Kultur und Wein

das beschauliche Magazin


Karoline Ganz und die Revuegirls Isabella Hiess, Kristina Zöchbauer, Lisa Perner © Rolf Bock

„Der Blaue Engel“ als „himmlische“ Erscheinung in den Tiefen der Seegrotte

Ingrid Hocke, Claudia Marold, Victor Kautsch, Alfons Noventa © Rolf Bock

Willkommen bei Champagner, Varieté und einer traurigen Liebegeschichte

Kein Geringerer als Peter Turrini hat den Stoff von Heinrich Manns Roman „Professor Unrat“ für die Bühne bearbeitet, damit vom allseits bekannten Film geschickt losgelöst und ihm dennoch nichts vom Zauber dieser Halbwelt genommen. Der Blaue Engel steht nach wie vor für die Welt der leichten und frivolen Unterhaltung. Herrscherin in diesem Reich ist die Diseuse Rosa Fröhlich, genannt Lola Lola. Hier gängelt sie mit freizügiger Aufmachung und erotischer Ausstrahlung die Herren, angefangen vom frühreifen Schulbub bis zu geldschweren Bonvivants, die Lust auf eine schnelles Abenteuer haben. Mit dem nicht mehr jungen und seiner Wissenschaft ergebenen Professor Immanuel Rath kann sie sich genauso wenig anfangen wie er sich mit ihr. Aber der Alte verliebt sich in die junge Lola und heiratet sie sogar – ein folgenschwerer Fehler für beide Seiten, aus dem sie aber wesentlich besser aussteigt als er, der an falsch verstandenem Eros zerbricht. Im Gegensatz zu ihm hat sie sehr schnell begriffen, dass das Vermögen eines Lehrers ihr Bedürfnis nach Luxus nicht im mindesten befriedigen kann.

Ingrid Hocke © Rolf Bock

Sie kehrt zurück in ihre Welt, die von Provisionen am Champagner-Umsatz und der Anzahl der zum Zahlen Verführten geprägt ist.

 

Andreas Berger, Prinzipal der bühne im berg, hat den Blauen Engel in die geheimnisvollen Tiefen der Seegrotte in Hinterbrühl verlegt (leider die letzte Produktion, also die Chance nützen!). Der Schauplatz übt zweifellos ungemeine Faszination auf das Publikum aus, das demütig gebückt einen langen niedrigen Stollen zurückgelegt hat, bis es den tief unter dem Berg liegenden Festsaal betritt.

Matti Melchinger, Rafael Witak, Alfons Noventa © Rolf Bock

Die Illusion ist perfekt. Der Raum wurde vom Intendanten persönlich ganz auf Varieté gestaltet, bis zu den Tischen mit Sekt von Szigeti, von denen aus erlesene Ehrengäste Schlager wie „Ich bin von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt“ oder „Ich bin die fesche Lola“ beklatschen können. Für die entsprechende musikalische Begleitung sorgen Christine Aichberger (Klavier), Alwin Miller (Klarinette) und Angelika Schwerer (Schlagzeug). Nichts ist verstärkt, dieser Raum braucht keine Mikrofone.

Genauso muss es sich damals abgespielt haben, wenn in den 1930er-Jahren tanzende und singende Mädchen in kurzen Glitzerkleidchen die Stimmung angeheizt haben – was bei 12° Raumtemperatur als besondere Leistung von Isabella Hiess, Kristina Zöchbauer und Lisa Berner nicht genug gewürdigt werden kann.

Karolina Gans © Rolf Bock

Dass der verschrobene Griechischprofessor überhaupt auf die Idee zu einem Besuch dieser moralisch verrufenen Lokalität kommt, ist die Schuld seiner von unkontrollierten Hormonausstößen getriebenen Schüler Lohmann (großartig als frecher Rotzlöffel: Matti Melchinger) und dessen Adlatus von Ertzum (Rafael Witak). Diese zwei haben´s begriffen, was im Blauen Engel abgeht. Offensichtlich ist auch Klassenprimus Angst kein Verächter solcher Etablissements, was die rote Nase im Gesicht von Karoline Gans verrät. Im Blauen Engel wirbelt sie als Clown mit Herrn Kiepert, dem Chef der Truppe (Victor Kautsch als souveräner Showmaster ohne einen Anflug von Gewissen) über das Parkett und zeigt in kurzen Gesangseinlagen bemerkenswerte Stimme. Als Ehefrau von Kiepert, quasi als Chefin, hat Claudia Marold ihre liebe Not mit einem seine Revuegirls ungeniert begrabschenden Gatten. Manfred Sarközi gibt sowohl den Wirten als auch einen aufdringlichen, besoffenen Kapitän, der von Professor Rath aus der Garderobe Lolas geworfen wird.

Für die Regie zeichnet Tristan Jorde verantwortlich, für die sorgfältig der Zeit angepassten Kostüme Babsi Langbein  und für die Choreografie Dominique Lösch.

 

Bleiben noch die beiden Hauptfiguren. Ingrid Hocke gibt mit rauchiger Stimme ihrer Lola Lola den entsprechenden Sexappeal.

Sie schafft sogar glaubwürdig den Spagat, über einen Heiratsantrag des alten Professors erfreut zu sein. Ihr gegenüber steht Alfons Noventa als Immanuel Rath, genannt Unrat. Man will dem würdigen Herrn zurufen, dass er doch die Finger von der leichtlebigen Diseuse lassen soll. Aus dem aufrechten Gymnasiallehrer wird zuletzt ein armseliger Clown, ein von allen verachtetes Anhängsel von Rosa Fröhlich, das nicht begreifen will, dass für ihn und einer Lola Lola die Liebe zwei grundsätzlich verschiedene Dinge bedeuten.

Der Blaue Engel Ensemble © Rolf Bock
Blauer Engel Plakat 600

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