Kultur und Wein

das beschauliche Magazin


Früheere Verhältnisse Ensemble © Karl Satzinger

Frühere Verhältnisse als Brennspiegel aller erdenklichen Unmoral

Hubis Kramar als Anton Muffl © Karl Satzinger

Von der Schand´, nach oben zu kommen und der Ehr´, gefallen zu sein

Johann Nestroy hat´s wie immer auf den Punkt gebracht, wenn er gerade den Herrn von Scheitermann nicht scheitern lässt. Aber mit dem Holzhandel ist der geweste Hausknecht stinkreich geworden. Das damit angesprochene Hautgout hat Josephine, zart besaitete Tochter eines Professors, nicht davon abhalten können, den ebenso betuchten wie dummen Aufsteiger zu ehelichen. Freilich scheint sie keine Ahnung von dessen Vergangenheit zu haben; er traut sich bei ihr ja ohnehin auch nicht danach zu fragen. Außerdem schämt er sich vor seiner Frau für den Umstand, zu Geld gekommen und von ganz unten nach oben gestiegen zu sein. Bewegung kommt in die gegenseitigen Verheimlichungen durch das einem grausamen Zufall zu verdankende Auftauchen der neuen Hausangestellten Peppi Amsel und Anton Muffl. Peppi ist eine wenig erfolgreicher Bühnenstar und ehemalige Vertraute von Josephine. Als solche ist sie in die nicht wenigen Affären ihrer nunmehrigen Herrin bestens eingeweiht und eine Bombe, die jederzeit, ausgelöst durch ein loses Mundwerk, detonieren kann.

Tania Golden als Peppi Amsel © Karl Satzinger

Muffl übertrifft in seiner betreffs anrüchiger Hintergründe wissensmäßigen Brisanz die Kollegin um einiges. Er war vor seinem Fall der gütige Herr des jetzigen Chefs und gleichzeitig Verliebter und Verlobter von Peppi. Eine kleine Verwechslungskomödie macht die Entdeckung allseitiger Schanden nicht nur unterhaltsam, sondern sogar noch spannend. Aber es wär´ nicht Nestroy, wenn die ganze Schweinerei nicht gut ausginge und allgemeines Verzeihen als flauschige Decke über die fragwürdigen Vergangenheiten aller Beteiligten gebreitet würde.

Hubis Kramar (Muffl), Julian Loidl (Herr von Scheitermann) © Karl Satzinger

Derlei „Frühere Verhältnisse“ sind zeitlos aktuell. Es gibt kaum einen von den Leuten, der nicht irgendeine Unmoral in der Senkgrube eigener Verdrängungen zu verbergen hätte. Jeder ist gemeint, und lacht trotzdem, nicht zuletzt, weil es Hubsi Kramar und sein Ensemble mit der Ehrlichkeit Betroffener auf die Bühne des Theaters Akzent stellen. Der Prinzipal selbst ist Anton Muffl, der seine Größe auch im Bettlergewand nicht verloren hat, sich aber schamlos aufs Erpressen verlegt.

Mit diesem Mann ist nicht gut Kirschen essen. Das merkt als erster Julian Loidl, der als Herr von Scheitermann nun nicht mehr nur seiner Frau Josephine (Adriana Zartl), sondern auch dem neuen Hausdiener rettungslos ausgeliefert ist. Das zweite Opfer ist Tania Golden im Kostüm der Peppi Amsel. Sie scheut nicht davor zurück, sich als Hausfrau auszugeben und ohne Rücksicht auf ihre Person mit vitaler Komik jede Gelegenheit, Lacher zu ernten, hemmungslos wahrnimmt. Für „Heutige Verhältnisse“ wäre der originale Einakter eventuell zu kurz. Also wurde eine feine Intro vorangestellt. Anja Pichler an der Harfe zupft sich romantisch und und wild appregierend in die Gemüter des Publikums, um von Michael Reitinger an der Gitarre abgelöst zu werden.

Ihm verdanken wir auch die Musik zu den Songs, die Eva Schuster neben den Texten des einleitenden Kabaretts geschrieben hat. Als Brückenbauer vom verderbten Gestern ins korrupte Heute wird kein Geringerer als Bertolt Brecht verpflichtet. Seine Ballade vom Wasserrad, gemeint sind damit die hohen Herren, unter denen die kleinen Leute, die diese nähren, zu leiden haben, gibt einen Vorgeschmack auf die launige Moralpredigt, mit der schon Nestroy seinen Zeitgenossen ins Gewissen geredet hat.

Tania Golden (Peppi), Adriana Zartl (Josephine) © Karl Satzinger
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