Kultur und Weindas beschauliche MagazinAusstellungsansicht Jonathan Monk. Limited Company, Belvedere 21 Foto: Johannes Stoll / Belvedere, Wien JONATHAN MONK LTD COMPANY GmbH der konzeptuellen Aneignung
Ein Blatt Papier in Lachsrosa wird zum unabdingbaren Begleiter zwischen den Ideen des Engländers Jonathan Monk, der bis 21. September 2025 unter dem Motto „Limited Company“ im Belvedere 21 zu Gast ist. Denn auf den ersten Blick ist wenig vom Schaffen eines der „international bedeutendsten Vertreter konzeptueller Gegenwartskunst“ (© Belvedere 21, Kurator Axel Köhne) zu entdecken. Freilich sind einige Objekte nicht zu übersehen. Ein Lastenrad findet sich auf dem gedruckten Führer unter „A Stationary Metamorphosis Within a Geometric Figure (Cube)“, das von den Kuratoren immer wieder umgeparkt werden soll, wohl um seine Ladung, den im Titel angesprochenen Würfel, zu neuer Geltung zu bringen. Man versucht etwas hilflos den dazu vorbereiteten hochphilosophisch formulierten Text zu verstehen, um bei Marcel Duchamps und Readymade endlich in die Spur von JM zu kommen. Es handelt sich um eine der zahlreichen konzeptionellen Aneignungen, die das Wesen im Schaffen des Briten ausmachen.
Der Besuch der Ausstellung ist eher ein Prozess des Grübelns als die erwartete Kunstbegegnung. Treffender ist der Ausdruck „Bezugspunkte“, wenn man auf Positionen von On Kawara, Sol LeWitt, Louise Lawler oder Franz West stößt. Entlang eines 35 Meter langen Vorhangs, benannt „Exhibit Model Nine“, hat sich JM nicht uneitel ein Denkmal errichtet. Bedruckt sind die 22 Stoffbahnen mit Installationsansichten vergangener Ausstellungen in Berlin, Montreal, Tel Aviv, Kopenhagen und Wien. Verschämt präsentieren sich dagegen Arbeiten wie „Separated“ (zweigeteilte Fotos von Paaren, Flohmarktfunde, die JM dafür zerrissen hat) oder farbkräftige „Parrot Paintings“, denen Texte des US-amerikanischen Konzeptkünstlers John Baldessari zugrunde liegen. Was sonst noch alles an tieferem Sinn dahintersteckt, bitte dazu den Begleittext zu konsultieren.
Ausstellungsansicht "Hans Haacke. Retrospektive", Foto: Kunst-Dokumentation.com, Manuel Carreon Lopez / Belvedere, Wien HANS HAACKE Retrospektive für einen Mahnenden
Der 1936 in Köln geborene Hans Haacke lebt seit 1965 in New York und arbeitet dort nach wie vor mit großer Energie an der Umsetzung seiner künstlerischen Lebensaufgabe. Als Deutscher will und kann er sich bis heute nicht damit abfinden, zu welch wahnsinnigen Grausamkeiten Menschen dieses seines Volks während der Zeit des Nationalsozialismus fähig waren. Dafür hat er schon früh das Verhältnis von Kunst und Gesellschaft neu definiert. Haacke gilt als Gründer der politischen Konzeptkunst, die es ihm ermöglicht, in Form einer immer wieder wach gerufenen Erinnerung schmerzhafte Kritik anzubringen. Die eigentliche Initiation fand am 4. April 1968 statt, dem Tag als Martin Luther King Jr. in Memphis, Tennessee, ermordet wurde. 1969 entstand „Nachrichten“, eine Installation, die über Presseagenturen verbreitete Informationen in den Ausstellungsraum überträgt. Die Macht des Faktischen war mit Hans Haacke zum wesentlichen Teil der Gegenwartskunst geworden.
„Und ihr habt doch gesiegt“ ist ein Spruch, der 1988 in Graz für Aufregung gesorgt hatte. Es ging um das Gedenken „50 Jahre Anschluss an das Deutsche Reich“ in der „Stadt der Volkserhebung“. Hitler hatte diesen Ehrentitel Graz – wohl nicht ohne Grund – verliehen. Für die Feier wurde die Mariensäule mit einem Obelisken verhüllt. Er trug die Hoheitszeichen und die oben genannte Aufschrift, die sich wiederum auf den gescheiterten Naziputsch 1934 bezog. Gleichzeitig feierte 88 der „steirische herbst“ sein 20jähriges Jubiläum. Schwerpunkt war die Auseinandersetzung mit den Ereignissen 38. Der Platz um die Mariensäule sollte einer von 16 Bezugspunkten sein. Haacke baute den Obelisken detailgetreu nach, ergänzte den Text aber mit „Die Besiegten in der Steiermark“ und meinte damit Zigeuner (sic), Juden, getötete politische Gefangene, Zivilisten und gefallene Soldaten. In einem Text zum Katalog schrieb Haacke: „...50 Jahre danach hoffe ich, es gelingt uns, dafür zu sorgen, dass sich ihr Jubel als voreilig erweisen wird.“ In der Nacht zum 2. November des Gedenkjahres gelang ein Brandanschlag auf die an sich bewachte Installation, bei dem auch die darunter verborgene Madonna schweren Schaden erlitt. Hans Haacke, Geburts- und Wohnprofil von Galeriebesuchern, Teil 1 und 2, 1969–70, Installationsansicht Belvedere 21 Foto: Kunst-Dokumentation.com, Manuel Carreon Lopez / Belvedere, Wien Fotos zu diesem Werk und eine Broschüre sind ein unmittelbarer Bezug zu Österreich. Weit entspannter lassen sich Frühwerke von Hans Haacke bewundern, wie das „Blaue Segel“ (1964-1965), unzählige Fotos entlang der Wände oder der „Große Kondensationswürfel“ (1963-67), in denen Ansätze zu Minimal Art, der Op-Art oder der kinetischen Kunst zu entdecken sind. Eine Skulptur im Garten beweist den düsteren Humor von Haacke. Auf einem Sockel thront das Skelett eines stolzierenden Pferdes, allein es fehlt der Reiter. Ein Blick in die englische Geschichte fällt auf Wilhelm IV., dem ein Reiterstandbild am Trafalgar Square in London verwehrt geblieben ist. Der ihm posthum „Geschenkte Gaul“ (2014) trägt dazu eine Schleife, auf der je nach Standort die Daten der Börse als Tickerinformation für kunstaffine Broker angezeigt wird. Es passt alles zusammen, auch das „Denkmal für Strandverschmutzung“ (1970), das als C-Print zugegen ist, oder das Foto mit dem Trümmerfeld aufgebrochener Bodenplatten von „Germania“ (1993). Im deutschen Pavillon der Biennale di Venezia erinnerte es an die Italienreise Hitlers zu Mussolini nach seiner Machtergreifung 1933 und ist ein Beitrag mehr zum aufrüttelnden Wirken eines kompromisslos Mahnenden wie Hans Haacke. Statistik |