Kultur und Weindas beschauliche MagazinFelicitas Lukas, Barbara Edinger, Sabine Muhar © Philipp Hutter MEINE MÜTTER, die unterschiedlicher nicht sein könnten
Johanna ist 22 Jahre alt. Sie wurde unmittelbar nach der Geburt von der Mutter getrennt und von Vera und deren mittlerweile Exmann aufgezogen. Die junge Frau hat von ihren Adoptiveltern alle Liebe dieser Welt bekommen, vor allem auch das Gefühl enormer Sicherheit. Obwohl ihre Matura schon einige Jahre zurück liegt, ist das bequeme Hotel Mama mit gratis Vollpension noch immer aktuell. Ein Brief, der vom Jugendamt weitergeleitet wurde, kommt von Charlotte, der leiblichen Mutter, die um ein Treffen ersucht. Dem wird stattgegeben. Es kommt wie erwartet zu Reibungen, als die erfolgreiche Influencerin einer hausbackenen Versicherungsverkäuferin gegenübersteht und ein Gerangel um die Tochter ausgelöst wird. Johanna steht unschlüssig zwischen den Verlockungen einer flotten, lockeren Lebensweise und dem biederen, von sexuellen Hemmungen dominierten Dasein auf Seiten derjenigen, die sie großgezogen hat. Die deutsche Autorin Katrin Wiegand hat diesen Zwiespalt in „Meine Mütter“ aufgearbeitet und zu einer überraschenden, wenn auch etwas unwahrscheinlichen Pointe hingeschrieben.
Die Freie Bühne Wieden feiert mit diesem Theaterstück mittlerweile beachtliche Erfolge. Die Regie wurde von Prinzipalin Michaela Ehrenstein übernommen, der Stefanie Gutmann als die gute Seele des Hauses im Dunkel kurzer Unterbrechungen die Bühne für die nächste Szene arrangiert. Die bürgerliche Wohnung mit Küche und dagegen die trendige Bleibe mit Designsofa auf der anderen Seite hat Siegbert Zivny geschickt eingerichtet. Darin schmausen, trinken und diskutieren Sabine Muhar als Vera und Felicitas Lukas als Charlotte über Freuden und Ängste des Mutterseins und lassen dabei Johanna (Barbara Edinger) nur selten zu Wort kommen, obgleich sie die eigentliche Hauptperson dieses Dramas wäre. Ob sie sich aus dieser beidseitigen Klammer irgendwann befreien kann? In ihrer ganzen Breite und Tiefe verstehen kann diese Angelegenheit nur eine Frau, da sie ein Kind austragen kann. Männer kommen erst ins Spiel, wenn es um die Bindungen geht, die durch eine natürliche Elternschaft oder durch eine Adoption entstehen. In diesem Fall sind die Herren jedoch zum Dasein eines Zuschauers degradiert, der lediglich über eigene Erfahrungen als möglicher Vater reflektieren darf. Achtsam morden, Ensemble © Robert Peres ACHTSAM MORDEN ohne Stress und mit zufriedenem Lächeln
Karsten Dusse ist Rechtsanwalt und gleichzeitig in Deutschland ein vielbeschäftigter Medienstar. Was an sich schwer vereinbar ist, trockenes Paragraphenreiten und kreativ intelligente Unterhaltung, haben sich in seiner Person zu einem ungemein ergiebigen Quell zusammengetan, aus dem für sein Publikum eine Fülle an juristisch gesichertem Spaß strömt. Es wäre gewiss übertrieben, wenn man den von ihm erfundenen Kollegen Björn Diemel als eine Art Alter Ego Dusses bezeichnete. Dass dieser arme Hund von Rechtsanwalt als Knecht der Kanzlei Dresen ausgerechnet die dreckigsten Fälle zugewiesen bekommt, mag dennoch auf eine im Unterbewusstsein des Autors tief vergrabene Frustration verweisen, denn in der Komödie „Achtsam morden“ werden alle diese subtilen Rachegedanken erfüllt, denen in einem realen Berufsleben Schranken aller Art gesetzt sein mögen. Sein Björn Diemel verfügt nicht nur über genügend kriminelle Intelligenz, um zwei Verbrechersyndikate zu zerbröseln, er hat auch das bürgerliche Herz eines liebenden Ehemannes und Vaters. Dass es dazu einen Anstoß von außen braucht, ist keine Schande. In seinem Fall ist es eine Psychotherapeutin, die ihn Achtsamkeit lehrt, die ihn einen neuen, entspannten Zugang zu dem vom Schicksal aufgezwungenen Leben finden lässt.
Bernd Schmidt hat diese Idee von Karsten Dusse für die Bühne umgesetzt, als eine atemberaubende Abfolge einzelner Szenen, die organisch ineinander gehen, erfrischende Gags und kurze Ausstiege aus der Handlung erlauben, ohne die Spannung zu unterbrechen. Nachdem das Stück, so das Programmheft, in Deutschland bereits Kult ist, war es höchst an der Zeit, diesen mörderischen Spaß nach Wien zu bringen. Ort der begeistert aufgenommenen österreichischen Uraufführung war die dafür prädestinierte Freie Bühne Wieden. Nici Neiss schaffte es, mit erstaunlich geringem Aufwand große Wirkung zu erzielen. Der Regisseurin genügten Toneinspielungen und Projektionen (Stefanie Gutmann), dazu Kostüme, die mit wenigen Handgriffen stets neue Personen erschaffen, und ein Ensemble, das imstande ist, virtuos in eine Reihe von Rollen und Charakteren zu wechseln. Prinzipalin Michaela Ehrenstein ist die esoterisch durchs Geschehen schwebende Dr. Johanna Breitner (Therapeutin) und wird mittels Leopardenjacke zur Puffmutter Carla.
Sujet Chaplin 1939 © Freie Bühne Wieden CHAPLIN, 1939 Die Entstehung eines großen Diktators Da hat doch glatt ein gewisser Adolf Hitler, großer Führer der Deutschen, dem kleinen Tramp den Schnurrbart gestohlen. So etwas wurmt den Erfinder dieses quirligen kleinen Mannes, der die Großen und Starken regelmäßig blöd aussehen lässt. Charly Chaplin will sich dafür rächen und hat eine grandiose Idee. Er schafft einen Doppelgänger und will in einem neuen Film den Tramp auf den Führer prallen lassen. Noch während der ersten Geburtsschmerzen besucht ihn sein Bruder Sydney Chaplin. Der ist mehr als skeptisch, ob ein solches Thema überhaupt lustig im Sinne von Chaplin aufzubereiten ist. Als er jedoch Streifen mit perfekter Nazi-Propaganda sieht und Hitler bei dessen bis ins Detail durch inszenierten Reden lauscht, findet er die Lösung, wie die Grenze zwischen Stummfilm und Tonfilm originell überwunden werden könnte und ein Darsteller beide Figuren mit einer Stimme spielen kann. Nach und nach nehmen die zentralen Szenen Gestalt an. Mitten ins schönste Träumen platzt jedoch Paulette Goddard, die Gattin Chaplins. Statt sich wortlos hinzusetzen, um den Meister in seiner kreativen Phase nicht zu stören, behauptet sie ihr Recht als Frau, die möglicherweise ein Casting für sich entschieden hat. Sie soll bei ihrem Mann die Rolle der Hannah übernehmen, was sie auch tut, wenn auch unter Protest. Robert Ritter, Alexander Wussow © FBW / Philipp Hutter Der Franzose Cliff Paillé hat die Zeit, in der „Der große Diktator“ in Charly Chaplin gereift ist, zu einem gedankenvollen Theaterstück komprimiert. Er öffnet darin überraschende Blickachsen in das Leben und die Seele des damals schon berühmten Künstlers. Chaplin ist im Grunde noch der Tramp, der Gassenjunge, dessen Mutter verrückt wurde und die beiden Buben auf sich gestellt hatte. Es geht auch um die Liebesfähigkeit eines solchen Mannes. Er wird von seinen Fans und den Frauen verehrt.
Statistik |