Kultur und Weindas beschauliche Magazin![]() Ausstellungsansicht: My Drawing Room 2008 (Außenansicht), Bedroom Included, 2008 © Yoshitomo Nara Foto: © Sandro E. E. Zanzinger YOSHITOMO NARA und das gewaltbereite Kindchenschema Die Gesichter der Mädchen irritieren den Betrachter. So will man eigentlich von einem Kind nicht angeschaut werden, mit grimmigem Blick, im Mund Vampirzähne und hinter dem Rücken versteckt ein scharfes Messer, in jedem Moment zum Angriff bereit. Aber sie haben Yoshitomo Nara zum Begriff für japanische Gegenwartskunst werden lassen. Er hat das Manga, die uns seltsam erscheinenden Cartoons der Japaner, überhöht. Deren Zeichentrickfilme und Comic-Hefterln strotzen nur so von brutaler Gewalt. Bei Nara werden sie zu einzelnen Bildern, die als subtile Abrechnung mit oberflächlicher Unterhaltung anzusehen sind, weil sie als Pop-Art ihre Punk-Attitüde nicht aufgegeben haben. Seine Zeichnungen sind eine Art Karikaturen, die in oftmaliger Wiederholung die Botschaft des 1959 geborenen Yoshitomo Nara wiedergeben, als Anregungen an die Betrachter, ihre eigene Situation kritisch zu hinterfragen, wenn es sein muss, aufzubegehren und sich nichts gefallen zu lassen. Das betrifft die Katastrophe von 2011 in Fukushima ebenso wie eine stete Einsamkeit, in der ihm nur sein achtjähriges Ich Gesellschaft leistet.
Der Künstler selbst ist glücklich, in der Albertina ausgestellt zu werden. Für ihn ist es schlechthin das Museum, das seinen Vorstellungen und Zeichnungen entspricht. 600 Werke aus einem Zeitraum von rund 40 Jahren, teils chronologisch angeordnet, geben bis 1. November 2023 in der Albertina Modern unter dem Titel „All My Little Words“ einen Überblick über Naras facettenreiches zeichnerisches Œuvre. Der Großteil sind Arbeiten auf Papier neben einigen Gemälden und Skulpturen. So fügt sich eine pompös wirkende Vase mit der darauf geschriebenen Widmung an eine Bitch, also ein Luder, nahtlos in die übrigen, durchwegs scharf pointierten Objekte. Erschütternd sind die Notizen aus einem Besuch in Afghanistan 2002, auf denen das „Angry Girl“ in eine Grube mit Totenschädeln blickt oder von den Taliban in eine Burka gesteckt wurde.
Gert & Uwe Tobias, Ohne Titel © eSel-Lorenz Seidler ANDY WARHOL BIS DAMIEN HIRST und die Revolution der Druckgrafik
Die Formate sind über die Wände hin explodiert; mit knalligen Farben, endlosen Wiederholungen der Motive und einem offen zur Schau getragenen Unernst am hehren Begriff Kunst. War einige Jahrzehnte zuvor der Gegenstand aus der Malerei im Sinne der Abstrakten verschwunden, kehrte er nun, getragen von der Macht mechanischer Produktion, zurück in die Galerien. Andy Warhol bezeichnete sein Atelier ohne Genierer als Factory, als Fabrik, in der am Fließband Kunst fabriziert wurde. Er verlieh der Dose von Campell´s Soup oder Kartons mit Waschpulver die Ehre, dass sich in heil´gen Ausstellungshallen Experten davor verbeugten und Sammler für den Besitz von einzelnen Exemplaren dieser „Massenware“ Unsummen auslegten. Warhol war ein Pionier des neuen Zeitalters, das unmittelbar nach 1960 in der Druckgrafik angebrochen war. Mittels Siebdruck war die serielle Produktion möglich geworden, gleichzeitig war man imstande, riesige Papierflächen herzustellen und diese zu bedrucken. Es kam nicht mehr auf den genialen Strich an, auf die Komposition eines Bildes oder einen von kundiger Hand geschaffenen Ausdruck; es wurden vielmehr Gegenstände fotografiert oder die Fotos von prominenten Persönlichkeiten verfremdet, in immer neuen Farben nebeneinander gestellt und diese serielle Kombination letztlich zum Porträt erklärt. Die Pop Art war geboren. Wie eine wohltuende Epidemie verbreitete sie sich über die Welt und infizierte Künstler aller Orten.
Die Albertina als Hort der Grafik ist nun nach „Dürer, Munch, Miró. The Great Masters of Printmaking“ an der zweiten Station eines Terzetts angekommen, das die Geschichte der Druckgrafik aus den gewaltigen eigenen Beständen dokumentieren soll. Die Albertina Modern ist bis 23. Juli 2023 Schauplatz von „Andy Warhol bis Damien Hirst. The Revolution in Printmaking“. Wandtexte begleiten die Besucher und stellen ihnen die einzelnen Protagonisten mit ihren Arbeiten vor.
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