Kultur und Wein

das beschauliche Magazin


Schuldige Erinnerung an Hermann Leopoldi – eine Biographie

Endlich wieder einmal ein Wienerlied

Hersch Kohn war der ursprüngliche Name, zur Welt gekommen am 15. August 1888 in Gaudenzdorf, als ein Meidlinger Bua. Dieser seiner Herkunft setzte Hermann Leopoldi ein musikalisches Denkmal, mit dem Lied „Meidlinger Buam“, das 1948 entstand. Kurz zuvor war der Komponist und Sänger aus dem Exil zurückgekehrt und wollte damit offenbar seiner ungebrochenen Identität als Wiener Ausdruck verleihen – ganz so, als ob die heitere Muse die Jahre, die dazwischen gelegen waren, vergessen machen sollte: seine Inhaftierung 1938 als Jude, neun schreckliche Monate in den KZ Dachau und Buchenwald, eine lebensrettende Flucht und durchaus erfolgreiche Jahre als amerikanischer Staatsbürger.

r.o.: Karikatur von Hermann Leopoldi, der das Silberne Verdienstkreuz des Bundesstaats Österreich trägt

r.u.: Notencover des Liedes "I bin jetzt frei und Morg´n gehts los!

l.: Plattenlabel "I hab´ kein Geld. Du hast kein Geld. Er hat den Dalles!"


 

Aufgebaut ist der Text der Biographie auf Liedtitel. „Über die Menage“ (1917), „Wien, sterbende Märchenstadt“ (1922), „Buchenwälder Marsch“ (1938), „There Is a Little Cafe Down the Street“ (1939) oder „Sie trafen sich wieder in Wien an der Donau“ (1955), jedes dieser Lieder wirft ein Schlaglicht auf die Zeit und die Umstände seiner Entstehung, deutlicher und klarer als manches Geschichtsbuch. Akustisch zu erleben sind diese Titel-Lieder von und mit Hermann Leopoldi auf einer dem Buch beigelegten CD, versehen mit der Empfehlung der Autoren, den „Lesefluss regelmäßig zu unterbrechen und die Aufnahmen im unmittelbaren Zusammenhang der historischen Erzählung zu hören.“

Wie weit seine Lieder heute noch bekannt sind oder gehört werden, wird in diesem Zusammenhang uninteressant. Sie sind und bleiben ohnehin ein wertvoller Teil unseres kulturellen Erbes. Wesentlicher ist vielmehr das Leben von Hermann Leopoldi als Spiegel einer Zeit mit Höhen und Tiefen, die uns Heutigen unbegreiflich sind: Erster Weltkrieg, die 1920er, darauf folgend die Jahre des Austrofaschismus und der Zweite Weltkrieg mit den Schrecken der Naziherrschaft. Dass es trotzdem was zu lachen gab, verdankten die Menschen humorbegabten Zeitgenossen wie Hermann Leopoldi und deren Fähigkeit, ihnen bittere Wahrheiten auf heitere Weise nahezubringen – in manchen Fällen bis zum eigenen Untergang (Fritz Grünbaum).

 

Georg Traska und Christoph Lind sind die Autoren einer im Mandelbaum Verlag 2012 erschienen Biographie von Hermann Leopoldi. Ronald Leopoldi, der Sohn von Helly Möslein und Hermann Leopoldi, hatte den Nachlass seines Vaters der Wienbibliothek geschenkt und damit die Verwirklichung dieses Projektes, vor allem die Verwendung von Leopoldis eigenen Aussagen ermöglicht. Sie sind in diesem Buch die meist zitierte Quelle und machen damit diese Beschreibung zum authentischen, zutiefst persönlichen Lebenszeugnis eines Künstlers.

Georg Traska, Christoph Lind: HERMANN LEOPOLDI HERSCH KOHN, eine Biographie.

Mandelbaum Verlag 2012, ISBN 978-3-85476-383-3, Preis: 24,90.

 

Ungeschminkte Erinnerungen einer großen Schauspielerin


Lassen Sie mich in Ruhe

Man muss die Mangold als Lumpazivagabundus erlebt haben. Nur wenige Schauspieler haben sich dem nestroyischen Dämon derart so kompromisslos genähert wie sie. Mit heroischem Mut zur Hässlichkeit irrlichtert sie über die Bühne der Josefstadt, taucht da auf, flüstert dort ein, ist unberechenbar für gute Geister und schwache Menschen. In ihrer Gestalt wünscht und gönnt man ihrem bösen Geist den Triumpf. Allein er/sie darf ihn nicht genießen, da er ihm/ihr durch ein blödes, völlig unpassendes Happy End streitig gemacht wird.

Bilder aus dem Buch © AMALTHEA

mit Heinz Reincke (r.o.), Gustaf Gründgens (l.) u. Leopld Rudolf (r.u.).

In umwerfender Offenheit spricht sie über Probleme mit der eigenen Sexualität und über das Saufen, das sie offenbar gerade so gut beherrscht wie die Schauspielerei. „Die Anderen“ sind bekannte Namen von den Bühnen Theater und Politik und haben ihren Weg mehr als nur flüchtig gekreuzt. Die meisten von ihnen leben nicht mehr: Ehemann Heinz Reincke, Bruno Kreisky, Herbert von Karajan, Gustaf Gründgens, Helmut Qualtinger, und, und, und… Man darf sich von diesen Erinnerungen keine Skandale erwarten, genausowenig schönfärberische Anekdoten, sondern einfach nur Erinnerungen an Menschen, die sie nahm, als seien sie „nichts Besonderes“.

 

Mangold selber ist zwar noch immer der Meinung: Ich hätte dieses Buch nicht gebraucht. Wir sind wohl anderer Ansicht. Wenn Erni Mangold erzählt, dann lauscht man gespannt und verschwindet mit ihr wie der böse Geist hinter den Kulissen, um aus nächster Nähe zusehen zu können, wie menschlich die Traumwelt Theater funktioniert. Dazu kommen 80 bisher zum großen Teil unveröffentlichte Abbildungen und praktische Verzeichnisse der Rollen, Regiearbeiten und Auszeichnungen.

Die als Erna Goldmann am 26. Jänner 1927 geborene Schauspielerin ist nach wie vor ein Besuchermagnet, allerdings in ganz anderer Weise als in vielen Jahren davor. Sie war das „Sexerl“, eine Lebensrolle, die sie mehr als alles andere verabscheut hat, die ihr allerdings auf den Leib geschrieben war. Sie hatte lernen müssen damit zu leben – und mit der Zudringlichkeit der Männer, die nicht begreifen wollten, dass in dem aufregenden Körper mit dem aparten Gesicht kein williges Spielzeug ihrer erotischen Machtgelüste steckte.

 

Diesbezüglich spricht der Titel ihrer Lebenserinnerungen Bände: Lassen Sie mich in Ruhe, erschienen im AMALTHEA Verlag, aufgezeichnet von Doris Priesching. Darin erzählt Erni Mangold schonungslos, oder im Fall einer Mimin vielleicht besser, ungeschminkt über ihr Leben, ihre Gedanken und ihre Begegnungen. Sie nimmt dabei keine Rücksicht, weder auf die anderen, noch auf sich selber.


 

Erni Mangold: Lassen Sie mich in Ruhe. Erinnerungen. Aufgezeichnet von Doris Priesching, AMALTHEA Signum Verlag,

Wien 2011, 2. Auflage Nov. 2011,

ISBN 978-3-85002-766-3, Preis € 22,95.

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