria, 1993  Foto: Christopher Burke, © The Easton Foundation

o.: Louise Bourgeois, Arch of Hysteria, 1993 Foto: Christopher Burke, © The Easton Foundation

l.: Louise Bourgeois, Cell (The Last Climb), 2008 Foto: Christopher Burke, © The Easton Foundation

Auffallend ist in der Reihe ihrer Schöpfungen, dass in den ersten Räumen Gemälde vorherrschen, so viel wie noch nie in einer Personale von Bourgois. Sie stammen durchwegs aus der Zeit vor 1949, dem Jahr, in dem sie den Pinsel weglegte und sich auf das Schaffen von Skulpturen verlegte. Schon in ihren Bildern, so Johanna Hofer, beginnt Bourgeois Kunst und Leben untrennbar miteinander zu verflechten. Es geht um emotionale Zustände und innere Konflikte, existenzielle Themen wie Liebe, Verlustangst, Geburt, Sexualität und Tod. Sie scheinen, da für die zwischen Surrealismus und abstrakten Expressionismus pendelnden Malereien zumeist keine Titel vergeben wurden, dem Publikum eine persönliche Interpretation freizugeben.

Jedoch ist bei genauem Hinschauen der deutlich herausgearbeitete Gegensatz zwischen Männlich und Weiblich zu erkennen. Herrschende Machtverhältnisse werden angeprangert und, so Sabine Fellner, die gesellschaftliche Rolle der Frau in den damals noch dominierenden patriarchalen Strukturen reflektiert. Mit schlanken Säulen wie „Friendly Evidence“ oder „Dagger Child“ wird man in ihr plastisches Werk eingeführt. Mit der Beklemmung verursachenden „Cell“, dem rästelhaften „Femme Maison“ und dem golden glänzenden „Arch of Hysteria“ steht man vor den für diese Künstlerin typischen Skulpturen, die zum Ruf der heute nach wie vor verehrten Bildhauerin wesentlich beigetragen haben. Man sollte sich bei deren Betrachtung an einen Satz von Louise Bourgeoise halten, der wie ein Schlüssel auch ihre Werke zugänglich macht: „Manchmal sehe ich ein Kunstwerk, das mich wie ein Geschoss trifft. Es hat für mich eine Magie, und mein Problem ist dann, wie ich erkennen kann, worin diese Magie besteht.

 Louise Bourgeois, Persistent Antagonism, 1946-1948  Foto: Christopher Burke, ©The Easton Foundation

Louise Bourgeois, Persistent Antagonism, 1946-1948 Foto: Christopher Burke, © The Easton Foundation / Bildrecht, Wien 2023

„amo ergo sum“ (2019) von Renate Bertlmann

„amo ergo sum“ (2019) von Renate Bertlmann

PUBLIC MATTERS Überraschende Begegnungen im Garten

Goshka Macuga, Mixed-Media-Installation Foto: Johannes Stoll / Belvedere © Bildrecht, Wien 2023

Goshka Macuga, Mixed-Media-Installation Foto: Johannes Stoll / Belvedere © Bildrecht, Wien 2023

Skulpturen und Performances bringen zeitgenössisches Leben in historisches Ambiente.

Es gibt wohl kaum eine schönere Galerie für einen Skulpturenpark als die Gärten des Belvederes. Griechische Mythologie mit ihren Göttern und Helden beherrscht schon seit der Planung die überwältigenden freien Prospekte, die in Hecken versteckten Winkel mit ihren raffinierten Sichtachsen auf beide Schlösser und die erfrischend im Gelände verteilten Brunnen. 300 Jahre Bestehen dieser barocken Pracht forderten quasi die Kunst unserer Zeit heraus, sich mit den antik anmutenden Statuen zu messen und zu ergänzen. Generaldirektorin Stella Rollig gibt zu, dass mit größtem Respekt an dieses Vorhaben herangegangen wurde. Aber die Lösung läst sich sehen und ist eine unwiderstehliche Einladung, bei freiem Eintritt immer wieder die Gärten zu durchstreifen, sich zu erholen und an dreidimensionaler Kunst aus drei Jahrhunderten zu laben. Unter dem Titel „Public Matters“ sollen 33 Positionen von lokalen und internationalen Kunstschaffenden die Gartenanlagen des Museums verbinden oder besser, öffentlich sein und in Performances die Besucher dem historischen Hintergrund gedanklich näher kommen lassen.

Louise Bourgeois, "Spider", 1996

Louise Bourgeois, "Spider", 1996

 Hans Op de Beeck, The Horseman, 2020  Polyester, Stahl, Polyamid, Messing, Beschichtung

Hans Op de Beeck, The Horseman, 2020, Polyester, Stahl, u. m.

Aufgestellt wurden die Arbeiten in einer Art Versteckspiel. Manche, wie der Schriftzug „amo ergo sum“ (2019) von Renate Bertlmann beim Unteren Belvedere fallen direkt ins Auge.

Wenn man aber eine Begegnung mit der Spinne (1996) von Louise Bourgeois sucht, muss man die hellen Pfade verlassen und sich in schattige Gassen wagen. Große, gut leserliche Tafeln in Deutsch und Englisch verschaffen die nötige Information zu Schöpfer und Werk. Manches davon stimmt nachdenklich, wie die siebenteilige Arbeit von Socratis Socratous „Thank God I´m getting on a boat“ (2017) aus lackiertem Eisenguss und Bronze. Doch was wäre ein solches Unternehmen ohne Franz West. In die Länge gezogene „Lips“ (2012) irritieren ähnlich wie die aus dem Rasen hoch aufragende Stele „Meaning Code“ (2007) von Brigitte Kowanz. Die anregende Schau setzt sich im Garten des Belvedere 21 fort, der u. a. mit dem 2014 entstandenen “e 14/1 sculptor von Hans Kupelwieser bereichert wurde. Das allein von seiner Position als Highlight zu bezeichnende Erlebnis hat Goshka Macuga 2023 geschaffen. Ihre Raumkapsel mit dem langen Titel „I could have gone on flying through space forever but I have always loved a window, especially an open one“ ist im Spiegelteich vor dem Oberen Belvedere gelandet und darf sich bis 1. Oktober 2023 im Brennpunkt der einzigartigen Fassade dieses Schlosses sonnen.

Franz West, Lips, 2012 ©Archiv Franz West  Foto: Johannes Stoll / Belvedere, Wien

Franz West, Lips, 2012 © Archiv Franz West Foto: Johannes Stoll / Belvedere, Wien

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