Kultur und Weindas beschauliche MagazinÖsterreich – Deutschland. Malerei von 1970 bis 2020, Ausstellungsansicht ÖSTERREICH – DEUTSCHLAND Bilaterale Konzepte sichtbar gemacht Karl Kraus hat es einst pointiert formuliert: „Was die Deutschen und die Österreicher trennt, ist ihre gemeinsame Sprache.“ Nachdem sich diesbezüglich die Grenzen nach Westen und weiter ins Englische verschoben haben, hat dieser Spruch bestenfalls noch literaturhistorischen Wert. Eines der wenigen Refugien von Abgrenzung zum Nachbarn ist der Fußball. Die Kunst ist es sicher nicht. Den Beweis dafür liefert die große Herbstausstellung „Österreich – Deutschland. Malerei von 1970 bis 2020“ (bis 21. Jänner 2024) in der Albertina Modern. Anhand von Werken Kunstschaffender aus beiden Ländern wird das Verbindende unterstrichen. Die dafür eingesetzten Werke sind großteils bestens bekannt, in diesem Fall jedoch so gehängt, dass an einzelnen Beispielen jeweils spannende Dialoge spürbar werden.
Einige Beispiele: Der Österreicher Siegfried Anzinger und der Deutsche Daniel Richter gehören zur selben Generation. Sie zeigen den künstlerischen Aufbruch der 1980er-Jahre. Wolfgang Hollegha und Katharina Grosse stehen dagegen für generationsübergreifende Bezüge. Xenia Hausner und Neo Rauch finden eine gemeinsame Basis in der Auseinandersetzung mit dem Fremden und dem Ausgesetzt-Sein. Sie eint trotz aller Unterschiede in Farbgebung und dem Pathos ihrer Figuren neben dem Großformat das räumliche Gestaltungsprinzip auf einer bühnenartigen Inszenierung.
![]() Ausstellungsansicht: My Drawing Room 2008 (Außenansicht), Bedroom Included, 2008 © Yoshitomo Nara Foto: © Sandro E. E. Zanzinger YOSHITOMO NARA und das gewaltbereite Kindchenschema Die Gesichter der Mädchen irritieren den Betrachter. So will man eigentlich von einem Kind nicht angeschaut werden, mit grimmigem Blick, im Mund Vampirzähne und hinter dem Rücken versteckt ein scharfes Messer, in jedem Moment zum Angriff bereit. Aber sie haben Yoshitomo Nara zum Begriff für japanische Gegenwartskunst werden lassen. Er hat das Manga, die uns seltsam erscheinenden Cartoons der Japaner, überhöht. Deren Zeichentrickfilme und Comic-Hefterln strotzen nur so von brutaler Gewalt. Bei Nara werden sie zu einzelnen Bildern, die als subtile Abrechnung mit oberflächlicher Unterhaltung anzusehen sind, weil sie als Pop-Art ihre Punk-Attitüde nicht aufgegeben haben. Seine Zeichnungen sind eine Art Karikaturen, die in oftmaliger Wiederholung die Botschaft des 1959 geborenen Yoshitomo Nara wiedergeben, als Anregungen an die Betrachter, ihre eigene Situation kritisch zu hinterfragen, wenn es sein muss, aufzubegehren und sich nichts gefallen zu lassen. Das betrifft die Katastrophe von 2011 in Fukushima ebenso wie eine stete Einsamkeit, in der ihm nur sein achtjähriges Ich Gesellschaft leistet.
Der Künstler selbst ist glücklich, in der Albertina ausgestellt zu werden. Für ihn ist es schlechthin das Museum, das seinen Vorstellungen und Zeichnungen entspricht. 600 Werke aus einem Zeitraum von rund 40 Jahren, teils chronologisch angeordnet, geben bis 1. November 2023 in der Albertina Modern unter dem Titel „All My Little Words“ einen Überblick über Naras facettenreiches zeichnerisches Œuvre. Der Großteil sind Arbeiten auf Papier neben einigen Gemälden und Skulpturen. So fügt sich eine pompös wirkende Vase mit der darauf geschriebenen Widmung an eine Bitch, also ein Luder, nahtlos in die übrigen, durchwegs scharf pointierten Objekte. Erschütternd sind die Notizen aus einem Besuch in Afghanistan 2002, auf denen das „Angry Girl“ in eine Grube mit Totenschädeln blickt oder von den Taliban in eine Burka gesteckt wurde.
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