Kultur und Wein

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Ausstellungsansichten "Verborgene Moderne" © Leopold Museum, Wien, Foto: Oliver Ottenschläger

Ausstellungsansichten "Verborgene Moderne" © Leopold Museum, Wien, Foto: Oliver Ottenschläger

VERBORGENE MODERNE Kunst als Spiegel des Okkulten um 1900

Oskar Kokoschka, Bertha Eckstein-Diener, 1910 © mumok

Oskar Kokoschka, Bertha Eckstein-Diener (Detail) © mumok

Die Suche nach dem „feinstofflichen“ Ersatz für banale unbewältigte Wirklichkeit

Die Welt jenseits wissenschaftlicher Erkenntnisse und real erfahrbarer Tatsachen hat bis heute nichts von ihrer Faszination eingebüßt. Es ist das wohlige Gruseln, wenn sich beim Tischerlrücken eine Botschaft unter dem Bleistift manifestiert. Ein Partyspaß, mehr nicht! Oder doch ein geheimnisvoller Kontakt ins Jenseits? Der Beginn dieses esoterischen Booms liegt am Ende des 19. Jahrhunderts. Technik und Wissenschaft hatten sich im Rekordtempo entwickelt, die Industrialisierung eine ungebremste Dynamik in Produktion und Handel geschaffen und der Materialismus wurde zum Credo eines Kapitals, das nur einer winzigen Schicht der Gesellschaft zur Verfügung stand. Übersehen wurde dabei die Natur, die übrigens bis in die Gegenwart an der Ignoranz einer rücksichtslosen Gewinnsucht laboriert. Die Philosophie und in deren Gefolge die Kunst erkannten die Probleme und zeigten Wege für ein Gegensteuern auf. Damals entstanden Reformbewegungen wie „zurück zur Natur!“, FKK & Vegitarismus Hand in Hand mit spiritistischen und theosophischen Lehren. Sie schwappten auch über Wien herein, in eine Stadt, in der noch ein streng katholischer Kaiser derlei „gottlose“ Bestrebungen mit größtem Argwohn betrachtete.

ADOLF OST, Geistererscheinung, vor 1864 © Albertina, Wien. Dauerleihgabe der HGB

l.o.: ADOLF OST, Geistererscheinung, vor 1864 © Albertina, Wien. Dauerleihgabe der Höheren Graphischen Bundes-Lehr- und Versuchsanstalt, Foto: Albertina, Wien

r.o.: Gabriel von Max, Das Phantom Katie King, The Jack Daulton Collection

Gabriel von Max, Das Phantom Katie King, The Jack Daulton Collection

Das Leopold Museum hat sich dieser Periode mit einer umfangreichen Ausstellung angenommen. Unter dem Titel „Verborgene Moderne. Faszination des Okkulten um 1900“ (bis 18. Jänner 2026) wird das diesbezügliche Milieu in Wien von verschiedenen Seiten beleuchtet. Im Mittelpunkt steht freilich die Malerei, die mit 180 Werken vertreten ist, dazu kommen Fotos, Druckwerke und Objekte wie Turngeräte und Kleidung. Einer der ersten Rufer war Friedrich Nietzsche, der den Übermenschen proklamierte. Zitiert wird sein Ausspruch, in dem er das Bergsteigen als wahre Möglichkeit zur Selbstfindung feststellte und damit eine Begeisterung für den Alpinismus auslöste. Das Café Griensteidl wurde zum Treffpunkt der davon infizierten Szene. Dazu kamen eine nahezu göttliche Verehrung von Richard Wagner und seinem gewaltigen Werk. Einer seiner Jünger war der Maler Karl Wilhelm Diefenbach, ein exzentrischer Vertreter der Freikörperkultur und Schöpfer einer neuen Form der Lebensgemeinschaft. In seiner Kommune versammelte er spätere Größen wie František Kupka (Pionier der gegenstandslosen Malerei), Gusto Gräser (gezeigt wird sein Bild „Per aspera ad astra“) und Hugo Höppner, von Diefenbach nur „Fidus“ (der Getreue) gerufen.

Ausstellungsansicht mit „Zandergeräten“ um 1895 (von Fam. Nemetz & Art the Park Hotel, Baden

Ausstellungsansicht mit „Zandergeräten“ um 1895 (von Fam. Nemetz & Art the Park Hotel, Baden bei Wien)

Architekturmodell der Secession von Rudolf Peter Hauptmann, Secession Wien

Architekturmodell der Secession von Rudolf Peter Hauptmann, Secession Wien

Ins Auge fallen beim Eintreten in die Schau jedoch die großformatigen Gemälde „Kreislauf des Lebens“ von Hans Canon und „Die Seelen am Acheron“ von Adolf Hirémy-Hirschl. Sie sind das Programm, das konsequent bis zum Ende der von Matthias Dusini und Ivan Ristić gestalteten Ausstellung in vielen Variationen aufbereitet wird. Dabei wird auch die Kehrseite des Okkultismus nicht verschwiegen. Der kurzzeitig als Zisterzienser in Stift Heiligenkreuz aufgenommene Jörg Lanz von Liebenfels (Teile seines Namens sind frei erfunden) gilt als der Begründer der „Ariosophie“, die bereits Elemente der NS-Ideologie vorwegnahm. Als ehemaliger Mönch wusste er vom Wert eines Ordens, der unter „Neutempler“ auf Burg Werfenstein (bei Grein) seinen Sitz hatte.

Er inspirierte sogar den während seiner Ehe mit Frida Uhl im nahen Saxen aufhältigen Dramatiker August Strindberg, der sich daraufhin als Maler düsterer Visionen versuchte. Hypnose und Trance waren in der Wiener Society im Schwange. Traumtänzerinnen wurden ebenso gemalt wie die „Frau in Trance“ oder das meist weibliche Medium, das für die Verbindung mit einem unheimlichen Drüben sorgte. Mittels fotografischen Tricks wurden Geister abgelichtet oder wie bei Richard Gerstl, der eine Aureole über seinem Kopf leuchten ließ, das Dasein mit dem Unwirklichen überhöht. Man war überzeugt, dass Feinstoffliches existierte und wurde darin mit der Erfindung der Röntgenstrahlen bestärkt. Werke von Edvard Munch, Egon Schiele, Oskar Kokoschka oder Max Oppenheimer sind ebenfalls Teil dieser Wanderung durch eine Zeit, in der das „Morphium des Gefährlichen“ (© Guido Lammer) als unabdingbare Kraftquelle der Kreativität eingenommen wurde.

Albert von Keller, Die Traumtänzerin Magdeleine, um 1905 © Kunsthaus Zürich

Albert von Keller, Die Traumtänzerin Magdeleine, um 1905 © Kunsthaus Zürich, Geschenk aus dem Nachlass Dr. Oskar A. Müller, 2007 Foto: Kunsthaus Zürich

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