Kultur und Wein

das beschauliche Magazin


Auguste und Louis Lumière Armspangen, 1893-1900 ALBERTINA, Wien – Dauerleihgabe

Auguste und Louis Lumière Armspangen © ALBERTINA, Wien – Dauerleihgabe der Höheren Graphischen Bundes-Lehr- und Versuchsanstalt

TRUE COLORS Von Schwarz-Weiß zu den Farben im Foto

True Colors, Ausstellungsansicht

True Colors, Ausstellungsansicht

Beispiele der vielfältigen Versuche, auch mit der Photokamera bunte Bilder zu schaffen

Kaum war die Photographie erfunden und es erstmals in der Geschichte der Menschheit möglich, ein Abbild unserer Welt ohne Leinwand und Pinsel zu schaffen, waren deren Erfinder bereits unzufrieden. Eigentlich unbegreiflich ob der Sensation, die sich mit der knapp davor entwickelten Dampfmaschine und der aufkommenden Elektrizität durchaus auf eine Stufe stellen konnte. Doch der Daguerreotypie fehlte ein wesentliches Element, das jedes Gemälde selbstverständlich aufwies. Die aufwändig produzierten Abzüge waren grau, zwar in vielen Abstufungen, aber im Endeffekt doch nur Schwarz-Weiß. Was blieb den Photographen anderes übrig, als mit geübter Hand nachzuhelfen und die vom Licht vorgezeichneten „Skizzen“ zu kolorieren und so zumindest den Eindruck einer natürlichen Farbigkeit zu erzielen.

Kodak Company, Fotomagazin für Amateure

l. o. Kodak Company, Fotomagazin für Amateure

r. o. Laborstillleben 1906, Pinatypie

Laborstillleben 1906, Pinatypie

An dieser Stelle, also Mitte des 19. Jahrhunderts, setzt die von Dr. Anna Hanreich & Dr. Astrid Mahler mit einer Fülle an Wissenswertem gestaltete Ausstellung „TRUE COLORS. Farbe in der Fotografie von 1849 bis 1955“ (bis 21. April 2025 in der Albertina Modern) ein. Zur Verfügung standen den beiden Kuratorinnen die reichhaltigen Bestände der Fotosammlung des Hauses, die vor allem im historischen Teil auf einer Dauerleihgabe, der Sammlung der k. k. Graphischen Lehr- und Versuchsanstalt, beruhen. Am Anfang trifft man Porträts, die sich seinerzeit großer Beliebtheit erfreuten, waren sie doch wesentlich günstiger und vor allem schneller anzufertigen als die in langen Sitzungen auf der Staffelei des Meisters entstandenen Miniaturgemälde. Im Weitergehen trifft man auf Begriffe wie orthochromatische Negativplatten oder das Interferenzfarbverfahren, die in den Wandtexten ausführlich erklärt werden und so zu einer erquicklichen Erweiterung des Allgemeinwissens führen. Die Ergebnisse sind bereits beeindruckend, vor allem in der Haltbarkeit der kräftigen Farben, wenn man bedenkt dass diese Bilder um 1900 entstanden sind.

Zu dieser Zeit gab es eine Reihe von Versuchen wie die Kombination des Prinzips der Chromolithografie mit der Schwarz-Weiß-Fotografie. Den Durchbruch brachte jedoch das 1893 von Louis Lumière unter der Bezeichnung ALL Chroma entwickelte Verfahren. Es waren Diapositive, die an die Wand projiziert Scharen von Zeitgenossen faszinierten. Der Ruf, die noch junge Photographie als Teil der Kunst zu bewerten, wurde lauter und lauter. Deren Vertreter wie Heinrich Kühne (1866-1944) mit künstlerischer Unschärfe aus Edeldruckverfahren (Gummidruck) oder Madame d´Ora (1881-1963) mit zeitlosen Frauenbildnissen aus ihrem Atelier haben zweifellos diesbezüglich entscheidende Vorarbeit geleistet. Erst mit den Firmen Eastman Kodak und Agfa wurde ab Mitte der 1930er-Jahre auch das Knipsen farbenfroh einfach und zur kreativen Volksbelustigung. Die Kleinbild-Farbdiafilme und ab 1942 Farbfilme hielten sich bis zur Machtübernahme der digitalen Kamera, von der die analoge Fotografie jedoch umgehend in eine kostspielige Nische für Idealisten in einem mittlerweile belächelten Bemühen um Originalität verwiesen wurde.

Atelier d´Ora, Porträt, Frau Oergan, 1924

Atelier d´Ora, Porträt, Frau Oergan, 1924

Erwin Wurm, Die Retrosepktive zum 70. Geburtstag, Ausstellungsansicht

Erwin Wurm, Die Retrosepktive zum 70. Geburtstag, Ausstellungsansicht

ERWIN WURM und die Logik im Paradoxen & Absurden

Erwin Wurm Fat Convertible, 2005

Erwin Wurm Fat Convertible, 2005

One Minute Sculptures, Gurkerl, Fat Cars, Narrow Houses – Kunst mit einem Augenzwinkern

Für Interpretationen seiner Werke ist Erwin Wurm nicht verantwortlich. Nicht selten ist natürlich Provokation, die dem Universum seiner schrägen Ideen immanent ist und manches darf einfach mit einem Lächeln quittiert werden; was natürlich nicht heißt, dass seine Kunst nicht ernst zu nehmen ist. Erwin Wurm ist ein Meister der Verunsicherung, der freundlich einlädt, sich mit dem Unverständlichen einzulassen. Dahinter steht gewissenhafte Kunstfertigkeit, beispielsweise bei den One Minute Sculptures, für die das Modell eine Minute lang eine penibel choreographierte Pose im Zusammenspiel mit einem Gegenstand einzunehmen hat. Oder in den bewusst gewählten Details im beengten Narrow House im Gegensatz zum lackglänzenden Fat Car, das sich vordergründig als Symbol von Gier und Angeberei präsentiert. Bevor Wurm aber mit der sozialen Predigt anhebt, reißt er seine eigene Bedeutung vom Sockel, indem er sich als naturalistisch geformtes Gurkerl porträtiert, das in der Vervielfältigung zum Running Gag einer möglichen Sicht auf die Gesellschaft wird. Aber wie gesagt, alles ist offen, jede Ansicht ist erlaubt und Spaß an seinem künstlerischen Output nahezu Pflicht.

Erwin Wurm hat am 27. Juli 2024 seinen Siebziger gefeiert. Er hat längst weltweite Anerkennung gewonnen, die ihm nicht zuletzt aufgrund seiner allgemein zugänglichen und dadurch in breiten Kreisen bekannten Kunst zuteil geworden ist. Bis 9. März 2025 wird Wurm darob in der Albertina Modern mit einer Ausstellung gefeiert. Er selbst mag den Ausdruck Retrospektive überhaupt nicht. Die Rückschau ist seine Sache nicht. Aber was soll man dann zeigen? Ein Blick in die Zukunft ist kompliziert. Also wurde neben dem Besten aus seinem Œuvre viel Neues wie beispielsweise eine gestrig eingerichtete Schule gewählt, um zumindest eine Ahnung vom Kommenden anzudeuten. Die Palette seiner Medien ist groß: Skulpturen, Zeichnungen und Handlungsanweisungen, Videos und Fotografien sind luftig auf- und ausgestellte Zeugen seiner Jahrzehnte langen Bemühung, das Paradoxe und Absurde für weniger fantasiebegabte Zeitgenossen sichtbar zu machen und ihnen grenzenlose Verwunderung abringen, wenn sie bemerken, dass aus hartem Beton gebaute Häuser einfach dahin schmelzen oder sich zwei arme Würstchen als Liebespaar ineinander verschlingen.

Erwin Wurm, Die Retrosepktive zum 70. Geburtstag, Ausstellungsansicht

Erwin Wurm, Die Retrosepktive zum 70. Geburtstag, Ausstellungsansicht

Albertina Logo 350

Statistik