Ein weißes Bild mit weißen Streifen gut für einen ganzen Abend streitbarer Unterhaltung
Wer hat nicht die Kunstkenner schon heimlich beneidet, wenn sie vor einem Nichts in andächtige Betrachtung versinken. Was sehen sie, was ich nicht sehe? Diese Menschen haben offenbar Antennen, mit denen sie Signale aus einer Welt auffangen, die unsereins verschlossen ist. Dazu sind diese Herrschaften noch bereit, Unsummen dafür auszugeben, um so Sachen wie hässliche Kritzeleien, Stücke von Drähten bis zum signierten Mistsackerl zu sammeln, sich dafür feiern zu lassen und irgendwann, wenn zuhause zu wenig Platz ist oder sich der Ehegespons über den Haufen nutzloser unschöner Dinge mokiert, diese als großzügige Schenkung an ein einschlägiges Museum zu vermachen. Aber wie gesagt, was versteht unsereins schon von moderner Kunst, vom genialen Konzept, das ganz ohne Technik und Inhalt auskommt? Das 20. Jahrhundert hat uns mit diesen angeblichen Kunst-Äußerungen etwas beschert, dessen Verständnis sich auf einen kleinen Kreis Eingeweihter reduziert, hinter sich aber einen langen Schwanz von Möchtegern-Experten und Epigonen nachschleppt.
Die französische Schriftstellerin Yasmina Reza hat dieses Thema zum Aufhänger für die Komödie KUNST gemacht, sich dabei aber weniger um die Diskussion über die Bedeutung eines Werkes Gedanken gemacht, sondern die Freundschaft von drei Männern dargestellt, die an einem weißen Bild mit weißen Streifen, Kostenpunkt 200.000 €, recht ordentlich ins Trudeln kommt. Im Armen Theater im Ottakringer Bockkeller nennt der nervös zynische Marc (Jörg Stelling) diesen Ankauf seines kunstbegeisterten Freundes Serge (Aris Sas) unumwunden „Scheiße“. Yvan (Peter Kratochvil) ist das Sandwichkind dieser Auseinandersetzung, die voller Emotionen die Beziehung der drei Burschen bis in die letzte Falte des Bewusstseins aufblättert. Was ist ein Mensch seiner Zeit? Warum treffen wir uns überhaupt noch? Wieso leidet der eine unter Dekonstruktion? Und wie bringt der andere zwei Stiefmütter und eine leibliche Mutter gemeinsam auf die Hochzeitseinladung?
Alle diese Fragen nehmen sich im ersten Moment recht ernst aus. Wenn die drei Freunde jedoch loslegen, geführt von Regisseur Erhard Pauer, dann ist Unterhaltung garantiert. Man beginnt, natürlich nur bei sich und leise, mitzustreiten, ob dem polternden Marc tatsächlich die Kunst-Bildung fehlt, der smarte Serge wirklich alle die Farben sieht, die gar nicht da sind, und der konziliante Yvan sich die Ohrfeige, die er hinter der Szene abfängt, nicht doch verdient hat.