Kultur und Wein

das beschauliche Magazin


Studios SANDY, Flower © Thomas Hörl

Studios SANDY, Flower © Thomas Hörl

DER TANZ UM DIE SORGE Große Anliegen und komplexe Themen

István Antal, Thron Nr. 2 © Béla Kása

István Antal, Thron Nr. 2 © Béla Kása

Vom labilen Thron über die Poetik des Pacings bis zu Traum-Lebkuchen von Sandleiten

Wen der Titel dieses Artikels neugierig gemacht hat, findet umgehend Aufklärung in den SOHO Studios Ottakring im Sandleitenhof vom 14. November bis 10. Dezember 2023. Unterhalb des ehemaligen Kinos ist seit zwei Jahren die Kunst eingezogen und es wird, wie Marie-Christine Hartig, Hansel Sato & Ula Schneider vom Projektteam betonen, eine erstaunliche Bandbreite an Formaten und kulturellen Veranstaltungen für ein stetig wachsendes Publikum präsentiert. Die kommende Zeit tanzt um die Sorge, ein Phänomen, das mittlerweile sogar stinkreichen Investoren bekannt geworden ist und umso mehr die Menschen beispielsweise in diesem Gemeindebau, im 16. Bezirk oder der Stadt Wien mit ihren weit beschränkteren Mitteln trifft. Neun Kunstschaffende haben dazu ihre Meinung in Arbeiten geäußert, die sich mit diesem leidigen Thema auseinandersetzen.

Ege Kökel, Am Yorgan entlang © Görkem Aytaç

Ege Kökel, Am Yorgan entlang © Görkem Aytaç

Michaela Schwentner, re-BIRDING © Michaela Schwentner

Michaela Schwentner, re-BIRDING © Michaela Schwentner

Spürbar ist durchgehend die Angst um die Demokratie. Der Ungar István Antal hat dazu eine tröstliche Installation aus Eisenteilen geschweißt. „Thron Nr. 2“ lädt mutige Ausstellungsbesucher ein, es sich darauf mehr oder weniger bequem zu machen. Mit Gurten gesichert hängt die jeweilige Person fürs erste einmal kopfüber nach unten, während oben wieder jemand Platz nimmt. Durch eine geschickte Bewegung des „Unterdrückten“ dreht sich die Anlage und schon haben sich die Machtverhältnisse umgekehrt. Wäre es nur so einfach, Despoten zu entschärfen!

Beschaulicher sind die Video-Performances „Die Poetik des Pacings“ von Alex Iwanov oder Shahrzad Nazarpours „Hair, Stones and Voices (Part 4)“, Michaela Schwentners „re-BIRDING“ und die Arbeit aus Papier und Draht der Architektin Hannah Mucha über „Ornament und Sorge“. Eine Einführung in das Quilten, einer traditionellen Herstellung von Bettdecken in Anatolien, bietet „Am Yorgan entlang“ von Ege Kökel. Der Peruaner Alfredo Ledesma Quintana wiederum hat im gegenüberliegenden Kongresspark mit dem skulpturalen Monument „Reflections with the Wind“ in den öffentlichen Raum eingegriffen. Die Künstler Peter Kozek und Thomas Hörl entwickelten mit „SANDY“ ein kollaboratives Heimspiel in und mit der unmittelbaren Nachbarschaft in Sandleiten. Ihr Anliegen: „Zeichne deinen Traum und stelle ihn der Allgemeinheit zur Verfügung, indem du ihn SANDY in den Mund wirfst!“ Dafür liegt ein Formular auf, mit genügend weißer Fläche zum zeichnen oder schreiben. Eingefüllt werden die Tag- und Nachtträume in Modeln für Lebkuchen, gebacken und wohl auch gegessen. Gibt es etwas Vernünftigeres, als sich von Kunst zu ernähren?!

SANDY zum Einwurf der Träume © Peter Kozek

SANDY zum Einwurf der Träume © Peter Kozek

Getrocknete Pflanzen aus dem Sandleitenhof

Getrocknete Pflanzen aus dem Sandleitenhof

COMMUNI*TEA & WELTKUNST in der „Galerie“ Sandleitenhof

Von Pflanzen, Steinen und Gewässern lernen, Ausstellungsansicht

Von Pflanzen, Steinen und Gewässern lernen, Ausstellungsansicht

Ein Herbarium aus dem Gemeindebau und von Pflanzen, Steinen und Gewässern lernen

Vier Kunstschaffende aus Peru wurden eingeladen, im wahrlich vielfältigen Völkergemisch des Sandleitenhofes hehre Gedanken in Kunstwerken sichtbar zu machen. Nach deren eigener Aussage bestand die Aufgabe darin, mit aktuellen Arbeiten über die Beziehungen zwischen Mensch, Natur und anderen Erdwesen Gegenerzählungen von Erdbewohner:Innen inmitten kultureller Krisen zu schaffen. Imayna Caceras, Alfredo Ledesma, Eliana Otta und Hansel Sato liegt die Kultur der Amazonas- und Andengebiete im Blut, ebenso wie mestizische und indigene Praktiken und vor allem die Überzeugung, dass der Mensch integraler Bestandteil des Naturgefüges ist. Pseudo Fair Trade oder Ablasshandel mit Bio werden aufs Korn genommen und der Wunsch nach Überwindung von Grenzen und Hierarchien zwischen Mensch und Natur ausgedrückt. Verwendet werden dazu verschiedenste Techniken wie Video, Installation, Zeichnung, Skulptur und bestickte Textilien. Ein Leporello dient als praktischer Führer durch die Arbeiten, die im Hauptraum der SOHO-Studios unter dem Titel „Von Pflanzen, Steinen und Gewässern lernen“ zu erleben sind.

Von Pflanzen, Steinen und Gewässern lernen, Ausstellungsansicht

Von Pflanzen, Steinen und Gewässern lernen, Ausstellungsansicht

COMMUNI*TEA/Herbarium Sandleiten, Ausstellungsansicht

COMMUNI*TEA/Herbarium Sandleiten, Ausstellungsansicht

Karl Michael Drohsel und Charlotte Schneider sind das Produktionskollektiv Wien. Sie präsentieren im Eingangsbereich ihr Projekt „COMMUNI*TEA/Herbarium Sandleiten“ und laden zu einer sensorischen Entdeckungstour durch den Gemeindebau ein. Seit Februar wurde die der Stadt verbliebene Natur erkundet und das Gefundene zu „gustatorischen“ Spuren verarbeitet. An der Wand zeigt ein Herbarium aus sorgfältig gepressten und getrockneten Pflanzen, was erstaunlicherweise noch zwischen Parkplätzen, Gehsteigen und Hausmauern so alles gedeiht. Darunter finden sich beispielsweise Kräuter, aus denen g´sunder Tee gemischt wird, oder als historische Reminiszenz an billige Ersatzprodukte von Baumnadeln gewonnenes Mehl, aus dem grün schmeckende Kekse gebacken werden. Drohsel bringt das Wesen dieser Herbathek auf den Punkt: „Es geht um Wahrnehmung und Achtung, um uns und unsere Umgebung und wie wir durch unsere Sinne begreifen, lernen und teilen können.

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