Kultur und Weindas beschauliche MagazinDe Sculptura, Aussstellungsansicht (rechts: Garagentor von Andreas Slominski) DE SCULPTURA Was nicht alles „Skulptur“ werden kann
Das wunderbar geräumige Museum in den Donauauen von Klosterneuburg ist der ideale Ort, die flache Bildfläche mit der dritten Dimension zu bereichern. So steht das heurige Jahr im Zeichen einer Gesamtschau der zeitgenössischen Skulptur. Die Albertina darf sich glücklich schätzen, Werke der bedeutendsten Vertreter dieses Genres zu besitzen bzw. zu verwalten. Mit „DE SCULPTURA. Von Roy Lichtenstein bis Andreas Slominski“ (bis 16. November 2025) wird die im Frühjahr begonnene Unternehmung nun mit einem Lehrstück zum Aufbruch der Plastik in eine Vielschichtigkeit von Materialien und teilweise verblüffenden Erscheinungsformen fortgesetzt und vervollständigt. War es früher die Bildhauerei, die aus Stein, Holz oder Keramik Kunstwerke geschaffen hat, ist daraus längst ein Herstellen von Objekten geworden, das jedes für sich in welcher Weise immer den Raum mit einschließt und es darüber hinaus egal ist, aus welchem Material es besteht. Roy Lichtenstein verwendete für seine Skulpturen in den 1970er-Jahren klassische Bronze, die aber für flache, überdimensionierte Gläser und Kaffeetassen eingesetzt wurde. Einige wenige knallige Farben unterstreichen die Aussage, die darin besteht, das Blow-up der Werbung zu persiflieren. Man kann sie zwar nur von hinten und vorne betrachten, aber gerade damit heben sie sich vom Reklameschild an der Ziegelmauer ab. Lichtenstein geht in seiner Reduktion noch weiter: Mit den „Brushstrokes“ wird der einzelne Pinselstrich aus dem Gemälde gelöst, freigestellt und zum eigenständigen Kunstgegenstand. Ähnlich wirken die Figuren von Alex Katz. Er nennt sie „Cut-outs“, die tatsächlich wie ausgeschnitten wirken, aber ebenfalls zwei Schauseiten haben.
Bruno Gironcoli, Mischtechnik auf Papier, 1990, Aluminium, 1998, jeweils ohne Titel DE SCULPTURA Der Unterhaltungswert von Kunst in 3D
Die Räume sind Licht durchflutet, öffnen sich großzügig den Blicken und strahlen dabei eine wunderbare Ruhe aus, die dazu einlädt, den gezeigten Objekten alle Zeit dieser Welt zu widmen. Die Rede ist vom ehemaligen Essl-Museum, einem architektonischen Genieblitz von Heinz Tesar. Albertina sei Dank, dass dieses einmalige Haus wieder bespielt wird. In deren Sammlungen für Gegenwartskunst finden sich längst etablierte und jüngere Positionen von namhaften nationalen und internationalen Kunstschaffenden. Angela Stief, Direktorin der Albertina Modern, hat für die kommenden Monate die Plastik in den Vordergrund gerückt. Mit „De Sculptura“ (bis 16. November 2025) möchte sie ausloten, was das Thema Skulptur und Plastik im aktuellen Kunstgeschehen bedeutet und hat einen ungemein vergnüglichen Überblick zu diesem Thema geschaffen.
Denkmäler, wie sie früher von kraftstrotzenden Bildhauern aus Marmor oder Sandstein gemeißelt wurden, sind heutzutage obsolet. Die Ideen zu dreidimensionalen Arbeiten entspringen eher einer Auseinandersetzung mit dem Urgrund aller Kreativität, der Sexualität, und dem Willen, deren vielschichtige Erscheinungsformen zu vermitteln. So trifft man gleich zu Beginn der Runde auf „Gonflés – dégonflés“ von Annette Messager, einer raumgreifenden Installation auf und abschwellender Körperorgane, genäht aus Ballonseide. Nur das lustvolle Stöhnen fehlt. Oder in der Rotunde Halle 1 die männlich prallen LKW-Bestandteile, in Handarbeit gestrickt vom Gemütsmenschen Claudia Märzendorfer. Franz West bezeichnete sein pinkes Ungetüm mit dem Titel „Differential“ ohne Umschweife als Sexsymbol. Bruno Gironcoli dagegen sagte zu seinen mattsilbrig schimmernden Plastiken: „Ich versuche, in Umschreibungen, in Umwegen, in der Psychologisierung der Umwelt das Menschenbild zu erfassen, weil die Darstellung, die Abbildung für mich zu wenig ergibt“, um damit ebenfalls Abgründe, zwischenmenschliche Beziehungen, Sexualität und unterschiedliche Ausprägungen von Gewalt sichtbar zu machen. Dazu kommt der Spaß an der Hetz, die wahren Absichten in scheinbar unschuldigen Gegenständen zu verbergen, wie Erwin Wurm, der dazu ein eigenes Universum des Schmunzelns errichtet hat. Ein ähnliches Kaliber ist Eva Beresin, die Humor mit dem Horror vermählt hat und sich dabei keinen Deut um Ästhetik pfeift. Ihren Arbeiten wurden Gemälde von Maria Lassnig gegenübergestellt, um die künstlerische Verwandtschaft der beiden Frauen zu dokumentieren.
Albertina Klosterneuburg, Pop Art, Ausstellungsansicht ALBERTINA KLOSTERNEUBURG Wundersame Rückkehr der Gegenwartskunst
Es scheint, als quelle die Albertina vor Kunstwerken über. Die Sammlungen sind gewachsen und gewachsen, allein das Palais ist trotz immer wieder raffinierter Raumeinteilung mit den Jahren zu eng geworden. Mit der Albertina Modern im Künstlerhaus konnten bereits für die Gegenwartskunst neue Ausstellungsflächen gewonnen werden. Aber auch damit stieß man bald an eine Grenze des Möglichen, zumal sich neben anderen Schenkungen und Neuerwerbungen die ehemalige Sammlung Essl, ein unvorstellbar gewaltiges Konvolut an Kunstwerken, zu einem guten Teil in Verwahrung der Albertina befindet. Es lag damit nahe, das leerstehende Museumsgebäude in Klosterneuburg zu reaktivieren. Es ist das ideale Haus für die Kunst unserer Zeit; hell, geräumig und architektonisch absolut seinem Inhalt adäquat. Generaldirektor Klaus Albrecht Schröder hat mit der Erweiterung an die Peripherie der Großstadt ein letztes Opus magnum verwirklicht. Er darf ins Schwärmen geraten: „Die Albertina Klosterneuburg ist eine Vision, die Wirklichkeit geworden ist.“ Neben Kulturzentren wie dem Chorherrenstift und dem Museum Gugging ist das aus kurzem Schlaf erweckte ehemalige Essl-Museum mit dem neuen Namen ein Anziehungspunkt, der, so die Hoffnung Schröders, als Ausflugsziel den Menschen das Verständnis für Kunst spannend und vor allem niederschwellig näher bringt. Dazu wurden fürs Erste im wahrhaft großzügigen Raumangebot drei Ausstellungen untergebracht. Ausstellungsnidcht mjit Werken von Arnulf Rainer Pop Art empfängt die Besucher mit Arbeiten von Andy Warhol unter dem Motto „The Bright Side of Life“ ganz ohne Querverweis auf „Das Leben des Brian“, aber mit einem schrägen Humor, der durchaus an die Monty Pythons erinnert. Die Wände sind voll mit Wiederholungen von Rennautos, Daimler Motorkutschen, Mao-Visagen und Campell´s Soup Cans.
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