FAMILIY MATTERS oder auf guat Weanarisch Famüliengschichtn
Kunst als Begleiterin von Mutter, Vater, Kind auf dem Weg durch die Jahrhunderte
Die Thernberger Madonna um 1320 steht vor „Down with Paradigm!“ aus 2019, das die Künstlerin Iris Andraschek im Auftrag des Dommuseum für die Ausstellung „Family Matters“ (bis 30. August 2020) als Wandinstallation geschaffen hat. Ihnen gegenüber hält eine alte Frau ein Neugeborenes an der Brust. Sie hat die Augen geschlossen, ihre Aufmerksamkeit scheint ganz auf das kleine menschliche Wesen in ihren Händen gerichtet. Ist sie die Großmutter oder eine durch die medizinischen Möglichkeiten zu spätem Mutterglück gelangte Greisin? Ihr Schöpfer, der Australier Sam Jinks, verrät nicht, wie es zu dieser berührenden, im Hyperrealismus ausgeführten Situation gekommen ist. Man könnte die drei Werke so wie es Johanna Schwanberg, Kuratorin und Direktorin des Dommuseums, getan hat, unter „Beziehungen und Emotionen“ zusammenfassen. Sie spannen darüber hinaus auch einen Bogen erstens über die Zeiten und zweitens über die Generationen.
Als Besucher gelangt man zu dieser Überzeugung, wenn man den künstlerischen Kommentaren gegenübersteht, die sich über die Jahrhunderte damit auseinandergesetzt haben. Es geht nicht um ein bestimmtes Modell oder um eines der jeweiligen Mode angepasstes Erscheinungsbild dieser intimen Form menschlichen Zusammenlebens, so wie es auch die unterschiedlichsten Medien sind, die für diese Darstellung angewendet werden, angefangen vom Tafelbild in Öl über verfremdete und dadurch mit neuen Inhalten aufgeladene Fotos bis zur Grafik und Plastik, die sich je nach Entstehungszeit in Stil und Technik grundlegend unterscheiden.
Es sind, wie schon angedeutet, Themenkreise, die Ordnung in die Fülle der Kunst und Gedanken bringen. Es beginnt nach der Einladung zu einem fröhlichen Sonntagsspaziergang von Carl Spitzweg mit „Gesellschaft und Wandel“. Dazu zählt das Familienporträt, das hier mit einem Vintageprint auf Karton von August Sander (1876-1963) vertreten ist. Der Vater als Oberhaupt sitzt neben der Mutter, die ihre Zärtlichkeit dem jüngsten Sohn zuwendet. Um sie herum wurden die älteren und jüngeren Geschwister vom Fotografen gruppiert. Subtilen Humor verschweigt die Gruppe aus der kaiserlichen Porzellanmanufaktur, mit der Anton Grassi Erzherzog Leopold mit Familie dargestellt hat. Das traute Beisammensein verschweigt, dass zum ganz normalen Haushalt dieses rührigen Habsburgers auch dessen Geliebte gehörte.
Angeblich hat sie sich mit seiner Frau ausgezeichnet verstanden und war selbstverständlicher Teil der Familie. Diese pikante Enthüllung hätte eher ihren passenden Platz in „Privater und öffentlicher Raum“ gefunden. Wieder darf geschmunzelt werden, wenn sich der Biedermeiermaler Josef Franz Danhauser in Selbstironie übt. Er genießt vorne im Halbdunkel seinen Mittagsschlaf, während seine zwei Kinder emsig an der Vollendung eines Bildes auf der Staffelei arbeiten. Als Kontrapunkt dazu hat Judith Samen eine etwas genervte Mutter, eine typische Alleinerzieherin, fotografiert.
Mit einer Hand attackiert sie einen Brotwecken, während sie im anderen Arm ihr nacktes Baby hält: und zwar arschlings nach vorn. Den Abschluss bilden „Erinnerungen und Träume“, die in dem Gemälde „Vater“ von Neo Rauch ergreifend Bild geworden sind. Kurz nach seiner Geburt verloren seine Eltern bei einem Zugunglück ihr Leben. Nun hält er seinen Vater wie einen Säugling in den Armen und wird damit zu einer Art Pietà, als die er eine nie gelebte Familie in seiner Kunst wieder lebendig macht.