Kultur und Weindas beschauliche MagazinHerbert Boeckl – Oskar Kokoschka. Eine Rivalität, Ausstellungsansicht BOECKL KOKOSCHKA „Rivalität“ zwischen Expressionisten
Herbert Boeckl hatte eine tiefe Ahnung davon, was der Apostel Johannes mit der Apokalypse verkündet hat. In der Benediktinerabtei Seckau hat er – um den Schulbesuch seines Sohnes im Stiftsgymnasium zu finanzieren – in der Engelskapelle einen Freskenzyklus geschaffen, der uns Sterblichen die Geheimnisse dieses Buches zu offenbaren vermag. Boeckl richtete seinen Blick immer wieder auf die letzten Dinge, so auch auf die leblosen Körper in der Prosektur. Er stand dabei und zeichnete, während die Leichen seziert wurden. Eine Reihe dieser berührenden Arbeiten aus dem „Anatomischen Skizzenbuch“ füllt eine ganze Wand der Ausstellung „Herbert Boeckl – Oskar Kokoschka. Eine Rivalität“ (bis 17. März 2024 in der Albertina Modern) und zeigt einen Künstler, der mit seiner Lehrtätigkeit Generationen von Malern und Zeichnern die Radikalität des Blickes weiterzugeben versucht hat.
Ihm gegenüber stehen Werke von Oskar Kokoschka, von frühen Porträts mit dem „inneren Gesicht“ bis zu den leuchtenden Blumenaquarellen der späteren Jahre. Das Wort „Rivalität“ im Titel ist schwer nachvollziehbar. Boeckl und er standen in keinem Wettstreit. Zwar waren beide bei der Biennale in Venedig vertreten, Kokoschka 1922, Boeckl 1932 und 1934, aber damit scheinen die Übereinstimmungen beider Lebens- und Kunstverläufe auch schon erschöpft. Das Genie Kokoschka begründete den Expressionismus bereits vor dem Ersten Weltkrieg noch in der Monarchie, während der nur wenig jüngere Boeckl erst im kleinen Restösterreich zu dieser Stilrichtung fand. Zu dieser Zeit war Kokoschka bereits Professor an der Kunstakademie in Dresden, um danach eine rege Reisetätigkeit durch Europa bis Afrika und Vorderasien anzutreten. Kokoschka war in der Zwischenkriegszeit einer der teuersten Maler, Boeckl brachte sich zur selben Zeit gerade recht und schlecht über die Runden. OK galt während der Zeit des Nationalsozialismus als „entartet“, der andere trat 1941 der NSDAP bei, ohne jedoch eine Anerkennung seiner Arbeit zu erlangen.
Österreich – Deutschland. Malerei von 1970 bis 2020, Ausstellungsansicht ÖSTERREICH – DEUTSCHLAND Bilaterale Konzepte sichtbar gemacht Karl Kraus hat es einst pointiert formuliert: „Was die Deutschen und die Österreicher trennt, ist ihre gemeinsame Sprache.“ Nachdem sich diesbezüglich die Grenzen nach Westen und weiter ins Englische verschoben haben, hat dieser Spruch bestenfalls noch literaturhistorischen Wert. Eines der wenigen Refugien von Abgrenzung zum Nachbarn ist der Fußball. Die Kunst ist es sicher nicht. Den Beweis dafür liefert die große Herbstausstellung „Österreich – Deutschland. Malerei von 1970 bis 2020“ (bis 21. Jänner 2024) in der Albertina Modern. Anhand von Werken Kunstschaffender aus beiden Ländern wird das Verbindende unterstrichen. Die dafür eingesetzten Werke sind großteils bestens bekannt, in diesem Fall jedoch so gehängt, dass an einzelnen Beispielen jeweils spannende Dialoge spürbar werden.
Einige Beispiele: Der Österreicher Siegfried Anzinger und der Deutsche Daniel Richter gehören zur selben Generation. Sie zeigen den künstlerischen Aufbruch der 1980er-Jahre. Wolfgang Hollegha und Katharina Grosse stehen dagegen für generationsübergreifende Bezüge. Xenia Hausner und Neo Rauch finden eine gemeinsame Basis in der Auseinandersetzung mit dem Fremden und dem Ausgesetzt-Sein. Sie eint trotz aller Unterschiede in Farbgebung und dem Pathos ihrer Figuren neben dem Großformat das räumliche Gestaltungsprinzip auf einer bühnenartigen Inszenierung.
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