Kultur und Wein

das beschauliche Magazin


Wien, Wien, nur du allein, Ausstellungsansicht © Heidi Horten Collection

Wien, Wien, nur du allein, Ausstellungsansicht © Heidi Horten Collection

WIEN, WIEN, NUR DU ALLEIN Veduten-Kunst von damals bis heute

Wien, Wien, nur du allein, Ausstellungsansicht © Heidi Horten Collection

Wien, Wien, nur du allein, Ausstellungsansicht © Heidi Horten Collection

Wigand – Alt – Oláh, drei Zugänge zu den selben Motiven

Um 1820 erfreute sich Aquarellist Balthasar Wigand (1770-1846) einer regen Auftragslage. Sein Metier waren Miniaturen, die u. a. in äußerster Akkuratesse seine Heimatstadt abbildeten. Damit entstand eine umfangreiche Dokumentation der architektonischen Entwicklung Wiens. Die teils nur wenige Quadratzentimeter großen Bilder waren bestens für den dekorativen Einbau in Alltagsgegenstände geeignet. Da das Geld zum Aufbau einer Werkstatt vorhanden war, erledigte Wigand auch diese Arbeiten und hinterließ ein stattliches Œuvre an Schatullen, Briefbeschwerern und Ringhaltern bis zu Wanduhren und Lampenschirmen, die allesamt die Kaiserstadt und deren nächste Umgebung in reicher Perlmutt-Garnitur zeigen. Aufgrund allseitiger Wertschätzung haben die meisten dieser Kostbarkeiten die Zeiten überdauert, von denen wiederum etliche Prachtstücke von der rührigen Kunstmäzenin Heidi Horten erworben wurden.

Balthasar Wigand, Nähnecessaire, Ansicht Karlskirche, ca. 1825

Balthasar Wigand, Nähnecessaire, Ansicht Karlskirche, ca. 1825

Balthasar Wigand, Nähnecessaire, diverse Wien-Ansichten, ca. 1825

Balthasar Wigand, Nähnecessaire, diverse Wien-Ansichten, ca. 1825

Die Veduten von Rudolf von Alt (1812-1905) bedienen vielfach die gleiche Thematik. Auch sie wurden dem Maler aus der Hand gerissen. Der Wiener liebt seine Stadt, zumal auf den Bildern nur die schönsten Platzerln gezeigt werden. Erst bei genauem Hinsehen auf die Gemälde und vor allem auf deren Entstehungszeit ist die Entwicklung des Künstlers vom Biedermeier zur frühen Moderne mit einem deutlichen impressionistischen Einfluss erkennbar. Sein wohl bekanntestes Motiv ist der Stephansdom, den Alt wieder und wieder die Ehre erwiesen hat. Mindestens eine Version (aus 1897) davon befindet sich in der Heidi Horten Collection. Sie konzentriert sich auf den Südturm und zeigt zwischen Kirche und Curhaus lebendiges Treiben zahlreicher Staffage.

Rudolf von Alt, Schönbrunn Gloriette, ca. 1870

Rudolf von Alt, Schönbrunn Gloriette, ca. 1870

Im Erdgeschoss-Kabinett werden nun unter dem schwärmerischen Motto „Wien, Wien, nur du allein“ prächtige Kassetten mit Werken von Wigand und Aquarelle von Alt nicht nur stolz präsentiert, sondern lassen sich in Form einer Intervention des Fotografen Stefan Oláh durch das Objektiv seiner Kamera betrachten. Die Abzüge sind im Gegensatz zu ihren Vorbildern großformatig und erlauben einen aufschlussreichen Blick auf die Veränderungen in den vergangenen 200 Jahren. Wichtig waren dem Fotografen nicht nur Wolkenstimmung und Lichtverhältnisse, sondern auch der Standort des Künstlers, den er im Fall des Stephansturms von einem erhöht liegenden Geschäft aus anhand einer historischen Fotografie von gegenüber eindeutig verorten konnte. Bis 15. Oktober 2025 gibt es die reizvolle Gelegenheit, von der Spinnerin am Kreuz aus der unterschiedlichen Sicht auf die Stadt von Wigand und Oláh zu folgen, mit Erstaunen festzustellen, wie wenig sich der Neue Markt seit 1847 bis heute verändert hat oder eine erquickliche Landpartie zur Franzensburg in Laxenburg (Wigand ca. 1825, Oláh 2024) und einer Gastwirtschaft in den Bergen von Gastein (Rudolf von Alt 1893, Stefan Oláh 2024) zu unternehmen.

Experiment Expressionismus. Schiele meets Nosferatu, Ausstellungsansicht

Experiment Expressionismus. Schiele meets Nosferatu, Ausstellungsansicht

EXPERIMENT EXPRESSIONISMUS Rendezvous von Schiele und Nosferatu

Egon Schiele, Selbstbildnis mit Pfauenweste, 1911 © Ernst Ploil, Wien

Egon Schiele, Selbstbildnis mit Pfauenweste, 1911 © Ernst Ploil, Wien

Als es um den extremen Ausdruck ging, sowohl in der Kunst wie auch im Stummfilm

Es war ein heftiger Ausbruch der Kunst aus akademischen Zwängen, als am Beginn des 20. Jahrhunderts in Deutschland und wenig später auch in Österreich die Gesellschaft mit einer revolutionär neuen Bildsprache schockiert wurde. Der Expressionismus war geboren. Freiheit, Ekstase, Angst, Zweifel und Leid wurden ins Bild gerückt und auf eine radikal aufrüttelnde Weise in Gemälden und Skulpturen umgesetzt. Zur gleichen Zeit hatten die Bilder das Laufen gelernt. Der noch sehr junge Film zog die Massen in die wie Schwammerln aus dem Boden schießenden Lichtspielpaläste. Zu hören war bei diesen Vorführungen allerdings nur live vom Piano zugespielte Musik.

Die Stars des Stummfilms waren auf ihre Gestik und Mimik angewiesen, um zwischen kurzen Texteinblendungen große Emotionen auf das Publikum zu übertragen. Es war eine Art Expressionismus des Kinos, der sich in vielen Details mit dem damals neuen Ausdruck der bildenden Kunst vergleichen lässt.

Max Pechstein, Gelbe Maske II, 1910

o.: Max Pechstein, Gelbe Maske II, 1910

r.: Anonym, Alexander Granach als Häusermakler Knock in "Nosferatu", 1922 © Kantonsbibliothek Appenzell Ausserrhoden, CMO, Trogen (CH)

Anonym, Alexander Granach als Häusermakler Knock in "Nosferatu", 1922 © Kantonsbibliothek Appenzell

Zu erfahren sind diese Parallelen bis 31. August 2025 in der HEIDIHORTENCOLLECTION in der Ausstellung „Experiment Expressionismus. Schiele meets Nosferatu“. Man fragt sich, warum man nicht schon früher draufgekommen ist, die Kunst dieser Tage gemeinsam mit dem Stummfilm von diesem Aspekt her zu betrachten. Abgesehen von der ORF-Produktion „Kunst-Stücke“ mit Dieter Moor Ende der 1980er-Jahre gab es wenig Aufmerksamkeit für die auf Zelluloid gebannten höchst kunstvollen „Schwarzweiß-Malereien“ mit zeichnerisch stilisiertem Hintergrund und genial unheimlichem Schattenspiel bis zu den extrem geschminkten Gesichtern teils gruseliger Gestalten. Dank Agnes Husslein-Arco, Rolf H. Johannsen und Roland Fischer-Briand wurden Werke des deutschen und österreichischen Expressionismus von Herbert Böckl, Richard Gerstl, Oskar Kokoschka, Helene Funke oder Max Pechstein mit Filmen wie „Das Cabinett des Dr. Caligari“ und „Nosferatu – Eine Symphonie des Grauens“ nun zu einem Genre übergreifenden Erlebnis vereint.

Experiment Expressionismus. Schiele meets Nosferatu, Ausstellungsansicht

Experiment Expressionismus. Schiele meets Nosferatu, Ausstellungsansicht

Empfangen wird man von Egon Schieles Selbstbildnis mit Pfauenweste (1911). Der Künstler hat sich nicht gerade bescheiden einen Heiligenschein verpasst. Wesentlicher sind aber seine Hände mit gespreizten Zeige- und Mittelfinger. Was will uns Schiele damit sagen? Besonders signifikant ist der Gestus bei Lilian Gaertner auf dem Porträt von Lilly Steiner aus 1927 oder bei Terzetta von Robert Kloos (1922) ausgeprägt. Hände können damit Fragen stellen, innere Zustände nach außen kehren und wie im Stummfilm ungemein beredt die Handlung erzählen. Und nicht nur das! Max Oppenheimer beweist in seinen Bildern von musizierenden Quartetten, dass man die gemalte Musik durchaus auch hören kann. Es genügt, den dem Blick verborgenen Musikern auf die Finger zu schauen, deren Stellung auf den Saiten von Violinen, Bratsche und Cello zu beobachten und die Notenblätter dabei zu lesen zu versuchen. Diese Malerei bewegt sich nahe am Film, der bis zur Erfindung von Tonspur und Farbe in seinen technischen Möglichkeiten zwar beschränkt war, dieses Manko bekanntlich aber durch gewaltigen Ausdruck mehr als wettgemacht hat. 

Schließlich waren wie in der Malerei österreichische und deutsche Genies am Werk, so Fritz Lang mit Metropolis oder Friedrich Wilhelm Murnau, dessen Nosferatu eine ganze Generation in der Dunkelheit des Kinos das Fürchten gelehrt hat.

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