Kultur und Wein

das beschauliche Magazin


Ausstellungsansicht La Gacilly-Baden 2021 © Luisa Dörr

VIVA LATINA Photo-Erzählungen aus Lateinamerika

Hopelchen Campeche © Nadia Shira Cohen

Das Festival La Gacilly-Baden Photo 2021 als Herzensangelegenheit seines Gründers

Lois Lammerhuber ist begeisterter Badener, als Fotograf jedoch Weltbürger. Dennoch hat er ein zweites Zuhause neben der Kulturstadt südlich von Wien. Das sind die Twin-Cities Buenos Aires und Montevideo. Seit seiner Reise über die Panamericana 1978 und den ersten Kilometern auf Südamerikanischem Boden fühlte er sich dort heimisch und ist dabei, wie er im Katalog zum heurigen La Gacilly-Baden zugibt, zum Fotografen gereift. Für GEO war er für einige Jahre der „Mann für Lateinamerika“, der mit seiner Kamera die Menschen im Spannungsfeld zwischen westlich-christlich geprägter Lebensart und dem Schamanismus uralter Kulturen den Lesern in seinen Fotografien nahebrachte. Obgleich Lois Lammerhuber als Direktor des Festivals zeichnet, ist er mit eigenen Arbeiten vertreten. Das Motto VIVA LATINA gab ihm die Möglichkeit, seine über Jahre geschaffene „Lateinamerika Trilogie“ in das umfangreiche Programm einzubauen.

Aufnahme des Regenwaaldes © Emmanuel Berthier
Brazil - Politics - Indigenous Mining © Carl De Souza

Bis 17. Oktober 2021 kann man in den malerischen Gassen und wunderschön blühenden Parks der Biedermeier-, oder doch besser Kulturhauptstadt Niederösterreichs über sieben Kilometer durch Lateinamerika wandern, begleitet von großformatigen Fotografien, die allein von ihrer Bildsprache her bewegende Geschichten erzählen, der leichteren Verständlichkeit aber mit literarisch dichten Texten ergänzt sind. Ein packendes Beispiel sind die Bilder von Sebastião Ribeiro Salgado Júnior. „Gold“ ist der kurze Titel einer an biblische Katastrophen gemahnende Szenerie. Der 1944 in Brasilien geborene Fotokünstler besuchte 1986 die Mine von Serra Pelada – und war sprachlos. In einer Grube von 200 x 200 Metern wühlen Massen von Männern im Dreck, alle von dem Traum beseelt, in dieser Erde Gold zu finden und mit einem Schlag reich zu werden. In 35 Tagen sind dort Schwarzweiß-Bilder von schauriger Schönheit entstanden: Menschliche Ameisen auf der letztlich vergeblichen Suche nach dem Edelmetall, alles Gestalten mit irren Blicken, die mit bloßen Füßen in Bächen von Unrat und Quecksilber stecken, so Salgado in seinen Aufzeichnungen zu seiner Bildreportage, vor der man unbedingt Halt machen muss.

Papst Johannes Paul II. © Lois Lammerhuber
Foto in der Ausstellung von © Pablo Corral Vega

Bespielt wird das Festival La Gacilly-Baden Photo 2021 mit ca. 1.000 Werken von 23 Fotografen, einem Fotografenkollektiv und 16 Schulen in Niederösterreich. Der Grundton der Ausstellung erklärt sich aus jedem einzelnen Bild. Sie alle sind ein Plädoyer für Frieden, Toleranz und Miteinander, getragen von humanistischer Gesinnung. Man mag bei Marcos López (*1958 in Argentinien) verweilen, seinen humoristischen und farbkräftigen Fotos aus einer vordergründig heilen Welt, die auf den zweiten Blick das Surreale einer von ihm inszenierten Lebenswelt kritisiert. Oder bei der Brasilianerin Luisa Dörr, die Frauen bei ihrem Bemühen um Bewahrung von Traditionen in ihren schönsten Kleidern vor die Kamera geholt hat.

Autos © Cássio Vasconcellos

Viel zu schauen gibt es bei Cássio Vasconcellos, der auf riesigen Formaten apokalyptische Visionen präsentiert. Die Technik der Fotografie vermittelt den Anschein der Wirklichkeit, der jedoch durch Überarbeitung und Photoshop-Collage ein in der Realität unmögliches Zusammentreffen von tausenden Flugzeugen oder 50.000 in Reih und Glied aufgestellten Autos vorgaukelt. Noch einmal um Gold, in diesem Fall aber das „Grüne Gold“, geht es bei Carolina Arantes. Sie klagt in unser aller Namen an. In Brasilien wird die Zerstörung des Regenwaldes brutal vorangetrieben, sei es durch ein gigantisches Wasserkraftwerk, das dem Volk der Juruna des Lebensraum geraubt hat, oder die großflächige Brandrodung 1919, die zu einer Entwaldung und damit in kurz oder lang zum letalen Infarkt unserer Weltlunge führt. La Gacilly-Baden macht betroffen, erweckt aber auch Hoffnungen, weil es auf künstlerischem Weg möglich ist, auf nur scheinbar ferne Probleme daheim in unserer Idylle zumindest aufmerksam zu werden.

Foto © Marcis López
Foto © Luisa Dorr
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