Kultur und Wein

das beschauliche Magazin


Benoît Piéron. Monstera deliciosa, Ausstellungsansicht

Benoît Piéron. Monstera deliciosa, Ausstellungsansicht

Benoît Piéron. Monstera deliciosa: Es schneit rosa in den Schneekugeln

Benoît Piéron zeigt the cape, Photo: Deinhardstein © mumok

Benoît Piéron zeigt the cape, Photo: Deinhardstein © mumok

Ein Wartezimmer wird zur Wunderkammer dieses französischen Künstlers.

Es ist die erste museale Einzelausstellung von Benoît Piéron. Ausgerichtet wird sie ihm vom MUMOK. Sie hat Platz in einem eher kleinen Saal auf Ebene -3, nicht viel größer als der Warteraum einer Arztpraxis. Pièron selbst hat viel Zeit seines jungen Lebens in solchen Räumen verbracht. Nun hat er selbst einen solchen Platz eingerichtet, in dem die Zeit „totgeschlagen“ werden muss, bis man als Patient an der Reihe ist. Steriles Weiß dominiert, abgesehen vom knallig orangen Aufwischwagerl, das den steten Tropfen von der Decke auffängt. Auf den Tischen gibt es anstelle der bunten Magazine Schneekugeln, deren jeweilige Motive (Vulva, Fledermaus oder diverse Fantasiegestalten, um die sich rosarote Flankerln treiben) wunderbar zur Meditation beitragen.

Benoît Piéron Moniqa, 2023 Photo: Deinhardstein © mumok

Benoît Piéron Moniqa, 2023 Photo: Deinhardstein © mumok

Benoît Piéron clitoris, 2023 Photo: Deinhardstein © mumok

Benoît Piéron clitoris, 2023, Photo: Deinhardstein © mumok

Der Titel „Monstera deliciosa“ (bis 7. Jänner 2024) bezieht sich, so der Künstler, auf eine Pflanze, die nach seiner Erfahrung viele Wartezimmer schmückt. Zu erfahren ist auch, dass dieses Gewächs aus den Tropen Amerikas stammt und im 19. Jahrhundert als Kolonialgut nach Europa importiert wurde. Monstera leitet sich vom lateinischen Begriff „monstrum“ (mahnendes Zeichen der Götter) ab, während deliciosa auf die „köstlichen“ Früchte der Pflanze Bezug nimmt. Sie und das übrige Interieur wollen nun eine leise poetische Botschaft verkünden. Es geht Benoît Piéron um das Warten, die Kolonialisierung von Körpern und die Fähigkeit, das Wunderbare im Monströsen zu entdecken. Wegweiser dahin sind die sanften Schatten von Blattwerk auf den Wänden und ein pastelliger Wolkenhimmel an der Decke. Gesellschaft bietet bei der Warterei die Fledermaus Monique, die aus recycelten Krankenhauslaken genäht wurde und dem Künstler selbst zur Tarnung dient.

Ausstellungsansicht: Elisabeth Wild. Fantasiefabrik Photo: Klaus Pichler / mumok

Ausstellungsansicht: Elisabeth Wild. Fantasiefabrik Photo: Klaus Pichler / mumok

FANTASIEFABRIK Leben und Werk von Elisabeth Wild

Ausstellungsansicht: Elisabeth Wild. Fantasiefabrik Photo: Klaus Pichler / mumok

Ausstellungsansicht: Elisabeth Wild. Fantasiefabrik Photo: Klaus Pichler / mumok

Eine kosmopolitische Künstlerin ist postum heimgekehrt

2020 ist Elisabeth Wild in Panjachel (Guatemala) 98jährig verstorben. Die junge Kunstexpertin Marianne Dobner war noch im selben Jahr knapp davor im Auftrag des mumok zu ihr gereist und durfte mit der Künstlerin über eine in Wien geplante Ausstellung sprechen und eine Fülle an persönlichen Geschichten und Ansichten dieser Frau unmittelbar erfahren. Das emotionale Ergebnis dieses glückhaften Treffens ist nun bis 7. Jänner 2024 unter dem Titel „ELISABETH WILD. FANTASIEFABRIK“ zu erleben. Begonnen hat alles in Wien, wo Elisabeth Pollak als Kind einer katholischen Mutter und eines jüdischen Vaters zur Welt gekommen ist. 1938 war sie zur Emigration gezwungen und begann in Argentinien als Textildesignerin zu arbeiten. Dabei lernt sie ihren Mann August Wild kennen. 1962 erfolgt jedoch bereit der nächste Ortswechsel. In Buenos Aires hatte sich ein rechtsradikales Klima breitgemacht und Elisabeth Wild Richtung Schweiz vertrieben. In Basel führt sie eine Zeit lang einen Antiquitätenladen, bis erneut die Ferne ruft. Ab 1996 lebt sie mit ihrer Tochter Vivian in Guatemala. Vivian Suter ist ebenfalls künstlerisch hochbegabt. Deren Werke werden übrigens zur Zeit in der Secession unter dem Titel „A Stone in the Lake“ (bis 18. Juni 2023) gezeigt.

Elisabeth Wild, Ohne Titel, Collage auf Papier © Estate of Elisabeth Wild, 2023

Elisabeth Wild, Ohne Titel, 2017, Collage auf Papier © Estate of Elisabeth Wild, 2023 Courtesy of the Artist‘s Estate; CARBON.12, Dubai

Elisabeth Wild, Ohne Titel, Collage auf Papier 2017 © Estate of Elisabeth Wild, 2023

Elisabeth Wild, Ohne Titel, 2017 Collage auf Papier © Estate of Elisabeth Wild, Photo: Markus Wörgötte

Abgesehen von einem Studium an der Academia Nacional de Bellas Artes in Buenos Aires ist von ihrer Ausbildung wenig bekannt. In früheren Arbeiten probiert sie nahezu jedes Genre der klassischen Malerei aus. Ein erfrischender Mix aus Landschaften, Stillleben, Akte und Frauenporträts lassen auf hohe Begabung schließen. Dazu stellt sich der Mut ein, surrealistische Elemente in ihr Werk einzubinden. Die Formate werden kleiner, intimer und atmosphärisch träumerischer. Anfang des 21. Jahrhunderts konzentriert sie sich auf das Medium der Collage, das sie bis zuletzt mit jeweils einem Werk täglich bereichert hat. Als ihr auf der documenta 14 damit der Durchbruch gelingt und sich die lang ersehnte Anerkennung einstellt, ist die Künstlerin 95 Jahre alt. Mit der Hommage im mumok ist sie quasi wieder zum Ausgangspunkt dieses „Rittes durch die Kunstgeschichte des 20. und 21. Jahrhunderts“ zurückgekehrt. Im Hauptteil der Schau sind 365 Collagen zu sehen, kaleidoskopische Welten, die von ihr selbst als „Fantasias“ bezeichnet wurden. Zu entdecken ist auf den A4-Formaten das Fundergebnis einer Sammlerin, die Versatzstücke irdischen Glamours aus populären Lifestyle- und Hochglanzmagazinen zu ungewöhnlichen Konstellationen zusammengefügt und damit die Tür zu imaginären Traumwelt aufgestoßen hat.

mumok Logo 250

Statistik