Kultur und Wein

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Alexander Waechter und der Grundriss von Kafkas Wohnung © Barbara Pálffy

Alexander Waechter und der Grundriss von Kafkas Wohnung © Barbara Pálffy

DIE VERWANDLUNG Alexander Waechter wird zum Ungeziefer

Alexander Waechter als Ungeziefer © Barbara Pálffy

Alexander Waechter als Ungeziefer © Barbara Pálffy

Eine bedrückende Reise in die unergründliche Fantasie von Franz Kafka

Vor 10 Jahren wurde das Theater franzjosefkai21 mit dieser Kafka-Erzählung nach einem – wie es Alexander Waechter ausdrückt – Dornröschenschlaf wiedereröffnet. Inzwischen hat sich die für die geringe Größe der Bühne und des Zuschauerraums adaptierte und auf Kleinstbesetzung reduzierte Literatur als Erfolgsmodell erwiesen. Zumeist ist Alexander Waechter als Solist am Werk. Ihm genügen ein paar auf den Punkt gebrachte Requisiten, um eine Welt zu erschaffen, die einem stets begeisterten Publikum ein geliebtes Reiseziel darstellt. Sei es die dramatisierte Kurzform des Romans „Radetzkymarsch“, sogar Hitlers „Mein Kampf“ wurde kritisch betrachtet oder Thomas Bernhards Freundschaft mit Paul Wittgenstgein, um auf diese Weise zum Nachdenken anzuregen. Übertroffen werden sie nur von der nahezu unglaublichen Kochshow, in der in einer Stunde neben den Bonmots einer Tante Jolesch deren legendäre Krautfleckerln genussfertig zubereitet werden.

Mit der Wiederaufnahme von Kafkas „Die Verwandlung“ gibt Alexander Waechter all denen die Gelegenheit, die einst den Beginn verpasst haben, mit ihm in eine Welt voller Fragen einzutauchen, die der in Prag lebende Schriftsteller in seinen Werken der Menschheit zum Grübeln hinterlassen hat. Bis heute gibt es noch keine schlüssig befriedigende Erklärung dafür, was es zu bedeuten hat, wenn ein gewisser Gregor Samsa, von Beruf beflissener Handlungsreisender, eines Morgens aufwacht und feststellt, dass er „zu einem ungeheuren Ungeziefer verwandelt“ wurde. Viel wurde herumgerätselt und etliche Theorien wurden aufgestellt, am Ende bleibt aber doch nur das Grauen, auch schrecklichen Entwicklungen hilflos wie ein am Rücken liegender Käfer ausgesetzt zu sein. Weder das Wie noch das Warum werden beantwortet. Hingegen wird ausführlich über die Folgen berichtet, die einem zum Insekt mutierten Menschen widerfahren. Waechter spart nicht mit Effekten, beschränkt sich dabei jedoch auf Stimme und Gestik. Vater, Mutter, Schwester oder der Prokurist treten in deutlich getrennten Rollen auf, um das Familienmitglied zu drangsalieren.

Alexander Waechter vor der Wanddekoration zu Die Verwandlung © Barbara Pálffy

Alexander Waechter vor der Wanddekoration zu Die Verwandlung © Barbara Pálffy

Gregor wiederum zappelt hilflos mit seinen vielen Beinchen, leidet sichtlich unter einem in seinen Rücken geschossenen Apfel oder versucht sich mit lauten Schlägen seines Kopfes bemerkbar zu machen, bis die böhmakelnde Haushaltshilfe die erlösenden Worte spricht: „Sehen Sie nur mal an, es ist krepiert; da liegt es, ganz und gar krepiert! “

Die Bühne für Josef Schwejk

Die Bühne für Josef Schwejk

SCHWEJK Ein „braver“ Soldat und der Weltkrieg

Alexander Waechter als Josef Schwejk © Andreas Anker

Alexander Waechter als Josef Schwejk © Andreas Anker

Eine antimilitaristische Schelmenkomödie über einen tschechischen Nationalisten

„So an Krieg muss ma mögen müssen, sonst hat ma gar ka Freud dran“, lässt Jaroslav Hašek seinen Antihelden im Wirtshaus sinnieren. Das und dass er nach dem Attentat auf Erzherzog Franz Ferdinand einen Krieg vorhersagt, genügt bereits, ihn wegen Hochverrats durch die Mangel der in Prag tätigen österreichischen Polizei und Justiz zu drehen. Bald darauf braucht man jedoch diese „Verbrecher“ dringend als Kanonenfutter, da sich die Vorhersage schneller erfüllt hat, als die Spitzel der k. u. k. Bürokratie darauf reagieren konnten. Josef Schwejk ist Tscheche, einer von der gewitzten Sorte, der alle möglichen Tricks anwendet, um dem Gebot des alten Kaisers zum Einrücken nicht Folge leisten zu müssen. Von sadistischen Militärärzten wird er wie viele seiner Landsleute als Simulant entlarvt und „felddiensttauglich“ geschrieben. Er überlebt das Massaker und erzählt mit der Naivität eines hochintelligenten Idioten seine Abenteuer. Aufgeschrieben wurden sie unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg zwischen 1920-1923.

Links: Das Kaiserbild und der Rollstuhl

Links: Das Kaiserbild und der Rollstuhl

Teils kann man darüber lachen und teils ist man von dem hinter bitterbösen Pointen versteckten Ernst entsetzt. Alexander Waechter böhmakelt in seinem neuen Programm als „braver“ Soldat in einer harschen Art und Weise, die alle hierzulande gängigen Interpretationen vom witzigen, Bier trinkenden Nationalheiligen zu freundlichen Anekdoten degradiert (z. B. Heinz Rühmann, Fritz Muliar). Man spürt den Hass des Anarchisten Jaroslav Hašek auf die „Fremdherrschaft“ einer Monarchie, die mit ihren Völkern rüde oder besser grausam dumm umgegangen ist und sich nicht wundern durfte, dass sie 1918 in die Luft gesprengt wurde.

Dazu wurde eine erstaunlich üppige Ausstattung entworfen. Das von den Fliegen beschissene Kaiserbild und eine Erzherzogin umrahmen ein Kanapee, von dem aus Waechter seine Ausflüge ins Wirtshaus, mit einem Rollstuhl vor die Stellungskommission und mit einem seltsamen Flügelaltar zur Feldmesse an der Front unternimmt. Man sieht ihm die Verschlagenheit an, mit der er alle, vom Oberst angefangen über den Feldkuraten bis zum Oberleutnant, narrt, um am Ende wieder seinem ursprünglichen Geschäft mit dem Handel von Hunderln nachgehen zu können.

Rechts: Die Kanone

Rechts: Die Kanone

theater franzjosrfslai21

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