Kultur und Wein

das beschauliche Magazin


BESUCH BEI MISTER GREEN bringt traditionelle Sturheit ins Wanken

Peter Josch als Mister Green © Hubert Mican

Peter Josch als Mister Green © Hubert Mican

Leiser Humor, offene Diskussionen und drei essenzielle Fragen

Mister Green und Ross Gardener sind Juden. Beide wohnen in New York City und hätten sich trotzdem nie getroffen, wäre Mr. Green nicht vor das Auto von Ross gelaufen. Bei diesem Unfall ist glücklicherweise nichts passiert, zumindest nicht dem alten Herrn Green, der dadurch lediglich zu Sturz gekommen ist. Ross hingegen erhielt eine – bei uns würde man sagen – Diversion, weil er zu schnell unterwegs war. Ihm wurde vom Richter ein Sozialdienst aufgebrummt. Er muss eine Zeit lang sein „Opfer“ einmal in der Woche besuchen, ihm Essen bringen, in der Wohnung aufräumen und ähnliche kleine Hilfen leisten. Für den US-Autor Jeff Baron war diese Situation Ausgangspunkt für eines seiner erfolgreichsten Theaterstücke. „Besuch bei Mister Green“ behandelt in relativ kurzer Zeit (eine Stunde und 20 Minuten) eine ganze Reihe von Themen mit beachtlichem Tiefgang. Sie zwingen geradezu zum Nachdenken; über das Schwulsein, über Einsamkeit im Alter und vor allem über die Sturheit, die so manches Dasein mit Verbitterung erfüllt.

Peter Josch (Mr. GReen), Anatol Rieger (Ross Gardener) © Hubert Mican

Peter Josch (Mr. GReen), Anatol Rieger (Ross) © Hubert Mican

Anatol Rieger (Ross), Peter Josch (Mister Green) © Hubert Mican

Anatol Rieger (Ross), Peter Josch (Mister Green) © Hubert Mican

Peter Josch und Anatol Rieger sind keine Juden. Aber sie spielen überaus glaubhaft zwei im Grund höchst unterschiedliche Juden. An dieser Stelle ist die erste Frage angebracht: Was unterscheidet Juden von anderen Menschen? Ganz ehrlich: Nichts. Zumindest äußerlich. Schminke oder andere verpönte Formen kultureller Aneignung sind damit unnötig. Es genügt, wenn Peter Josch gekonnt dezent jiddelt. Sein Mr. Green ist zwar schon in den USA geboren, dessen Eltern mussten jedoch vor grausamer Unterdrückung dorthin fliehen. Sie haben ihm den strengen Glauben an ihre Herkunft mitgegeben. Er selbst hat sich nie von den hergebrachten Traditionen nur einen Zentimeter getrennt. Es führt so weit, dass er für die Tochter Rachel, die einen Goi geheiratet hat, das Kaddisch spricht.

Dass er damit nicht nur sich, sondern auch seine kürzlich verstorbene Frau und die Familie von Rachel unglücklich gemacht hat, drängt die nächste Frage auf: Ist es irgendeine Religion oder Nation wert, seinen Lieben und damit auch sich selbst mit tödlichem Hass zu begegnen? Die Antwort darauf dürfte ebenso einfach sein: Nein! Dass dieser Ross, ein sympathischer junger Mann aus bestem Haus und mit ausgezeichnetem Einkommen, nicht und nicht heiraten will und damit den Alten hinreißt, ihn ein „Feigele“ zu schimpfen, ist das nächste Problem. Ross ist schwul. Er erklärt nachvollziehbar, wie es dazu gekommen ist, wie er damit lebt und im Grunde auch leidet. Für Mr. Green stellt es jedoch eine nahezu unüberwindliche Hürde dar, den jungen Mann in seiner Nähe zu ertragen. An diesem Punkt lösen sich endlich die konfessionellen Schranken. Mit unbedeutenden Modifikationen werden diese drei Fragen für alle, ob Jude oder Katholik, Protestant, ohne Bekenntnis etc. wesentlich und machen dieses Stück zu einer allgemein menschlichen Gewissenserforschung, die von Richard Maynau hinreißend für die Neue Tribüne Wien inszeniert wurde.

Anatol Rieger (Ross) © Hubert Mican

Anatol Rieger (Ross) © Hubert Mican

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