Kultur und Wein

das beschauliche Magazin


Dreifaltigkeitskirche und Priesterhaus in Salzburg, Modell, 1956, Salzburg Museum © Salzburg Museum

Dreifaltigkeitskirche und Priesterhaus in Salzburg, Modell, 1956, Salzburg Museum © Salzburg Museum/Melanie Wressnigg

FISCHER VON ERLACH Barockarchitekt und Welthistoriker

Werner Feiersinger, Nationalbibliothek Außenansicht © Werner Feiersinger

Werner Feiersinger, ONB Außenansicht © Werner Feiersinger

Würdigung für einen bedeutenden, wenn nicht den bedeutendsten Baumeister seiner Zeit

Das ist ein Entrée! Wie ein Magnet zieht das über einen Meter breite Modell der Dreifaltigkeitskirche in Salzburg den ersten Blick auf sich und hält ihn spielerisch fest. Rechts lockt das Kolossalgemälde „Bathseba im Bade“ von Carlo Maratta, links ein Pyramidenstumpf mit dem Namen „Johann Bernhard Fischer von Erlach“. Ihm gilt diese Ausstellung, die von Salzburg kommend ein Jahr nach dem 300. Todestag (5. April 1723) nun im Wien Museum den Sonderausstellungsraum im obersten Geschoss mit dem Titel „Fischer von Erlach. Entwurf einer historischen Architektur“ (bis 28. April 2024) eröffnet. Angesichts der Präsenz seiner Bauten in Wien, nicht zuletzt die dem Museum gegenüber aufragende Karlskirche, ist es verwunderlich, dass seit 1956 dieser herausragende Architekt nicht entsprechend gewürdigt wurde. Nun wurde aber vieles gutgemacht. Neben Kurator Andreas Nierhaus wurde der Künstler Werner Feiersinger engagiert, sein Wissen als Bildhauer (Fischer von Erlach war ebenfalls gelernter Bildhauer) und seinen professionellen Blick als Fotograf einzubringen. Das Ergebnis ist ein faszinierender Rundgang durch das umfangreiche Wirken eines österreichischen Baumeisters, der weit über den Tellerrand seiner Aufträge hinausgeblickt hat und uns neben wichtigen Barockbauten die seinerzeitige Architektur der Welt nahebringt.

Entwurf für ein Bergschloss, um 1705, Federzeichnung, Wien, Albertina © Albertina, Wien

Johann Bernhard Fischer von Erlach, Entwurf für ein Bergschloss, um 1705, Federzeichnung, Wien, Albertina © Albertina, Wien

Die Sultan-Achmed-Moschee in Istanbul © National- und Universitätsbibliothek Zagreb

Johann Bernhard Fischer von Erlach, Die Sultan-Achmed-Moschee in Istanbul, vor 1712, Federzeichnung, © National- und Universitätsbibliothek Zagreb

Ein Schlendern entlang der Zeichnungen aus Fischers 1721 veröffentlichten „Entwurff Einer Historischen Architectur“ führt in alle Himmelsrichtungen, bis in die Wüste Arabiens und nach Fernost. Allein hier läuft man als Besucher Gefahr, die Zeit zu vergessen. Dank der Einteilung der Schau in neun Kapitel lässt sich anhand eines Systems Leben und Wirken gezielt erfahren. Den Anfang macht Rom, das im 17. Jahrhundert das kulturelle Zentrum Europas war und die Künstler des Kontinents magisch angezogen hat. Auch der junge Fischer kam um 1670 für einige Jahre in die Ewige Stadt, um hier zu lernen. Begegnungen mit Gian Lorenzo Bernini beeindruckten ihn und prägten sein späteres Schaffen als Architekt „ungemeiner“ Entwürfe. Er kehrte just in den Jahren zurück, als nach der Vertreibung der Osmanen in Wien dieser Sieg mit dem Barock überschwänglich gefeiert wurde.

Ausstellungsansicht © Werner Feiersinger

Fischer von Erlach Entwurf einer historischen Architektur, Ausstellungsansicht © Werner Feiersinger

Einer der ersten Auftraggeber war Johann Adam I. Andreas Fürst von Liechtenstein. Damit erklärt sich auch das eingangs erwähnte Gemälde, das sich in dessen Sammlung befand. Nach Fischers Plänen wurde (das heute nicht mehr existierende) Belvedere errichtet, als Summe von skulpturalem Körper, gefasstem Raum und wirkungsvollem Bild. Diese Dreiheit zieht sich durch sämtliche Bauten, mit denen Fischer bald große Erfolge feierte. Es ist der „Körper im Raum“, dem ein eigenes, sehr ausführliches Kapitel gewidmet wird. Ihm folgen „Große Erwartungen“.

Dazu zählen die sogenannten Ehrenpforten, nur für kurzfristigen Gebrauch aus Papiermache errichtete Bauten. „Die Salzburger Gelegenheit“ erzählt über sein Engagement durch den Fürsterzbischof, der ihm die Pracht einer ganzen Reihe von sakralen Bauten verdankt. „Die Welt im Blick“ führt zurück zu dem oben erwähnten großformatigen, aus fünf Büchern bestehenden Werk mit Stichen nach Zeichnungen von Fischer von Erlach. Im barocken Wien gaben der Adel und dessen Vermögen den Ton an und ließ sich Stadtpaläste erbauen, zum guten Teil ausgestattet von Fischer. Mit der Thornbesteigung durch Karl VI. wurde Wien „das neue Rom“, in dem sich der Architekt durchaus zuhause fühlte. Ein monumental breites Gemälde zeigt den Besuch des Kaisers auf der Baustelle der Karlskirche, die ihre besondere Wirkung von der Terrasse des Wien Museums aus offenbart. Sie steht für „Die Auflösung des Karlsplatzes“, dem letzten Teil dieser Ausstellung, die neben großformatigen Fotos vor allem zahlreiche noch nie gezeigte Objekte zu Ehren des Architekten und Welthistorikers Fischer von Erlach bietet.

Werner Feiersinger, Stadtpalais des Prinzen Eugen © Werner Feiersinger

Werner Feiersinger, Stadtpalais des Prinzen Eugen © Werner Feiersinger

Maria Benke, Walfisch vom Gasthaus zum Walfisch im Prater, 1951, Foto: Birgit und Peter Kainz (WM)

Maria Benke, Walfisch vom Gasthaus zum Walfisch im Prater, 1951, Wien Museum, Foto: Birgit und Peter Kainz, Wien Museum

WIEN. MEINE GESCHICHTE in der Dauerausstellung durchwandern

Ausstellungsansicht in der zentralen Halle © Lisa Rastl

Ausstellungsansicht in der zentralen Halle © Lisa Rastl

Das große Werk ist vollendet! Das Museum der Stadt als offenes Haus für ihre Bürger.

Bevor man sich in die breit angelegten 3.300 m2 Ausstellungsfläche auf drei Etagen mit 1.700 Objekten begibt, sollte man bequem mit dem Aufzug in die Etage drei fahren. Ein Espresso im Café „trude und töchter“, am besten draußen auf der Terrasse, schafft Selbstbewusstsein. Auf Augenhöhe begegnen dem Besucher die Dachgeschosse von Musikverein, Künstlerhaus und gegenüber die Karlskirche mit Blick von oben auf deren mächtigen Portikus. Die dicht mit Bäumen bewachsene Grünfläche des Karlsplatzes dazwischen bietet optische Erholung und schafft die nötige Konzentration für das Unternehmen einer Stadtwanderung in der Vertikale von Raum und Zeit.

Ausstellungsanicht Zweite osmanische Belagerung © Lisa Rastl

Ausstellungsansicht Zweite osmanische Belagerung © Lisa Rastl

Ausstelllungsansicht Mittelalter © Lisa Rastl

Ausstelllungsansicht Mittelalter © Lisa Rastl

Das Architektenteam Ferdinand Certov, Klaudia Ruck und Roland Winkler hat über dem zu seiner Zeit absolut funktionalen Bau von Oswald Haerdtl (1959) ein Gebäude gestaltet, das einerseits mit seiner Mächtigkeit zu einem Powerplayer des Platzes geworden ist, anderseits aber mit heller Großzügigkeit einlädt, sich mit der wohlgeordneten Geschichte der Stadt Wien einzulassen. Schön, dass dank Direktor Matti Bunzl der Eintritt frei ist, damit hat man immer wieder die Möglichkeit, neue Facetten urbaner Vergangenheit und sogar dynamisch angelegter Gegenwart zu entdecken.

Ausstellungsansicht Ringstraßenzeit © Lisa Rastl

Ausstellungsansicht Ringstraßenzeit © Lisa Rastl

Was das Heute betrifft, so hat man auf die Menschen gesetzt, die darüber erzählen, warum sie hier sind oder hierher gekommen sind. Zweifellos ist die hohe Lebensqualität entscheidender Anstoß für ein enormes Wachstum der Einwohnerzahl, das wiederum eine Palette an Problemen des Zusammenlebens zeitigt. Doch trotz der bedenklichen Nähe von Kriegen geht es in Wien noch vergleichsweise friedlich zu. Komplikationen haben hier die Möglichkeit, sich in einer doch ausgezeichnet funktionierenden Infrastruktur und in einem erfrischenden Freizeitangebot zu verlaufen. Dass dem nicht immer so war, beweisen erschütternde Bilder aus den Jahren 1938 bis 1945, in denen die Wiener Gemütlichkeit in unbegreiflicher Weise in eine andere Menschen verachtende Grausamkeit umgeschlagen ist.

 

Eine Spur von Jubelstimmung ist in der Zwischenkriegszeit zu verspüren. Damals war das Rote Wien eine Insel, bis der Bürgerkrieg den Aufschwung jäh beendete. Mit Gemeindebauten und einer Reihe von sozialen Projekten war jedoch ein Grundstein zu späterem Wohlfühlen gelegt. Im Kapitel „Schönheit am Abgrund. Wien um 1900“ werden die herrschenden Gegensätze zwischen arm und reich thematisiert. Man könnte sich an die grandiosen Gemälde halten oder sich über den Sessel des längst als Judenhasser betrachteten Bürgermeisters Karl Lueger amüsieren.

Unwillkürlich ist man jedoch in eine Bande von Päderasten geraten. Peter Altenberg wird zwar die Eigenschaft als Verehrer von Frauen abgesprochen. Es heißt dort, er hätte die Weiblichkeit eher verachtet – und er war ein Lustmolch, der sich an Kindern vergangen hat. Im dazugehörigen Text wird mit einer seltsamen Selbstverständlichkeit berichtet, dass Herr Richard Engländer den Herkunftsort seiner 13-jährigen Geliebten als sein Pseudonym gewählt hat. Noch unangenehmer wird es ein paar Schritte weiter. Man steht in der Rekonstruktion des Wohnzimmers von Adolf Loos und sucht vergebens nach dem schreienden Kontext, mit dem dieser Sexualverbrecher versehen sein müsste. Ein winziger, unleserlicher Zeitungsausschnitt auf einem Bildschirm, mehr ist nicht zu finden. Und doch hat Loos wohl in diesem Raum acht bis zwölfjährige Kinder missbraucht, dort massenhaft pornographische Fotos von kleinen Mädchen gehortet und die Kinder im Namen der Kunst zu lasziven Posen verführt – zum Gruseln! Warum wird überhaupt die Erinnerung an solche Typen so ausdrücklich hochgehalten? Eine Randnotiz hätte genügt.

Teresa Feodorowna Ries, Hexe bei der Toilette für die Walpurgisnacht, 1895, Wien Museum

Teresa Feodorowna Ries, Hexe bei der Toilette für die Walpurgisnacht, 1895, Wien Museum, Foto: TimTom, Wien Museum

Große Ambitionen prägten die Ringstraßenzeit, denen Massenmigration aus den ärmsten Teilen der Monarchie entgegenstanden. Freundlicher wird es im Biedermeier und Vormärz, die den Wienern trotz Zensur und obrigkeitlicher Überwachung die Freude an Unterhaltung nicht nehmen konnten. Barock und Aufklärung werden unter der Frage: „Wie viel Ordnung muss sein?“ kritisch beleuchtet. Den beiden Protagonisten, Maria Theresia und Josef II., werden Abschaffung von Folter und Todesstrafe, Schulpflicht und zumindest dem Kaiser religiöse Toleranz zugeschrieben. Stolz erfüllt die Nachgeborenen, wenn sie ausführlich über das Ende der osmanischen Expansionsbestrebungen vor den Mauern Wiens informiert werden.

Ausstellungsansicht Biedermeier und Vormärz © Lisa Rastl

Ausstellungsansicht Biedermeier und Vormärz © Lisa Rastl

Gefäße in Tierform, um 1200 - 1100 v. Chr., Foto: TimTom, Wien Museum

Gefäße in Tierform, um 1200  v. Chr., Foto: TimTom, Wien Museum

Das Erdgeschoss ist der frühen Historie vom Mittelalter abwärts bis zur Urzeit gewidmet. Der Platz über der Donau war seit 8.000 Jahren immer wieder besiedelt, bis zu den Römern und dem Lager Vindobona. Über allem schwebt jedoch der Wal. „Walfisch Poldi“ mit der Provenienz Wurstelprater ist das untrügliche Zeichen dafür, dass die Wiener welcher Herkunft und Sprache auch immer von ihrer Stadt geprägt werden, mit der Zeit die typische Charaktereigenschaft erhalten, die auch große Herausforderungen mit einer grantig lächelnden Nonchalance zu überwinden imstande ist.

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