Kultur und Wein

das beschauliche Magazin


 

Erinnerungen an eine (fast) vergangene Welt

Von A wie Achtung bis Z wie Zucker:

das Brünnerstraßler ABC

Brünnerstraßler ABC Cover

Weinfreunden, die den Wein nur mehr nach Winzer, Lage, Jahrgang und Preis wertzuschätzen wissen, wird der Ausdruck „Brünnerstraßler“ nichts mehr sagen. In Wien, das bekanntlich selbst als Weinort gilt, wurde einst damit eher abfällig das Produkt der Weinbauern jenseits der nördlichen Stadtgrenze bezeichnet; gewachsen in den Weingärten rechts und links der alten Kaiserstraße, die die Reichshauptstadt mit Mähren und eben mit Brünn verband. Mit urbaner Überheblichkeit blickte man vom Nussberg über die Donau hinüber auf die Kellergassen, in deren finsteren, feuchten Röhren der Wein gekeltert und oft gleich an Ort und Stelle getrunken wurde. Vom Haustrunk gar nicht zu reden! Ein Getränk, das für einen Heurigengeher der feinen Gesellschaft undenkbar gewesen wäre. Das Wort „Brünnerstraßler“ war somit die Summe der Verachtung, die man dem Weinviertel entgegenbrachte.

 

Die Zeiten haben sich grundlegend gewandelt. All das Bodenständige, Einfache und Urtümliche ist wieder aktuell.

Allerdings gibt es nicht mehr allzu viel davon in seiner originalen Qualität und man muss aufmerksam suchen, um es noch zu finden. Die Kellergassen sind zum schützenwert romantischen Kulturgut geworden, um sie dennoch mehr und mehr verfallen zu lassen. Der Wein ist ein DAC und damit sortenrein, ganz im Unterschied zum gemischten Satz namens Brünnerstraßler. Aus einigen Weinbauern sind namhafte Winzer geworden, die anderen haben diesen ihre paar Weinstöcke längst verpachtet.

 

Die Welt des Brünnerstraßlers scheint also in der Geschichte spurlos verschwunden zu sein, wäre da nicht Thomas Hofmann, ein Weinviertler aus Leidenschaft. Er kann sich Gottlob noch an alte Zeiten erinnern (Hofmann ist Jahrgang 1964) und sein Wissen formulieren. In einem schlanken Büchlein buchstabiert er in launiger Weise das Weinviertel und stellt fein alphabetisch gegliedert Besonderheiten dieses niederösterreichischen Landesteiles vor. So stellt er unter H kühn die These auf, dass es ohne Haustrunk keine Weinviertler gäbe. In kurzen Worten erklärt er das Phänomen Haustrunk, um in einem Nachsatz resignierend hinzuzufügen: Wie die heutigen Weinviertler ohne Haustrunk leben, weiß ich nicht. Der Buchstabe K ist natürlich der Keller, laut Hofmann die Heimat und der Mutterschoß des Brünnerstraßlers. Vorbehalten war K dem M wie Mauna, die legendären „Köllamauna“, die es, so Hofmann, ebenfalls kaum mehr gibt. Daher sein flammender Appell: Trinkt Brünnerstraßler! Rettet die „Köllamauna“!

 

Vom Künstler Franz Schwarzinger stammen die Illustrationen zu dieser, wie es im Untertitel heißt, genussvollen Kulturgeschichte des Weinviertler Weins. Erschienen ist das Brünnerstraßler ABC im Driesch Verlag 2013.

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