Kultur und Weindas beschauliche MagazinEleanor Antin, Constructing Helen from ”Helen´s Odyssey”, 2007, Courtesy Richard Saltoun Gallery, London and Rome HISTORY TALES Fakt und Fiktion im Historienbild
Wir stehen (wieder einmal) an einer Zeitenwende, einem historischen Moment, der für die Kuratorin Sabine Folie „von geradezu erschreckender Aktualität ist“. Das weltpolitische und ökonomische Gleichgewicht von Werten und Kräften scheint aus dem Takt zu geraten und eine globale Verschiebung unabsehbaren Ausmaßes in Gang zu setzen. Solcherlei apokalyptischen Aussichten stehen tröstend Kunstwerke gegenüber, die uns bestätigen, dass alles schon einmal so dagewesen ist. Das Historienbild ist seit jeher weniger der Spiegel einer bestimmten Zeit, als ein Ausdruck für das Bedürfnis, in Mythos und Geschichte Geschehnisse zu finden, die über die Zeiten hinweg das Auge bannen und tiefe Emotionen erwecken. Nicht umsonst war es in der Renaissance die ranghöchste Bildgattung, später eine Tugendlehre von Helden und Herrschern bis herauf an den Beginn des 19. Jahrhunderts. Die Ablöse erfolgte erst mit der Fotografie, als Schlachtenszenen das romantische Pathos verloren, weil sie in Massenmedien die hässliche Wirklichkeit des Krieges zeigten. Die Ausstellung „History Tales. Fakt und Fiktion im Historienbild“ (bis 26. Mai 2024) verbindet nun in 13 Szenen klassische Kunst mit zeitgenössischen Positionen, die hergebracht oberflächliches Hinschauen auf diese Art Ereignismalerei kritisch hinterfragen.
Den programmatischen Einstieg bietet der Cartoon No. 1 von John Leech (1817-1864). Der britische Karikaturist lässt darauf zerlumpte hungrige Menschen ratlos in einer Gemäldegalerie herumirren. Kunst statt Brot! Dieser Haufen herabgekommener Museumsbesucher hätte wohl auch für die folgende Show wenig Verständnis. Hell von hinten beleuchtet strahlt in Karl Friedrich Schinkels „Blick in Griechenlands Blüte“ ein Tempelbau als Ausgangspunkt des anbrechenden Goldenen Zeitalters. Geblieben sind davon Ruinen. Ein von Hubert Robert um 1787 dargestellter ramponierter Louvre ist wiederum für Danica Dakić (*1962) Anlass, die Unbehaustheit der Roma in den Jugoslawienkriegen eben dort zu verorten. In Station zwei sind die Frauen am Wort. In militärischen Operationen sind sie meistens die Opfer, deren Martyrium drastisch die Leinwände füllt. Selten sind sie auch der Auslöser; wie Helena, die von der US-Amerikanerin Eleanor Antin (*1935) in „Constructing from ,Helen´s Odyssey´“ von absurd kleinen Bildhauern zum übergroßen Mythos gemeißelt wird. Um tatsächlich zu erwartende Katastrophen geht es zehn Bühnen weiter.
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