Kultur und Wein

das beschauliche Magazin


TÖDLICH IM ABGANG Mörderjagd in Südtirols Weinkellern

Ein Spezialist für kulinarische Morde hat wieder erfolgreich zugeschlagen

Michael Böckler dürfte mit dem von ihm geschaffenen Privatdetektiv Emilio Baron von Ritzfeld-Hechenstein einiges gemeinsam haben. Sieht man die Bibliographie von Böckler durch, so geht es stets um Fälle, die mit feinem Essen und Trinken zu tun haben. Sein Alter Ego beschränkt seine Tätigkeit zwar auf die Gegend um Etsch und Eisack, recherchiert aber genauso am liebsten in Kosträumen von Kellereien, in intimen Sektbars oder versteckten Spitzenrestaurants entlang der Weinstraße. Offenbar lässt es sich bei einem Glas, wohl gefüllt mit der Kreszenz eines Spitzengewächses, am ehesten kreativ werden. In seinem nunmehr vierten Roman aus der himmlischen Region Alto Adige, dem europäischen Schmelztiegel aus Deutsch und Italienisch, lässt Böckler seinen Emilio aber ordentlich ins Dilemma kommen.

Tödlich im Abgang Cover 900

Immerhin kann der beste Wein „Tödlich im Abgang“ (2020 erschienen im Verlag Rowohlt) sein und darüber hinaus den auf vielen Gebieten umtriebigen Ermittler in eine persönliche Bredouille geraten lassen. Dass er den anfangs hoffnungslosen Fall einer etliche Jahre alten Mumie in einem Bunker aufklärt, darf der Leser an sich annehmen. Viel spannender ist die Frage, wie der Baron aus dem Problem, in das er sich „hinein geschnackselt“ hat, wie man in Südtirol zu sagen pflegt, mit Anstand aussteigt. Zum Täter nur so viel: Wie in allen bisherigen Fällen hat man auch als aufmerksamer Leser bis zu dessen endgültiger Überführung nicht mit ihm gerechnet.

 

Der jüngste Krimi von Michael Böckler bedeutet wie alle seiner Vorgänger pures Lesevergnügen. Der Text rutscht einem hinunter wie die Marende zum Vernatsch, der rund um den Kalterer See seine besten zwischen rot und weiß angesiedelten Ergebnisse zeitigt. Gleich zu Beginn lernt man die bewährte Besetzung kennen. Die entscheidenden Rollen spielen neben Emilio wieder seine langjährige Freundin, die Winzerin Phina Perchtinger, der kriminalistisch eher dürftig beschlagene Commissario Sandrini, dessen offenherzige Vorzimmerdame Mariella, die sich jedoch mit Maronenplätzchen für Emilio zu fett genascht hat, der Gehstock mit Familienwappen im Silberknauf und eingebautem Degen und nicht zuletzt der geliebte Landy, ein uralter Landrover. Gesprochen werden drei Sprachen: in der Hauptsache Deutsch, ein paar Sätze Italienisch und eingestreut würzige Kostproben des bäuerlichen Dialekts, wie er sich in den Rieden dieser Region bis heute unverfälscht bewahrt hat. Gleichzeitig ist dieser Kriminalroman ein praktischer Reiseführer, der Genießern die besten Adressen fürs Essen und Trinken verrät. Sollte man sie im Eifer der Tätersuche überlesen haben, kein Problem, ein ausführlicher Anhang enthält alles Wissenswerte über Traubensorten, Weingüter und Fresstempel, die einen Besuch des Tatortes zur angenehmen Pflicht machen.

ALTENTEIL Ein Kiffer als Amateurkieberer

Altenteil Cover 900

Mordserie ausgerechnet in einem Haus zum Leben

Für zart besaitete Seelchen ist dieses Buch ja wirklich nicht geschrieben. Aber wer Krimis liest, von dem darf angenommen werden, dass er auch den schrägen bis morbiden Humor eines Rainer Nikowitz goutiert. Man braucht wirklich nur ein paar Zeilen hineinzulesen und ist von der sprühend pointierten Sprache des an sich beim „profil“ werkenden Autors angetan. Dass der Schauplatz seiner Morde ein Haus zum Leben ist, also ein Wiener Pensionistenheim, mag Geriatriephobe im ersten Moment abstoßen. Wer will schon mit dem Alter konfrontiert sein. Am wenigsten der, der ohnehin schon alt ist. Aber auch im letzten Lebensabschnitt kann es sich ordentlich abspielen. Sex & Crime gibt es auch jenseits der vom Jugendwahn geprägten Gesellschaft. Damit sind alle verdächtig, als der Vilimsky, ein sexuell noch sehr umtriebiger Senior, in einer auf Kochgang eingeschalteten Waschmaschine herumgewirbelt wird.

Entdeckt wird er von Suchanek, einem Kiffer, der seine Diversion im Altersheim abdienen muss. Was diesen Burschen wiederum nächtens dort hinab geführt hat, ist eine andere Geschichte. Aber irgendwie reimt sich am Ende alles zusammen, wenn es zum Showdown mit dem Täter kommt.

 

Erschienen ist „Altenteil“ bei Rowohlt POLARIS und ist bereits der dritte Fall, in dem Suchanek ermittelt. Erstaunlicherweise wohnt diesem an sich labilen Typen, der seine Zeit am liebsten mit dem Rauchen von Gras verbringt, das Bedürfnis inne, auf Mörderjagd zu gehen – wenn auch nicht immer freiwillig. Aber dank Rainer Nikowitz verliert sein Suchanek auch in den aussichtslosesten Situationen nicht seinen Schmäh. Der Autor selbst hat sich die Frage gestellt, ob man sich über alte Menschen lustig machen darf, und stellt sich gleich die Gegenfrage: „Warum nicht?“ Erstens macht sich niemand lustig, wenn er mit Augenzwinkern die Schrullen einer Ansammlung von Greisen und Greisinnen beschreibt, zweitens wäre es, so Nikowitz, eine Diskriminierung dieses Teils der Gesellschaft, wenn man ihn einfach übersehen, besser gesagt, aus dem Bewusstsein verdrängen würde. So darf er zum Beispiel drei gehbehinderte Herren in ihren Rollstühlen launig als Speed-Junkies bezeichnen. Der eine ist Jack Brabham, der zweite Graham Hill und der dritte Juan Manuel Fangio. Sie wollen von Suchanek in höchstmöglichem Tempo durch den Garten geschoben werden und geraten dabei ordentlich ins Kabeln, wer denn aus der Poleposition starten dürfte. Sie streiten so lange, bis einer davon ausscheidet – durch ein unnatürliches Ableben.

Dass es bei derart gewaltgetränkten Angelegenheiten auch einen offiziellen Ermittler, also einen Polizeikommissar gibt, ist Nebensache. Die Hauptarbeit an der Aufklärung der Mordserie im Haus zum Leben erledigt Suchanek, der kiffende Amateurkieberer, der eigentlich alles andere will, als sein Lebtag lang Polizist zu spielen. Viel lieber säße er unbeachtet von Polizei und Gerichten bei einem Joint, aber davor wird ihn wohl Rainer Nikowitz nach dem durchschlagenden Erfolg seiner Bücher noch etliche Male bewahren.

Rainer Nikowitz bei einer Lesung in der Sargfabrik am 22.01.2018
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