Kultur und Wein

das beschauliche Magazin


Two Similar Swimming Forms in Endless Flight/Motion, 1993

Damien Hirst, Two Similar Swimming Forms in Endless Flight/Motion, 1993

DAMIEN HIRST DRAWINGS Gedankenskizzen über das Papier hinaus

Damien Hirst Drawings, Ausstellungsansicht

Damien Hirst Drawings, Ausstellungsansicht

Sensationell: weltweit erste Museumsausstellung zu den Zeichnungen des Künstlers

Bekannt geworden ist der Brite mit präparierten Tieren. Damien Hirst ließ einen toten Tigerhai in Formaldehyd schwimmen und verpasste dem Werk den tief philosophisch anmutenden Titel „The Physical Impossibility of Death in the Mind of Someone Living“, auf Deutsch in etwa „Die physische Unmöglichkeit des Todes in der Vorstellung eines Lebenden“. Den internationalen Durchbruch brachte das von der Herde getrennte Schaf (Away from the Flock), nicht zuletzt weil es von einem Besucher sabotiert wurde. Mit „For the Love of God“ wurden auch kunstferne Menschen erreicht, denn der mit 8601 Diamanten besetzte Totenschädel aus Platin lässt kaum jemanden unberührt. Kein Wunder, dass es sich dabei, allein schon vom Materialwert her, um eines der teuersten Objekte zeitgenössischer Kunst handelt.

Damien Hirst, Kali Confronts Hydra, 2015 © Damien Hirst and Science Ltd. All rights reserved

Damien Hirst, Kali Confronts Hydra, 2015 © Damien Hirst and Science Ltd. All rights reserved / Bildrecht, Wien 2025

Damien Hirst, Away from the Flock, 1994 © Damien Hirst and Science Ltd. All rights reserved

Damien Hirst, Away from the Flock, 1994 © Damien Hirst and Science Ltd. All rights reserved / Bildrecht, Wien 2025

Der Künstler sprüht vor unkonventionellen Ideen, die allesamt in einer „Gedankenskizze“ ihren Ausgang genommen haben. Es sind Zeichnungen, die er selbst als wichtigen Teil seiner künstlerischen Praxis betrachtet, mehr noch: Sie sind der Urgrund seiner Kreativität, da sie ihn schon von Klein auf begleitet haben. Er bedauert, dass Kinder irgendwann die Farbstifte weglegen und Bankmanager, Polizisten oder etwas anderes werden. Mit der von ihm 1994 entwickelten Spin-Machine verleitet Hirst nun die Erwachsenen, ihre eigenen Zeichnungen zu erstellen. Aus Beobachtern der Kunst werden damit selbst Kunstschaffende, die am eigenen Leib die Faszination des kreativen Prozesses erleben. Auch in der Ausstellung „Damien Hirst Drawings“ (bis 12. Oktober 2025) darf man an der Zeichenmaschine Hand anlegen und sein eigenes Werk schaffen. Große Vorbilder hängen an den Wänden. Zum Teil handelt es sich um Zeichnungen, die das erste Mal der Öffentlichkeit präsentiert werden. Der zeitliche Bogen spannt sich von frühen Arbeiten ab den 1980er-Jahren bis herauf zu aktuellen Werken.

Damien Hirst Drawings, Ausstellungsansicht

Damien Hirst Drawings, Ausstellungsansicht

Damien Hirst Drawings, Ausstellungsansicht

Damien Hirst Drawings, Ausstellungsansicht

In der Weite der Räume finden sich zudem dreidimensionale Ikonen wie das Schaf, zwei Haie, das rote Kaninchen mit Farbpalette als Selbstporträt und ein beeindruckendes Schiffsmodell. Bei entsprechender Nähe sind im offenen Bauch des Seglers allerhand antike Artefakte zu erkennen. Erzählt wird damit die Geschichte des legendären Schiffs Apistos (altgriechisch: unglaublich, ungläubig), das vor rund 2000 Jahren mit den Schätzen seines Besitzers Cif Amotan II. gesunken ist.

Angeblich wurde dieses Wrack samt wertvoller Fracht in unserer Zeit entdeckt und geborgen, finanziert von Damien Hirst persönlich. Dazu gibt es aufwändig künstlich gealterte Zeichnungen, die auf Augenzeugenberichten und Erinnerungen von Menschen basieren, die von dieser Mär gewusst haben. Es bleibt damit offen, was museale Inszenierung, historische Wahrheit oder künstlerische Fiktion ist und lässt deren Grenzen wundersam verschwimmen. Nachdem Hirst und sein Team rund zehn Jahre an diesem monumentalen Projekt gearbeitet haben, ist „Treasures from the Wreck of the Unbelievable“ neben den Zeichnungen eine der wesentlichen Positionen, mit denen Damien Hirst die Menschheit genüsslich und unterhaltsam verunsichert und so zu seinem Ruf beiträgt, ein großer Künstler zu sein, aber auch ein Mahner, der uns erinnert, stets die Augen offen zu halten, um klar feststellen zu können, wie Geschichte konstruiert wird, und uns nicht leichtgläubig von irgendwelchen Fake News leiten zu lassen.

Damien Hirst, Crucified Cow, 2003

Damien Hirst, Crucified Cow, 2003, Ausstellungsansicht

Remix, Ausstellungsansicht

REMIX, Ausstellungsansicht

REMIX Rheinlands Kunst aus zwei Sammlungen

Zwei Werke von Stephan Balkenhol

Zwei Werke von Stephan Balkenhol

Große Namen, größere Formate und größte Kontraste in der deutschen Zeitgenössischen

Hagen hat den grausamen Kampf um den Schatz des Nibelungen erstaunlich pragmatisch beendet. Er hat das Rheingold wieder dorthin zurück gekippt, wo es Alberich einst den Rheintöchtern abgeluchst hat. Der güld´ne Schimmer strahlt bis heute aus traulicher Tiefe, wie in den rheinländischen Kunstzentren Köln und Düsseldorf. Mit Fug und Recht werden sie als Keimzelle einer Avantgarde von internationaler Bedeutung bezeichnet. Eugen Viehof, Gründer von Allkauf, hat nicht nur die wirtschaftlichen Vorteile eines Selbstbedienungs-Großmarktes bereits in den frühen 1960er-Jahren, sondern auch das künstlerische Potential des Rheinlandes erkannt. Es wurde eine stattliche Sammlung angelegt, die mittlerweile 1.400 Arbeiten umfasst. Das Besondere daran: Künstlerinnen und Künstler mussten einen Bezug zum Rheinland haben. Wenn sie nicht dort geboren waren, dort arbeiteten oder studiert hatten, ließen sich bei entsprechender Wichtigkeit mit einiger Fantasie auch andere Beziehungen herstellen. Ein treffendes Beispiel ist Georg Baselitz, der kurzerhand zum Wahl-Rheinländer erklärt wurde. Ihm ist letztlich auch die Verbindung der Sammlung Viehof zur Albertina zu verdanken. Beim Verkauf von Schlüsselwerken (Papierarbeiten, Großgemälde) sprach Baselitz den Wunsch aus, das Geschäft mit einer Dauerleihgabe an die Albertina, dem Museum für Kunst auf Papier schlechthin, zu verbinden.

Sigmar Polke, Ohne Titel, 1999

Sigmar Polke, Ohne Titel, 1999

Arbeiten von Jpseph Beuys

Arbeiten von Jpseph Beuys

Mit der Ausstellung „REMIX. Von Gerhard Richter bis Katharina Grosse“ (bis 7. September 2025) wurde ganz nach dem Vorbild der Tonstudios Kunst der Sammlung Viehof und der Albertina neu abgemischt und lädt in wahrhaft großzügiger Präsentation zu einer Augeweide in Ideen, Farben und Begegnungen mit dem Who´s Who zeitgenössischer Kunst ein: z. B. Sigmar Polke, Martin Kippenberger, Rosemarie Trockel oder Charline von Heyl. Auffällig sind die vorherrschenden Großformate, in Wien despektierlich „Pletschen“ genannt.

Aber genau das macht diese Kunst so beeindruckend. Den eindringlichen Blicken von Katharina Sieverding auf der eine ganze Wand bedeckenden „Die Sonne um Mitternacht“ kann man sich kaum entziehen. Wie Eis zersplittern Farben und Gestalten bei Corinne Wasmuht und ziehen die Betrachtenden in einen sanften psychedelischen Drogenrausch. Der könnte den beinahe erdrückenden Spaß erklären, in dem Jörg Immendorff in einem gigantischen Gemälde eine Horde Affen auf die Menschheit prasseln lässt. Daneben nehmen sich die vergeistigt konzeptuellen Arbeiten von Joseph Beuys beinahe bescheiden aus. Aber sie alle sind beredte Beweise für die einzelnen, teils individuellen Richtungen, die in den letzten Jahrzehnten eine Zuordnung zu bestimmten Schulen schier unmöglich machen. Offenbar hat sich die Kunst endgültig aus einem Kasten- bzw. Stildenken befreit, was wiederum ein Grund mehr ist, sich genüsslich mit deutscher, pardon, rheinländischer Kunst in Wien auseinanderzusetzen.

Jörg Immendorff, Wartebiene, 1991, 1992

Jörg Immendorff, Wartebiene, 1991-1992

Wandtext zur Ausstellung mit Werk von Karin Kneffelzur

Wandtext zur Ausstellung REMIX mit Werk von Karin Kneffel

Albertina Logo 350

Statistik