Kultur und Wein

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Die Geschichte vom Prinzen Genji (Detail) © Albertina Wien

Die Geschichte vom Prinzen Genji (Detail) © Albertina Wien

FASZINATION PAPIER Manifestation der DNA einer Sammlung

Birgit Knoechl OUT OF CONTROL... Albertina Wien, Foto: K&W

Birgit Knoechl OUT OF CONTROL... Albertina Wien, Foto: K&W

Ein sinnlich anregender Parcours durch die vielen Seiten eines Papierblattes

Die Erfindung des aus Pflanzenfasern hergestellten Papiers wird den Chinesen um 140. V. Chr. zugestanden. Dabei darf man nicht vergessen, dass lange vorher in Ägypten bereits auf Papyrus Totenbücher oder Handelsverträge geschrieben wurden. Wie auch immer, egal! Feststeht viel mehr, dass die Albertina 2026 auf 250 Jahre Bestehen zurückblicken kann. Für Generaldirektor Ralph Gleis lag es damit nahe, auf Papier zurückzugreifen. Immerhin zählt die Sammlung von Kunst auf Papier mit über einer Million Objekten weltweit zu den größten ihrer Art. Drei Kuratorinnen (Katharina Hövelmann, Elsy Lahner, Eva Michel) wurden mit der Gestaltung einer Ausstellung mit dem Titel „Faszination Papier. Rembrandt bis Kiefer“ (bis 22. März 2026) beauftragt. Das Ergebnis ist ein in seiner ansprechenden Fülle weit über papierene Wissensvermittlung hinausgehendes Erlebnis, das die überraschende Vielseitigkeit eines an sich unscheinbaren Materials im wahrsten Sinn des Wortes begreiflich macht.

Faszination Papier. Rembrandt bis Kiefer, Ausstellungsansicht

Faszination Papier. Rembrandt bis Kiefer, Ausstellungsansicht

Faszination Papier. Rembrandt bis Kiefer, Ausstellungsansicht

Faszination Papier. Rembrandt bis Kiefer, Ausstellungsansicht

Abgesehen davon, dass auf Papier gezeichnet oder gedruckt werden kann, hat die Kunst eine reiche Palette weiterer Bearbeitungsmöglichkeiten gefunden. Es wuchert hinaus in den Raum, wie bei Birgit Knoechl, die mit „Out of Control_Revisited – The Autonomy of Growth“ das Publikum nach dem Abstieg in die Basteihalle empfängt. Der gigantischen Installation gegenüber wollen zwei winzige „Schnitte“ wahrgenommen werden. Der eine öffnet „Das heilige Herz“ und wurde vor 1470 als Andachtsbildchen geschaffen, der andere leuchtet aus der Radierung „L´épée dans l´eau“ von Lucio Fontana aus 1962. Diese drei Werke leiten das Kapitel „Schnitt, Struktur, Entfaltung“ ein und beweisen die Zeitlosigkeit des Umgangs mit Papier. Hat man sich von den unglaublich feinen japanischen Scherenschnitten gelöst, folgt „Eindrücklich und einprägsam“. Spätmittelalterliche Schrotschnitte und jüngere Werke von Hans Bischoffshausen, Alena Kučerová, Sol Lewitt, Antoni Starczewski, Rebecca Salter oder Günther Uecker veranschaulichen die Techniken, mit denen Papier durch Abdruck von einer Metallplatte oder anderen Werkzeugen reliefartig geprägt wird.

Liddy Scheffknechts, Pop Up (Wohnzimmer), Albertina Wien, Foto: K&W

Liddy Scheffknechts, Pop Up Wohnzimmer, Albertina Wien, Foto: K&W

Johanna Calle, Perimetros (Ceiba), Albertina Wien, Foto: K&W

Johanna Calle, Perimetros (Ceiba), Albertina Wien, Foto: K&W

Mächtig dominierend fordert die von Albrecht Dürer und Albrecht Altdorfer gefertigte „Ehrenpforte“ unter dem Motto „Entfaltung im Raum“ den Nahblick auf deren unzählige Details. „Die Welt im Überblick“ zeigen frühe Versuche, die Erde als Kugel korrekt darzustellen (Johannes Stabius, Albrecht Dürer) oder mit Stadtansichten von Paris und Hallstatt aus der Vogelperspektive den Stolz der Bürger zu dokumentieren. Ähnlich funktioniert die Betrachtung in „Die Ferne ganz nah“. Wieder war es Dürer, der den nördlichen und südlichen Sternenhimmel für den Druck aufbereitet hat. In einem Verschlag wird dazu mit Lichtpunkten Klarheit geschaffen. Eher enttäuschend ist der Blick auf die von Kratern übersäte Oberfläche des Mondes, für den Wendelin Pressl einen seltsamen Apparat erfunden hat. Erst in der Zusammenschau offenbaren einzelne Elemente ihre Bedeutung in „Viele Teile – ein Ganzes“. Vergnügliches Augentäuschen, das vor allem im Manierismus beliebte Trompe-l´Œil, bietet „Anders, als es scheint“. Es erfordert ein listiges Herangehen an Werke von Victor Vasarely oder Burhan Doğançay und Toba Khedoori, um die raffiniert versteckten Inhalte zu entdecken. Schon der griechische Maler Apelles war überzeugt:

„Kein Tag ohne Linie“. Gefolgt sind ihm Martina Kresta mit aufwändigen Kreisen oder Claude Mellan mit dem aus einem einzigen Strich gezeichneten „Kopf eines Satyrs“. Für Rembrandt galt „Ich im Papier“, als er verschiedene Rollen mithilfe von kleinen Selbstporträts erforschte. Erste Versuche mit laufenden Bildern wurden auf „Papier in Bewegung“ gemacht, aber auch ein amüsantes Spottbild von Hans Rudolf Manuel Deutsch zur liturgischen Maskerade von Vertretern der Kirche. Quer durch die Basteihalle zieht sich ein 26 Meter langes entfaltetes Leporello. Dessen Farbholzschnitte zeigen die „Geschichte des Prinzen Genji“. Dagegen wächst Heimo Zobernigs „Gewächs“ aus Klopapierrollen als bizarre Skulptur in den Raum und Liddy Scheffknechts halb aufgeklapptes Pop Up Wohnzimmer behindert mit seiner Größe durchaus das Weitergehen. Thronend über allem schwebt „Terforation“ von Angela Glajcar, deren warme Farbe in einer Reihe von Blättern aus gefranstem Büttenpapier klarmacht, was mit „Entfaltung im Raum“ und überhaupt mit „Faszination Papier“ gemeint sein könnte.

Faszination Papier. Rembrandt bis Kiefer, Ausstellungsansicht

Faszination Papier. Rembrandt bis Kiefer, Ausstellungsansicht

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