Kultur und Wein

das beschauliche Magazin


Manfred Erjautz, Blindflug / Blind Flight, 2021, © Bildrecht, Wien 2023, Foto: Reiner Riedler

Manfred Erjautz, Blindflug / Blind Flight, 2021 © Bildrecht, Wien 2023, Foto: Reiner Riedler

STERBLICH SEIN Kunst als zeitloses Memento mori

Giovanni Giuliani, Weinende Maria, Heiligenkreuz

Giovanni Giuliani, Weinende Maria, Heiligenkreuz

Eine Ausstellung mit verschiedensten Zugängen zum letztlich Unvermeidlichen

In der Vergangenheit war der Tod männlich. Zumindest hat man den Eindruck, wenn man die Namen der Künstler anschaut, die über die Zeiten herauf bis an den Rand der Gegenwart ihre Kreativität dem Lebensende gewidmet haben. Einer der ältesten in dieser Runde ist Jan Brueghel d. J., dessen „Triumph des Todes“ in der aktuellen Ausstellung des Dom Museums Wien zu sehen ist. Der jüngste unter ihnen ist Alfred Kubin, ein wahrer Intimus des Schrecklichen, aufgeschlüsselt in Sterblichkeit, Pest und Krieg. Der 1959 verstorbene Zeichner stand an der Schnittstelle zur österreichischen Moderne, die sich in der Galerie nächst St. Stephan um den kunstsinnigen Monsignore Otto Mauer scharte. Der eifrig sammelnde Kirchenmann erkannte bald, dass in punkto letzte Dinge Frauen, wenngleich Bringerinnen des Lebens, die gleiche, wenn nicht die tiefere Kompetenz haben. Ausgehend von den 1950er-Jahren war es also auch eine Reihe von Künstlerinnen, die sich mit der Darstellung der Sterblichkeit auseinandersetzten.

Vorne: Sam Jinks, Still Life (Pieta), hinten: Lena Ilay Schwingshandl, Sterbebild Oma

Vorne: Sam Jinks, Still Life (Pieta), hinten: Lena Ilay Schwingshandl, Sterbebild Oma (Audioinstallation)

Sterblich sein, Ausstellungsansicht

Sterblich sein, Ausstellungsansicht

In diesem Sinn werden die Besucher bereits im Stiegenhaus von der Rauminstallation „stiller Abtrag“ der Deutschen Sybille Loew empfangen. 200 Stoffschilder, auf denen Namen, Sterbedatum und Lebensalter von Menschen zu lesen ist, die anno 2022 in Wien einsam und ohne Angehörige beigesetzt wurden, stimmen auf das Kommende ein. Schön ist der Gedanke, der hinter dieser poetischen Arbeit steht: So lange sich jemand an dich erinnert, existierst du noch. Kuratiert wurde „Sterblich sein“ (bis 25. August 2024) von Johanna Schwanberg persönlich. Mit Werken von Margret Bilger und Maria Lassnig oder Pionierinnen der feministischen Avantgarde wie Renate Bertlmann, Francesca Woodman oder ORLAN geht es zu Arbeiten von Eva Schlegel, Maria Bußmann oder Tina Ruisinger bis zu den „Jungen“ Olia Federova oder Lena Ilay Schwingshandl.

Freilich kommen in diesem Endspiel auch die Herren zu Wort. So lässt Manfred Erjautz eine an die Totentänze erinnernde Skulptur in Gestalt eines Skeletts im „Blindflug“ Richtung graphisches Kabinett sausen. Die Pieta „Still Life“ des Australiers Sam Jinks irritiert durch extremen Realismus einer nackten alten Frau auf den Knien ihres Enkels. Günter Brus hingegen gesteht mit „Junger Tod“ dem Beschließer des Lebens sogar eine gewisse Freundlichkeit zu, die einlädt, sich mit ihm ohne Panik einzulassen; passend als Plakatsujet der Ausstellung, die in fünf den Aspekten „Mitten im Leben“, „Dagegen anzeichnen“, „Gewalt des Todes“, „Berührung und Schmerz“ und der entscheidenden Frage „Was bleibt“ zur Besinnung auffordert. Zur Vertiefung gibt es übrigens ein Buch in Deutsch und Englisch mit Beiträgen von Johanna Schwanberg, Klaus Speidel und Thomas Macho.

Ameh Egwuh, Life after Life 6, 2021, © Ameh Egwuh and Rele Gallery, Foto: L. Deinhardstein

Ameh Egwuh, Life after Life 6, 2021, © Ameh Egwuh and Rele Gallery, Foto: L. Deinhardstein

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