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Das Touriseum in Schloss Trauttmansdorff bei Meran:

Ein Museum für den Fremdenverkehr

Inmitten von Palmen, Orangen- und Zitronenbäumchen, spitzen Zypressen und üppig blühenden Tulpenbeeten erhebt sich Schloss Trauttmansdorff, eines der acht neuen Landesmuseen.

„Wir begeben uns hier im Touriseum auf eine Zeitreise durch die Geschichte des Reisens“, stellt Dr. Thomas Ohnewein, stellvertretender Direktor, an den Beginn des Rundgangs durch sein Museum, „denn der Tourismus beeinflusst in Südtirol die gesamte Gesellschaft, viel mehr als in anderen Regionen Europas.“ An diesem strahlenden Frühlingsmorgen Ende April glaubt man ihm aufs Wort. In dichten Scharen strömen Besucher über die Brücke vom Eingangsbereich herüber ins Schloss Trauttmansdorff bei Meran. Hauptziel der meisten Besucher ist gewiss der Garten, von dem nur in Superlativen gesprochen wird, als schönster Garten Italiens und Südtirols beliebtestem Ausflugsziel, in dem die ganze Welt blüht und gedeiht.

Inmitten von Palmen, Orangen- und Zitronenbäumchen, spitzen Zypressen und üppig blühenden Tulpenbeeten erhebt sich das Schloss, das eines der acht neuen Landesmuseen beherbergt. Vorbei an himmlischen Düften und Höllengestank, einer Sonderschau, steigt man hinauf ins Touriseum mit der Dauerausstellung über 250 Jahre Tourismus in Südtirol. Stöße von blauen Koffern, Touristen und Bedienstete, die zu lebensgroßen Puppen erstarrt sind, und die Patronin des Hauses, Kaiserin Sissy, bereiten den Gast auf ein ungewöhnliches Museumserlebnis vor.

 

l.o.: Schloss Trauttmansdorff

l.: Aron Demetz, Wirt und Wirtin © Ohnewein  

r.: Kaiserin Sissy empfängt die Besucher

„Wir animieren die Besucher, alles zu berühren und überall hinein zu schauen, eigentlich das Gegenteil eines klassischen Museums“, sagt Ohnewein und kann sich ein feines Lächeln nicht verkneifen, als es beim Öffnen einer kleinen Tür neben der Vitrine ordentlich kracht und der neugierige Besucher erschrickt. „Mit dem Erlebnis landet man im Inhalt und beschäftigt sich damit.“

Eingebettet ist das Thema Tourismus zwischen der abrupten Flucht aus dem Alltag zu Beginn des Urlaubs und dem Nachklang, wenn man aus den Ferien wieder in seine gewohnte Umgebung zurückgekehrt ist. Dazwischen wird mit kritischem Blick dem steten Anwachsen des Fremdenverkehrs in Südtirol nachgegangen.

 

 

 

Bildtexte:

li.: Blasmusik im Touriseum © Ohnewein

m.: Borgomandl-Küchenbrigade © Touriseum

r.: Aussicht von Schloss Trauttmansdorff

Das Modell einer Poststation aus dem 18. Jahrhundert war schon eine Art Autobahnraststätte, meint Dr. Ohnewein, aber der eigentliche Gästeboom setzte erst mit der Eisenbahn ein. „Vorher hatte man die unwegsame Gegend eher gemieden. Die Bahn verkürzte eine Fahrt von Innsbruck nach Bozen von 24 Stunden mit der Postkutsche immerhin auf dreieinhalb Stunden.“ Ganz so wie damals begrüßt fröhliche Blasmusik den Ankommenden, allerdings nur ein paar Takte lang, damit man auch den Pfarrer bemerkt, der sich schützend vor ein Kind stellt. Ohnewein: „Der Klerus hat den einsetzenden Tourismus verteufelt, den Verfall der Sitten beklagt, während die arme Bevölkerung versucht hat, den Fremdenverkehr sesshaft zu machen, weil er ein wenig Wohlstand gebracht hat. Tirol war damals ein bitter armes Land.“

 

Mit den Besuchen von Kaiserin Sissy auf Schloss Trauttmansdorff wurde es in herrschaftlichen Kreisen Europas fast zum Muss, seine Mußezeit in Tirol zu verbringen. Elegante Hotels verwöhnten den Gast mit elektrischem Licht, dem künstlichen Alpenglühen, wie man damals begeistert diese technische Errungenschaft begrüßte, und vor allem mit unzähligen Bediensteten. Dr. Ohnewein zeigt auf ein kleines Heer aus Kellnern, Köchen, Zimmermädchen und Gepäckträgern, das nach originalen Personallisten modelliert wurde, „was heute aus Kostengründen nicht mehr möglich wäre. Aber der Tourismus bietet nach wie vor den meisten Menschen Beschäftigung, weil alles, auch Gewerbe und Handwerk, davon abhängt.“

 

Dieser Bezug zur Gegenwart wird bei jeder Station hergestellt und es wird gezeigt, wie eng die Vergangenheit mit dem Heute verflochten ist; egal ob es sich um die Zwischenkriegszeit handelt, in der die Italiener ihren Landgewinn entdeckten, oder um die Sprengstoffanschläge nach dem Zweiten Weltkrieg, die zu einer deutschen Mehrheit auf den Gästelisten führten. Es geht um die Entwicklung der typischen Tiroler Stube, die auch im modernsten Wellnesstempel vom Gast erwartet wird, oder um die volkstümliche Musik, die via Musikantenstadel der Welt ein heiles Südtirol vorjodelt. Was die Protagonisten dieser Branche, also die Gastgeber und die Gäste, tatsächlich davon halten, zeigt zuletzt ein Film, in dem offen über persönliche Erfahrungen geredet wird.

 

Bildtexte rechte Spalte:

l.o.: Blumenteppich im Japanischen Garten

r.o.: Objektkunst im Giftgarten

l.u.: Terrassen im Schlossgarten

r.u.: Orange und Orangenblüte

o.: Tulpenbeet im Schlossgarten

u.: Blaue Koffer im Touriseum

Im Anschluss wird der Besucher in eine kleine Sonderaustellung gebeten, die dem stellvertretenden Direktor besonders am Herzen liegt. Es geht um Speisekarten im Wandel der Zeit. „Zirka 700 haben wir in unserer Sammlung und nach 14 Themenbereichen sortiert“, Dr. Ohnewein verweist auf besonders schöne Exemplare aus der Jahrhundertwende, „wo jeden Tag neue Menükarten sehr kunstvoll erzeugt worden sind. Von dieser Kultur ist nicht mehr viel übrig geblieben.“ Es klingt Bedauern in seiner Stimme, wenn er auf die unglaublich große Auswahl an Mineralwasser zu sprechen kommt, die damals in den großen Häusern angeboten wurde: „Die Wasserkultur war hochstehend. Nach der Belle Epoque hat sich das alles aufgehört.“ Verschwunden ist auch das internationale Weinsortiment von den Karten. Auf alten Exemplaren findet sich neben Bordeaux und Moselwein sogar der Gumpoldskirchner. Diesbezüglich darf man von einem Südtiroler, der übrigens selber aus einem Winzerhaus stammt, natürlich kein Mitgefühl erwarten. Sehr wohl folgen kann man aber seiner Meinung zur eminenten kulturhistorischen Bedeutung der Speiskarte als Spiegel der Gesellschaft, der ihr sowohl hier als auch im Touriseum selbst auf vergnügliche Weise vorgehalten wird.

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