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Schöner Wohnen im Roten Wien, Ausstellungsansicht

Schöner Wohnen im Roten Wien, Ausstellungsansicht

SCHÖNER WOHNEN 100 Jahre Gemeindebau im Roten Wien

Gemeindewohnung im Hanuschhof 1926, Originalaufnahme © WStLA/ Foto Gerlach

Gemeindewohnung im Hanuschhof 1926 © WStLA/ Foto Gerlach

Zimmer, Küche, Kabinett und Teppichreinigen nur am Klopfbalkon

Mit 100 Punkten war man (unter Umständen) dabei, um aus einer überbelegten „Gangküchenwohnung“ in mindestens 38 Quadratmeter nutzbare Bodenfläche mit Abort, Wohnküche und einem Zimmer umziehen zu können. Was sich heute nicht gerade üppig ausnimmt, grenzte damals bereits an Luxus. Um 1900 waren die Verhältnisse für die Mehrheit der Wiener Bevölkerung äußert trist. Man fristete sein Dasein in hoffnungslos überbelegten Schlafstellen, ohne fließend Wasser und ohne Elektrizität. Erst mit dem Erringen der absoluten Mehrheit der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei am 4. Mai 1919 konnte mit einem damals längst fälligen Reformwerk begonnen werden. Die Bedingungen waren äußerst schwierig. So meldete die Arbeiter-Zeitung nach den Wahlen: die christlichsoziale Hinterlassenschaft ist entsetzlich: „Die Kassen der Gemeinde sind leer.“ Der Gerechtigkeit halber muss erwähnt werden, dass in den Jahren zuvor der Erste Weltkrieg allgemein für Not und Elend gesorgt hatte. Was blieb Finanzstadtrat Hugo Breitner anderes übrig, als eine neue Abgabe, die Mietzinsabgabe, einzuführen, die ab 1923 als zweckgebundene Wohnbausteuer einen bis dahin ungekannten Aufschwung ermöglichen sollte. Ein Punktesystem, das die Wohnungswerber in Dringlichkeitsstufen einteilte, schuf Transparenz. 1927 herrschte bereits Optimismus: „Bis zum Jahre 1932 wird die Gemeinde rund 65.000 neue Wohnungen besitzen.“

 

In den Wohnungen der Gemeinde herrschten strenge Vorschriften. Wer einen Schlüssel für eine solche Bleibe ergattert hatte, wurde rundum versorgt, aber auch belehrt und ermahnt. Stadtrat Julius Tandler brachte es auf den Punkt: „Die Menschen, die in unseren neuen Häusern wohnen, sind neue Menschen, leben und atmen nicht nur in neuen Räumen, sondern fühlen und denken auch anders.“ Aber auch diese Leute wollten ihre Räume hübsch und mit ein bisschen großbürgerlichem Schischi herausputzen, ganz gegen die Intentionen der Architekten, denen eine proletarische Wohnung mit eigenem Stil und eigener Kultur, vor allem aber Bescheidenheit vorschwebte.

Holzhacken daheim war ebenso untersagt wie das Wäschewaschen und der Teppich durfte nur auf dem Balkon geklopft werden. Um die Feuchtigkeit aus den Wohnungen draußen zu halten, wurden die Waschsalons installiert. Im Karl-Marx-Hof steht noch ein solches Exemplar und ist bis 17. Dezember 2023 Schauplatz der Ausstellung „Schöner Wohnen im Roten Wien“. Erzählt wird auf Bild- und Textwänden die Erfolgsgeschichte des Wiener Gemeindebaus, der mit einer sich wandelnden Architektur nicht zuletzt für das Erscheinungsbild der Stadt maßgeblich wurde, aber auch vom Wandel in der Rolle der Frau. Durch günstige Mieten konnte auf ihren Zuverdienst verzichtet werden. Sie wurde zur Hüterin der Familie und Organisatorin der Wohnung, sodass 1928 der Magistrat bekräftigen durfte: „Der Fußboden soll der Stolz jeder Hausfrau sein.“ Freilich hat sich daran bis heute einiges geändert, nicht aber die vorzuweisenden Punkte als Voraussetzung für den Erhalt einer Gemeindewohnung.

Wannenbad, Wohnhausanlage Wehlistraße 1928 © WStLA/Foto Gerlach

Wannenbad, Wohnhausanl. Wehlistraße 1928 © WStLA/Foto Gerlach

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