Kultur und Weindas beschauliche MagazinWandgraphik zur Ausstellung Reiternomaden in Europa © Martin Stark REITERNOMADEN Nur wilde Horden mit Pferd und Bogen?
Eine Ausstellung, die sich vorgenommen hat, die weitläufigen Gewölbe einer Schallaburg mit spannenden Inhalten zu füllen, braucht grundsätzlich immens viele Objekte. Genau an diesen mangelt es aber, wenn sich das Thema um Menschen dreht, die uns außer zeitgenössischen Berichten nur wenig an Anschauungsmaterial hinterlassen haben. „Reiternomaden in Europa“ (bis 6. 11. 2022) schafft es trotzdem, diese einst als Schrecken der Zivilisation aus den Weiten der asiatischen Steppen heransprengenden Invasoren den Besuchern auf eine anregende Weise nahezubringen. Freilich ist dazu eine großzügige Grafik gefragt, die an den Wänden den Blick anzieht und eine Vorstellung davon vermittelt, wer und was die Hunnen, die Awaren, die Bulgaren und die Magyaren wirklich waren. Der Schwerpunkt liegt auf diesen vier Völkern, soweit man die keineswegs immer einheitlichen Gruppen überhaupt so bezeichnen kann. 15 Themenbereiche machen deutlich, wie unterschiedlich die Anpassung an neue Lebensumstände vor sich ging, wie es möglich war, sich über Sprachgrenzen hinweg zu verständigen und was sich davon noch bis in die Gegenwart erhalten hat. Die Zeit ihres großen und von allgemeinem Schrecken begleiteten Auftritts war die ausgehende Völkerwanderung und das Frühmittelalter. Das Oströmische Reich existierte damals noch einige Jahrhunderte, das Imperium Romanum im Westen war jedoch bereits untergegangen. Geblieben war dennoch die Anziehungskraft einer Gegend, die trotz neuer, ständig wechselnder Bevölkerung Lebensumstände bot, die den an karges Grasland gewohnten Nomaden wie ein Paradies erschienen sein muss. Schauplatz war der Donauraum, der damals zum guten Teil von Slawen bewohnt war. Er ist Teil des eurasischen Beckens, das sich von Zentralasien bis zum Leithagebirge erstreckt. Schläfenschmuckpaar © Römisch-Germanisches Museum der Stadt Köln, Foto: Anja Wegner Die Awaren sind als solche wieder in das Dunkel der Geschichte abgetaucht. Erstmals waren sie im Winter 557/58 in Konstantinopel als den Römern unbekannte Barbaren erschienen. Beschrieben wurde ihre Haartracht als lang, schmutzig und in Zöpfen geflochten. Funde in den Gräbern Mitteleuropas bestätigten derlei zeitgenössische Berichte. Mit den Awarenhöhlen, eigentlich Erdställen, als Fluchtorte wurde im Volksmund ihre Gefährlichkeit übermittelt. Aber außer den Relikten, die sie ihren Toten mitgegeben haben, ist kaum etwas von ihnen geblieben. Ihr Ende soll, so die fränkische Geschichtsschreibung, Karl der Große mit der Vernichtung des legendären Awarenrings eingeleitet haben. Von den Hunnen hat sich ein Name bis heute erhalten. Attila, oder wie im Nibelungenlied genannt, Etzel muss die Verkörperung der Geißel Gottes gewesen sein. Auf kleinen Pferden und ausgerüstet mit Reflexbögen, einer für damalige Verhältnisse Hightech-Waffe, fielen sie brandschatzend und mordend über das Land her, und waren doch so geschickt, dem Byzantinischen Kaiser ein Vermögen an Gold als Tribut abzupressen. Deswegen wurde von den Chronisten auch genüsslich berichtet, dass Attila einen schmachvollen Tod gefunden hat. In der mit einem Mädchen geplanten Hochzeitsnacht sei der Hunnenkönig so besoffen gewesen, dass er an seinem eigenen Erbrochenen erstickt ist.
So wird im 5. Jahrhundert über die Kutriguren berichtet, die 480 im Dienst des byzantinischen Kaisers gegen die Goten kämpften. Ursprünglich bezeichneten sich viele Stammesverbände der Steppennomaden als „Bulgaren“, mit ihren Angriffen und Reichsgründungen kristallisierten sich bald bestimmte Völkerschaften heraus. Es gab das Großbulgarische, das Donaubulgarische und das Reich der Wolgabulgaren. Sie herrschten, grob gesagt, in der Region des heutigen Staatsgebietes und, was ungewöhnlich erscheinen mag, sie assimilierten sich mit den unterworfenen Slawen, von denen sie sogar die Sprache angenommen haben. Sie alle haben den Toten Schätze mitgegeben und mit diesen Riten ein Andenken geschaffen, das uns heute noch staunen lässt und vor allem Aufschluss über ihre Lebensweise und Kultur gibt. So kann in der Ausstellung faszinierend viel Gold gezeigt werden; Münzen, Gefäße und Kleiderspangen glänzen mit den wenigen Waffen und Haushaltsgeräten um die Wette und gewinnen haushoch die Aufmerksamkeit der Besucher. Mit Hörstationen, Infotafeln und der erwähnten graphischen Begleitung werden die Gedanken hinter der Gestaltung vermittelt und ein ausführlicher Katalog lässt wie jedes Jahr eine beschauliche Nachbetrachtung im heimischen Wohnzimmer zu. Statistik |