Kultur und Weindas beschauliche MagazinAlexandre Diop Il était une fois le Mouton Noir, 2021 ALBERTINA, Wien © Alexandre Diop THE BEAUTY OF DIVERSITY als offener Kunstbegriff der Gegenwart
Franz Ringel (1940-2011) war einer der ersten, der konsequent die Vertreibung aus dem Paradies betrieben hat. Seine Bilder sind Paradebeispiele für das Paradoxon der Gegenwartskunst. Sie sind nicht angenehm anzuschauen und haben doch eine Schönheit in sich, die schwer zu definieren ist, aber zweifellos aus der Fülle der prallvoll gemalten Leinwände herausstrahlt. Übertroffen wird er von Jean Dubuffet (1901-1985), der vollkommen auf jede Ästhetik verzichtet und dennoch mit der Art brut eine ganz neue, überaus spannende Richtung der Gegenwartskunst gegründet hat. Maria Lassnig (1919-2014) hat sich in ihren Botschaften ebenfalls nichts um den seinerzeitigen Mainstream gepfiffen und die Weiblichkeit ihrer Person zum mächtigsten aller Motive erhoben. Miriam Cahn (*1949) schlägt hart zurück und verwandelt den Schrecken der Atompilze in eine zynisch farbenfrohe Augenweide. Cindy Sherman (*1954) ist wiederum eine Meisterin im Irritieren althergebrachter Ansichten und setzte den Begriff LGBTQIA+ in ihren Werke um, lange bevor es ihn überhaupt gab. In eine ganz andere Welt führen die Porträts von Amoako Boafo (*1983 in Ghana). Er bringt die schwarzen Menschen ins Spiel und betont seine eigene Hautfarbe insofern, als er daran einen Mangel in der Kunstgeschichte konstatiert hat.
So verschieden alle unter dem Titel „The Beauty of Diversity“ (bis 18.08.2024) gezeigten Künstler und Werke sind, verbindet sie doch der unbedingte Anspruch auf Gleichberechtigung und Ausdrucksfreiheit. Dank intensiver Sammeltätigkeit konnten die Räume der Albertina Modern beeindruckend ausschließlich mit Arbeiten aus eigenen Beständen bestückt werden. Die Besucher werden dabei nicht allein gelassen. Wandtexte führen sie über die wortreiche Erklärung einer Schönheit der Diversität, die kurz gesagt nichts anderes bedeutet, als die klassischen Ansichten teils schmerzhaft gegen den Strich zu bürsten. In Raum 2 werden Puppenspiele gegeben. Die Materialien sind weiche Stoffe, Knetmasse und Plastilin. Stefanie Erjautz (*1932) und Tony Oursler (*1957) verwandeln jedoch die heimelige Kinderstube in ein Horrorkabinett. Um Selbstermächtigung geht es in Raum 3 und damit um die feministische Bewegung und um die Verbesserung der Bedingungen von diskriminierten Gruppen. Eva Beresin Gulliver’s Desperation Because His Uber Cancelled, 2022; Jonathan Meese Der Propagandist, 2005 Raum 4 gehört der Art brut und Raum 6 den Black Art Matters. Arbeiten von sogenannten BIPoC-Personen (Schwarze, Indigene und People of Colour) klagen an und bringen spät, aber doch race und gender in der westlichen Anschauung zur künstlerischen Ehren. Um eine geheimnisvolle Quelle des Genialen geht es in Raum 8. Obsessionen drücken sich in Gemälden und Skulpturen aus und lassen den Leidensprozess der davon Befallenen nachvollziehen. Ähnlich wirken dort die grotesken Figuren. Jonathan Meese (*1970) kennt diesbezüglich keine Grenzen, beziehungsweise überschreitet er sie lustvoll, wenn er Abstoßendes und Ekelerregendes eines Bronzegusses für Wert erachtet.
Herbert Boeckl – Oskar Kokoschka. Eine Rivalität, Ausstellungsansicht BOECKL KOKOSCHKA „Rivalität“ zwischen Expressionisten
Herbert Boeckl hatte eine tiefe Ahnung davon, was der Apostel Johannes mit der Apokalypse verkündet hat. In der Benediktinerabtei Seckau hat er – um den Schulbesuch seines Sohnes im Stiftsgymnasium zu finanzieren – in der Engelskapelle einen Freskenzyklus geschaffen, der uns Sterblichen die Geheimnisse dieses Buches zu offenbaren vermag. Boeckl richtete seinen Blick immer wieder auf die letzten Dinge, so auch auf die leblosen Körper in der Prosektur. Er stand dabei und zeichnete, während die Leichen seziert wurden. Eine Reihe dieser berührenden Arbeiten aus dem „Anatomischen Skizzenbuch“ füllt eine ganze Wand der Ausstellung „Herbert Boeckl – Oskar Kokoschka. Eine Rivalität“ (bis 17. März 2024 in der Albertina Modern) und zeigt einen Künstler, der mit seiner Lehrtätigkeit Generationen von Malern und Zeichnern die Radikalität des Blickes weiterzugeben versucht hat.
Ihm gegenüber stehen Werke von Oskar Kokoschka, von frühen Porträts mit dem „inneren Gesicht“ bis zu den leuchtenden Blumenaquarellen der späteren Jahre. Das Wort „Rivalität“ im Titel ist schwer nachvollziehbar. Boeckl und er standen in keinem Wettstreit. Zwar waren beide bei der Biennale in Venedig vertreten, Kokoschka 1922, Boeckl 1932 und 1934, aber damit scheinen die Übereinstimmungen beider Lebens- und Kunstverläufe auch schon erschöpft. Das Genie Kokoschka begründete den Expressionismus bereits vor dem Ersten Weltkrieg noch in der Monarchie, während der nur wenig jüngere Boeckl erst im kleinen Restösterreich zu dieser Stilrichtung fand. Zu dieser Zeit war Kokoschka bereits Professor an der Kunstakademie in Dresden, um danach eine rege Reisetätigkeit durch Europa bis Afrika und Vorderasien anzutreten. Kokoschka war in der Zwischenkriegszeit einer der teuersten Maler, Boeckl brachte sich zur selben Zeit gerade recht und schlecht über die Runden. OK galt während der Zeit des Nationalsozialismus als „entartet“, der andere trat 1941 der NSDAP bei, ohne jedoch eine Anerkennung seiner Arbeit zu erlangen.
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