Kultur und Wein

das beschauliche Magazin


Carlos Bunga, Mind awake, body asleep, 2021, Foto: Julia Kronberger

Carlos Bunga, Mind awake, body asleep, 2021, Foto: Julia Kronberger

DANH VÕ Kapuzinerkresse vom Güldenhof

Danh Vo, 2021, Ausstellungsansicht Secession 2021

Danh Vo, 2021, Ausstellungsansicht Secession 2021

Drei neue Kunstproduktionen, ein bisschen was zum Schauen und viel zum Lesen

Kuratorin Jeanette Pacher kennt den aus Vietnam stammenden Performance- und Konzeptkünstler Danh Vō aus persönlichen Begegnungen, von Besuchen auf dem Güldenhof, einem alten Gutshof bei Brandenburg. Sie weiß, dass der Hof zu einem kreativen Rückzugsort für den Künstler geworden ist. Dort kann er neue Dinge ausprobieren, produzieren und mit seinen Besuchern in kreative Verbindung treten. Er sieht seine Aufgabe unter anderem darin, eine über lange Zeit entstandene Wildnis zu einem multifunktionalen Ort mit Atelier zu verwandeln. Hierzulande ist Danh Vō eher kaum bekannt gewesen. Aber dank der Ausstellung in der Secession wird zumindest die Idee vom seinem Wirken und seiner Arbeitsweise nach Wien transportiert. Die Ausstattung mit Objekten ist, sagen wir so, minimalistisch; ein paar Versatzstücke, die sich im White Cube des Hauptraumes ein wenig verloren ausnehmen, aber vielleicht gerade deswegen anregen, die in freundlichen Holzkonstruktionen verborgenen Irritationen zu entdecken. So hängen unter einem antik wirkenden Kopf zwei amputierte Füße in einem Kasten und in einer alten Kiste, die einst zum Transport von Nestele Milch gedient hat, liegt ein verwitterter Holzklotz. Eine Wand mit kleinformatigen Fotos zeigt die Natur (vermutlich um den Güldenhof herum), die in einer der Installationen durch einen Buschen Kapuzinerkresse mit natürlichem Grün vertreten ist.

Rana Hamadeh, Standard_Deviation, 2021, Filmstill

Rana Hamadeh, Standard_Deviation, 2021, Filmstill

Danh Vo, 2021, Ausstellungsansicht Secession 2021

Danh Vo, 2021, Ausstellungsansicht Secession 2021

Jeanette Pacher weiß dazu, dass diese Pflanze in Danh Vōs Reich in verschiedenen Orange-, Gelb- und Rottönen blüht und für den Künstler eine faszinierende Fülle an Konnotationen zu seinen Anliegen bietet. Dazu braucht man als Besucher jedoch Text, um sich gescheit zu machen. Denn nur dort wird ausführlich erzählt, wie dieses Gewächs mit seinen Blättern, die wie Schilde von griechischen Kämpfern aus sehen, und seinen Blüten, die bereits den Botaniker Carl Linnaeus (er hat die aus Amerika stammende Pflanze als erster beschrieben und „Tropaeolum majus – große Trophäe“ benannt) an blutbefleckte Helme gemahnten, seine pazifistische und kolonialistische Perspektive erworben hat.

 

Ähnlich geheimnisvoll geht es auch einen Stock tiefer zu. Carlos Bunga, ein portugiesischer Kunstschaffender, verfolgt dort unter dem Motto „Mind awake, body asleep“ seine konzeptionellen, performativen und installativen Strategien, wie es im Begleittext dazu ahnungsvoll heißt. Zu sehen ist nicht viel. Wieder heißt es angesichts düsterer Räume, eines Bettes mit Nachtlampe und auf Seilen aufgehängten Stoffstücken lesen, um zu erkennen, dass es sich um das rätselhafte Verhältnis von Körper und Geist handelt, das besonders im Schlafzustand deutlich wird. Er selbst sieht sich als Nomade, was auch seine Denkweise beeinflusst und jedes Projekt auch an der Stelle verortet, an der „es entstanden, produziert und ausgestellt wurde. Für mich ist Nomadentum nicht nur eine physische, sondern eine mentale Angelegenheit. Es ist eine andere Art, die Welt zu betrachten.

Carlos Bunga, Mind awake, body asleep, 2021, Ausstellungsansicht Secession 2021

Carlos Bunga, Mind awake, body asleep, 2021, Ausstellungsansicht Secession 2021

Im Grafischen Kabinett lädt die aus dem Libanon stammende, nun in den Niederlanden lebende und arbeitende Künstlerin Rana Hamadeh bis 7. November 2021 zu einer Filmvorführung ein. Titel des Streifens: Standard_Deviation. Es sind akustische und visuelle Welten, die in ihrer Abfolge von tanzenden Elefanten- und Saurierskeletten und einem an ein frühes Computerspiel erinnernden Rennpferd (auf den Hinterbeinen) irritieren. Aber auch hier genügt reines Schauen nicht. An den immer wieder ähnlichen Sequenzen, unterlegt von einem gewaltigen Soundtrack, hätte man sich bald sattgesehen. Sobald man aber weiß, dass es sich um eine neue Fassung eines von Hamadeh ständig weiterentwickelten Animationsfilmes handelt, die sich der Tragödie von Sophokles um „König Ödipus“ widmet, durchschaut man den Versuch einer poetischen Annäherung an diese klassische Erzählung. Bleibt dennoch Ratlosigkeit, kann man immer noch in den Keller hinabsteigen und den Beethovenfries bewundern und an der allegorischen Symbolik Klimts alle Klarheiten restlos beseitigen.

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