PIERRE BONNARD Rätselhaft aufregende Farben des Lichts
Ein Postimpressionist zu Gast in Österreich
Es sind auf den ersten Blick freundliche Bilder. Sie leuchten, man kann sogar sagen, fröhlich und sie locken den Blick mit einer sanften Harmonie. Ihr Schöpfer, der Franzose Pierre Bonnard (1867-1947), wurde daher immer wieder als vermeintlich harmloser Chronist eines großbürgerlichen Alltags und als Maler des Glücks verunglimpft. Wenn man aber genauer hinschaut, dann wird man seinen Ausspruch „Wer singt, ist nicht immer glücklich“ allmählich begreifen. Hinter den scheinbar leicht hingeworfenen Strichen verbirgt sich Nachdenklichkeit und eine klare Differenzierung zwischen eigenem und dem Befinden anderer. Bonnard selbst hat es auf den Punkt gebracht: „Das Auge des Malers gibt die Dinge so wieder, wie sie das menschliche Auge sieht. Und diese Sicht ist mobil. Und diese Sicht ist variabel.“ Dafür spricht auch, dass er seine ersten Erfolge im Kreis der Nabis gefeiert hat, einer rebellischen Gruppe von Kunststudenten der Académie Julian. Aufgewachsen in einem bürgerlichen Vorort von Paris, hatte er dort die japanischen Farbholzschnitte kennengelernt.
In seinen ersten Werken stellte er sie den Gewohnheiten des sogenannten westlichen Sehens gegenüber. Diese Hinwendung brachte ihm die Bezeichnung „Le Nabis très Japonard“ ein, ein keineswegs ehrenrühriger Spitzname, den Bonnard gewiss überzeugt als eine Art Markenzeichen seiner Kunst getragen hat.
Ein weiterer tiefer Eindruck in seine Malweise war die überwältigende Erfahrung des Lichts im Süden. Bei einem längeren Aufenthalt 1909 in St. Tropez erlebte er die faszinierend lichtdurchtränkten, leuchtend-changierenden Farben des Mittelmeeres und der anschließenden Landschaften. Bonnard kam zur Überzeugung, dass er nur hier arbeiten könne. 1920 ließ er sich dort nieder und setzte die auf ihn einstürmenden Eindrücke in seinen Gemälden um.
Der Titel „Pierre Bonnard. Die Farbe der Erinnerung“ (bis 12. Jänner 2020) spielt darauf an. Bonnard wollte oder konnte nicht im Freien arbeiten. Zu rasch änderten sich die Stimmungen. Also machte sich einfach entsprechende Notizen und fertige die Bilder im Atelier danach aus. Auf diese Weise war er in der Lage, ganze Kompositionen zu entwickeln. Wie ein Musiker modellierte er mit den Tönen Farbakkorde und –dissonanzen, aus denen das facettenreiche Zusammenspiel warmer und kühler Töne erklingt. Er arbeitete langsam. Das Motiv war ohnehin in seiner Erinnerung präsent. Nun wurde es in eine neue malerische Realität auf der Leinwand umgesetzt. Man könnte dieses Vorgehen unter dem Begriff „Poesie des Alltäglichen“ zusammenfassen, denn immer wieder erscheinen auf den Bildern seine Frau Marthe de Méligny, das Stillleben, Haus und Landschaft.
Räumliche Unstimmigkeiten, eine „verwischte“ Personenführung und „gekappte“ Figuren scheinen Fehler zu sein, die sich jedoch bei genauer Betrachtung als Spiel der gegen- und miteinander gesetzten Farbwerte erweisen. Diese rätselhaften Visualisierungen memorierter Wahrnehmung in Grenzgängen zwischen Fläche und Raum, Farbe und Dinglichkeit machen schließlich das eigentliche Erlebnis dieser Ausstellung aus, die von Evelyn Benesch für das Bank Austria Kunstforum Wien einfühlsam kuratiert wurde.