Kultur und Weindas beschauliche MagazinGert & Uwe Tobias, Ohne Titel © eSel-Lorenz Seidler ANDY WARHOL BIS DAMIEN HIRST und die Revolution der Druckgrafik
Die Formate sind über die Wände hin explodiert; mit knalligen Farben, endlosen Wiederholungen der Motive und einem offen zur Schau getragenen Unernst am hehren Begriff Kunst. War einige Jahrzehnte zuvor der Gegenstand aus der Malerei im Sinne der Abstrakten verschwunden, kehrte er nun, getragen von der Macht mechanischer Produktion, zurück in die Galerien. Andy Warhol bezeichnete sein Atelier ohne Genierer als Factory, als Fabrik, in der am Fließband Kunst fabriziert wurde. Er verlieh der Dose von Campell´s Soup oder Kartons mit Waschpulver die Ehre, dass sich in heil´gen Ausstellungshallen Experten davor verbeugten und Sammler für den Besitz von einzelnen Exemplaren dieser „Massenware“ Unsummen auslegten. Warhol war ein Pionier des neuen Zeitalters, das unmittelbar nach 1960 in der Druckgrafik angebrochen war. Mittels Siebdruck war die serielle Produktion möglich geworden, gleichzeitig war man imstande, riesige Papierflächen herzustellen und diese zu bedrucken. Es kam nicht mehr auf den genialen Strich an, auf die Komposition eines Bildes oder einen von kundiger Hand geschaffenen Ausdruck; es wurden vielmehr Gegenstände fotografiert oder die Fotos von prominenten Persönlichkeiten verfremdet, in immer neuen Farben nebeneinander gestellt und diese serielle Kombination letztlich zum Porträt erklärt. Die Pop Art war geboren. Wie eine wohltuende Epidemie verbreitete sie sich über die Welt und infizierte Künstler aller Orten.
Die Albertina als Hort der Grafik ist nun nach „Dürer, Munch, Miró. The Great Masters of Printmaking“ an der zweiten Station eines Terzetts angekommen, das die Geschichte der Druckgrafik aus den gewaltigen eigenen Beständen dokumentieren soll. Die Albertina Modern ist bis 23. Juli 2023 Schauplatz von „Andy Warhol bis Damien Hirst. The Revolution in Printmaking“. Wandtexte begleiten die Besucher und stellen ihnen die einzelnen Protagonisten mit ihren Arbeiten vor.
Piktoralismus, Ausstellungsansicht PIKTORALISMUS Photographieren an der Malerei geschult
Das Fotografieren hat wie so vieles an Wert verloren, nachdem es dank Handy überall und jederzeit möglich ist. Freilich gibt es noch die wahren Fotografen, die unseren Blick auf den besonderen Moment lenken, den sie kunstvoll festgehalten haben. In erster Linie denkt man jedoch an die eigene Aktivität, die mit hochgehaltenem Smartphone dahinter befindlichen Zeitgenossen die Sicht nimmt. Umso mehr Erstaunen, gepaart mit Ehrfurcht, mag deshalb die bis 26. April 2023 in der Albertina Modern gezeigte Ausstellung „Piktoralismus“ im Betrachter hervorrufen. Es geht darin um „Die Kunstfotografie um 1900“. Frauen und Männer, allesamt einigermaßen betucht, waren mit sperrigem Stativ, stattlicher Balgenkamera und einem Packen Trockenplatten unterwegs auf Motivsuche. Zumeist handelte es sich um engagierte, in Clubs organisierte Amateure, deren Begeisterung fehlende Kenntnis durchaus wettmachte. Dazu gesellten sich Profis der Kunst wie Heinrich Kühn, dem die schwarzweiße Aufnahme nicht genügte. Mit der sogenannten Gummigravüre schuf er erste „Farbfotos“ in großem, bildgestalterischem Variantenreichtum. Seinen Arbeiten folgten in den 1920er-Jahren Ikonen der frühen Photographie mit Namen wie Rudolf Koppitz, Madame d´Ora oder Trude Fleischmann.
Die meisten der gezeigten Objekte stammen aus den Sammlungen der Albertina. Sie erlauben es, einen Bogen von den englischen Vorbildern bis zu herausragenden nationalen und internationalen Werken des Piktoralismus zu spannen. Es galt damals, im Zuge einer ästhetischen Erneuerung eine künstlerische Aufwertung der Photographie zu bewirken. Es blieb nicht aus, dass diese Bewegung auch auf die gewerbliche Porträtfotografie Einfluss ausübte. In den Ateliers hatte sich Gewöhnung breit gemacht. Standardisierte Posen vor auswechselbarer Dekoration, gleichförmige Beleuchtung, Verwendung genormter Formate und Einsatz der Retusche hatten bis dahin genügt. Um den Amateuren nicht nachzustehen, begannen „gelernte“ Photographen deren Techniken zu übernehmen und für eine zahlungskräftige Klientel luxuriöse Photo-Kunst zu schaffen. Ein letzter Aufschwung und die Spätphase der Kunstphotographie zeichnen sich in der Zwischenkriegszeit ab. Die damals entstandene neue Sachlichkeit beschließt diesen faszinierenden Rundgang durch eine Zeit, als Fotografieren noch viel, viel mehr bedeutete als das Knipsen einer mehr oder weniger erinnerungswürdigen Situation. Statistik |