Kultur und Wein

das beschauliche Magazin


 

Richard Wagner aus der Sicht eines englischen Musikkritikers

Als Geburtstagsgeschenk eine Apologie

Es dürfte kaum einen zweiten Künstler geben, dessen Leben und Schaffen derart zwiespältig aufgenommen wird, als Richard Wagner. Auf der einen Seite sind es seine Verehrer, die Wagnerianer, denen er als Gott gilt, der überhaupt nicht hinterfragt werden darf. Ihnen gegenüber stehen die Gegner, die Wagner und seine Welt rundweg ablehnen, aber auch kritische Geister, die mit nachvollziehbaren Argumenten am Denkmal Richard Wagner zu kratzen wagen. Dass sich dabei ein stattlicher Haufen an Missverständnissen angesammelt hat und einige scheinbar unüberbrückbare Gräben aufgetan haben, braucht niemanden zu verwundern.

 

Vielleicht war dieser Gedanke für den Engländer Barry Millington Inspiration, Richard Wagner zu seinem 200. Geburtstag ein Buch zu widmen. Sowohl der Titel „Der Magier von Bayreuth“, als auch der Untertitel „Richard Wagner - sein Werk und seine Welt“ lassen auf eine der vielen ohnehin bestehenden Biographien schließen.

ISBN 978-3-86312-029-0, Preis € 29,90

Dahinter steckt aber weit mehr als eine Lebens- und Werkbeschreibung. Das Buch ist in erster Linie eine Apologie, ein schuldiges Zurechtrücken zahlreicher Schräglagen, mit denen Richard Wagner schon Zeit seines Lebens zu kämpfen hatte und denen seine Werke bis heute ausgesetzt sind.

 

Wagner war ein Magier, einer der Opern geschaffen hat, die es bis dahin einfach in dieser Form nicht gegeben hat. Der Musikkritiker Millington schafft es, die Entwicklung von Glucks fortschrittlichen Ansätzen, denen Wagner in frühen Jahren begegnet ist, über die frühen Opern wie „Der fliegende Holländer“ bis zum Gesamtkunstwerk „Ring“ plausibel zu erklären, eingepackt in ungemein umfangreiches Wissen um deren Entstehung und deren literarischen Hintergrund, bis zum Funken, der die Schöpfung eines neuen Werks entzündete. Beim Tannhäuser war es beispielsweise ein „…zufällig mir in die Hand geratenes Volksbuch vom Venusberg…“.

 

Als Mensch genießt Wagner bekanntlich nicht den besten Ruf. Die Vorwürfe sind Legion. Einige davon werden von Millington unter die Lupe genommen. Je genauer der Blick, vorausgesetzt er ist unvoreingenommen, darauf gerichtet wird, umso milder dürfte das Urteil ausfallen. Der Egomane Wagner, der keinen anderen neben sich bestehen ließ, der rücksichtslose Womanizer, der den Männern um sich die Frauen ausspannte, der Verschwender und der Judenhasser, der einer Ideologie des Herrenmenschen den Weg geebnet hat; Millington nimmt sich einen Punkt nach dem anderen vor und versucht zumindest Objektivität zu vermitteln.

 

Nebenbei ist dieses Buch aber auch ein vortrefflicher Opernführer. Die Werkbeschreibungen gehen der Handlung und der Musik auf den Grund, analysieren den philosophischen Background und erzählen von den Überlegungen, die Wagner jeweils dazu angestellt hat. Fachbegriffe wie das Leitmotiv werden erklärt und über die Orchestrierung wird referiert. In diesem Punkt muss allerdings leise Kritik dem bisher lauten Lob angefügt werden. An der Stelle, wo Millington die Besetzung des Orchesters für den Ring aufzählt, hat er glatt auf den Riesenwurm und ähnliche Ungeheuer vergessen, die ihr schreckliches Erscheinen dem charakteristischen Ton der Kontrabasstuba (nicht der erwähnten Kontrabassposaune!) verdanken.

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