Kultur und Weindas beschauliche MagazinAusstellungsansicht GABRIELE MÜNTER © Leopold Museum, Wien, 2023 | Foto: Lisa Rastl GABRIELE MÜNTER Heraus aus dem Schatten Kandinskys!
Die Kunstgeschichte reduzierte sie zur Wegbegleiterin des Titanen der europäischen Avantgarde Wassily Kandinsky. Bei ihm hat Gabriele Münter tatsächlich die Aktklasse besucht, nachdem sie, als Frau von der staatlichen Kunstakademie ausgeschlossen, 1901 nach München gekommen war, um das vorhandene malerische Talent zu perfektionieren. Es kam mit dem verheirateten Kandinsky zu einer Liaison. Um einer damit verbundenen Rufschädigung an der Isar zu entgehen, unternahm das Paar ausgedehnte Reisen nach Holland, Tunesien, Dresden, Ligurien und schließlich nach Sèvres in Frankreich. Münter hatte stets eine Kamera bei sich und dokumentierte die Aufenthalte, wie beispielsweise in Nordafrika 180 Fotografien entstanden. Daneben schuf die junge Künstlerin Porträts von Kandinsky als Farblinolschnitte und pastose, kleinteilig gespachtelte Freiluftmalerei. Als eine erste Abnabelung vom Meister erscheint eine alleinige Ausstellungsbeteiligung in Paris.
Im Sommer 1917 wurde die 1877 in Berlin geborene Gabriele Münter von Kandinsky verlassen, eine Trennung, die persönliche Verbitterung zur Folge hatte. Inzwischen war sie jedoch bestens vernetzt, unter anderem in der Gruppe „Der Blaue Reiter“ mit Franz Marc.
In der Ausstellung „Gabiele Münter. Retrospektive“ (bis 18. Februar 2024), kuratiert von Ivan Ristić, hängt an den Wänden nun der Beweis ihres beachtlichen Könnens im Bereich von Zeichnung, Malerei, Fotografie und mehr. Mehr als 130 Exponate begleiten den Rundgang durch ein ungemein spannend verlaufenes Frauenleben, das von Kindheit auf die bildnerische Kunst hin ausgerichtet war und sich durch persönliche Enttäuschungen und der zähen Ignoranz des Kunstbetriebes nicht von ihrem Weg abbringen ließ. So kann Hans-Peter Wipplinger, Direktor des Leopold Museums, anlässlich der ersten österreichischen Retrospektive mit Fug und Recht behaupten: „Heute genießt Gabriele Münter des Status einer Säulenheiligen der deutschen Avantgarde und der internationalen Moderne.“ Ausstellungsansicht MAX OPPENHEIMER © Leopold Museum, Wien, 2023 | Foto: Lisa Rastl MAX OPPENHEIMER Der expressionistische Blick in die Seele
Den Anfang machen die frühen Porträts von Protagonisten des Kultur- und Geisteslebens Anfang des 20. Jahrhunderts. Adolf Loos, Sigmund Freud oder Arnold Schönberg sind dem jungen Maler Max Oppenheimer (1885-1954) im Jahr 1909 Modell gesessen und haben sich damit seinem tiefen Blick in ihr innerstes Wesen ausgesetzt. Die Bilder lassen jedoch nur erahnen, wohin die Entwicklung dieses Künstlers führen wird. Oppenheimer ist ein Pionier des Expressionismus österreichischer Prägung, ein Revolutionär der Darstellung, der ohne Kompromisse seine eigene Handschrift entwickelte. Er war darin nicht allein. Eine kurzzeitige künstlerische Partnerschaft verband Oppenheimer (kurz MOPP) mit Oskar Kokoschka (OK). Sie ging jedoch bald in Brüche, da sich die beiden kantigen Persönlichkeiten aus – so scheint es heute – lächerlichen Gründen zerstritten. Egon Schiele, ein paar jünger Jahre als Oppenheimer, folgte dem Älteren bereits 1910 in seinem Aufbruch zur neuen Ausdrucksweise, die sich mit den damals modernsten Kunstströmungen wie Kubismus und Futurismus intensiv auseinandersetzte.
In der Ausstellung „MAX OPPENHEIMER, Expressionist der ersten Stunde“ (bis 25. Februar 2024) werden Arbeiten von dessen Weggefährten seinen Werken gegenübergestellt. So malte Schiele den Freund MOPP und ließ ihn dabei eine ähnlich verkrampfte Haltung einnehmen wie auf seinen Selbstbildnissen (Der Maler Max Oppenheimer, 1910, Sitzender Männerakt, 1910). Umgekehrt waren es die markanten Hände, die Oppenheimer in einem Selbstporträt aus 1911 von Schiele übernommen hat. Der aus einem jüdischen Elternhaus stammende Maler (*1885) hatte keine Berührungsängste zu Themen aus dem christlichen, neutestamentarischen Kanon.
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