Kultur und Wein

das beschauliche Magazin


Aus dem Buch: Abb. 57, Visualisierung einer Schenkung

Aus dem besprochenen Buch: Abb. 57, Visualisierung einer Schenkung

STRASSE UND HANDEL Auf uralten Wegen durchs Weinviertel

Abb. 44: Rekonstruktion eines heidnischen Schreines in Pohansko

Abb. 44: Rekonstruktion eines heidnischen Schreines in Pohansko

Von der frühen Erschließung eines Grenzraums durch Krieger, Siedler und Händler

Dr. Wolfgang Galler ist Historiker. Sein Fachgebiet ist die unmittelbare Umgebung seiner Heimat, eben das Weinviertel. Durch dessen Lage zwischen einem eher unwirtlichen Waldgebiet im Westen, im Norden und Osten schützend begrenzt von Thaya und March und im Süden von der Donau hat es seit der Steinzeit Menschen angezogen, um sich in der von sanften Hügeln geprägten, fruchtbaren Gegend anzusiedeln. Es war gleichzeitig aber auch Durchzugsgebiet von ganzen Völkerschaften und lud Heerscharen aus Ost und West zum kriegerischen Aufmarsch ein. In seiner Dissertation (betreut vom ao. Univ. Prof. Univ. Doz. Dr. Anton Scharer) ist Galler schon vor Jahren den Altstraßen, die das Weinviertel in alle Richtungen durchziehen, und der später angelegten Brünnerstraße nachgegangen. Es wäre schade darum gewesen, wären diese durchwegs spannenden Erkenntnisse im Archiv des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung an der Universität Wien verborgen geblieben. Dank der Wolkersdorfer Buchhandlung Bookseller Sterzinger (sie hat den Vertrieb übernommen) und finanzieller Unterstützung der Verkehrsbetriebe Gschwindl konnte nun auf Basis dieser Doktorarbeit ein Buch an die Öffentlichkeit gebracht werden. Was gibt es Interessanteres, als in die Vergangenheit einzutauchen, begleitet von einem kundigen Führer, der mit wissenschaftlicher Akribie in Archiven, Publikationen und vor Ort die Spuren unserer Altvorderen verfolgt, in verständlicher Sprache aufgearbeitet und mit reichem Bildmaterial versehen hat?!

Dr. Anton Scharer, Dr. Wolfgang Galler

Dr. Anton Scharer, Dr. Wolfgang Galler

Abb. 38: Die Margarethenkirche von Kopčany (9. Jh.)

Abb. 38: Die Margarethenkirche von Kopčany (9. Jh.)

Wolfgang Galler hat sich unter dem Titel „Straße und Handel – Siedlung und Herrschaft“ auf den Grenzraum zwischen Niederösterreichs, Mährens und der Slowakei von der Mitte des 2. Jh. n. Chr. bis zur Mitte des 11. Jh. konzentriert. Bevor die Hänge mit Weinstöcken und Feldern bewirtschaftet waren, waren bereits römische Legionäre jenseits des Limes unterwegs. Sichere Orientierung im Barbarenland bot ihnen die Bernsteinstraße, die von der Ostsee bis Rom auch ein Stück entlang der March verlief. Eine zweite Transitroute ist der heute so genannte Klippenzug über den Oberleiser Berg, auf dem Archäologen emsig an der Erforschung einer römischen Villa für einen „Tribunus gentis Markomannorum“ graben. Erwähnt wird dabei eine „Königin“ Fritigil, die mit dem römischen Kulturgut auch das Christentum übernommen haben soll. Im 5. Jahrhundert tauchten die Hunnen auf, die auf schnellen Pferden, bewaffnet mit Reflexbögen, ihre Gegner überrannten. Sie waren Teil der Völkerwanderung, die bis ins frühe Mittelalter eine rasche Ablösung der verschiedenen Herrschaften und Bewohner dieser Region nach sich zog. Es fällt der Name Odoaker, der an der Donau entlang unterwegs war, um sich später in Italien als letzter mit einem römischen Heer eine Schlacht zu liefern. Nach ihm kamen die Awaren und schließlich die Franken mit ihren Panzerreitern. An den Beigaben in Gräbern lassen sich die Angehörigen der jeweiligen „gentes“ unterscheiden. Die Lage der einzelnen Bestattungen gibt wieder Aufschluss, welche „Straßen“ benützt wurden. So wurde in Drasenhofen an der Alten Nikolsburger Straße im 19. Jahrhundert ein reich ausgestattetes Reitergrab entdeckt, das vermutlich den Leichnam eines Awaren barg.

Abb. 14: Die Schlacht im Quadenland von Marc Aurel

Abb. 14: Die Schlacht im Quadenland von Marc Aurel

Auf der Ungarnstraße, sie führte von Korneuburg nach Osten bis zu einer Furt in der March, zogen nicht nur Soldaten, es wurde auch Salz transportiert und so eines der wertvollsten Güter dieser Tage zu den Menschen dieser Region gebracht. Ihr entlang tauchen bereits slawische Ortsnamen auf, die mit dem Mährischen Reich einem einigermaßen soliden Herrschaftsraum angehörten. Missionare und in deren Gefolge Bischöfe kamen aus Bayern, aber als Vorgänger von Cyrill und Method genauso aus Aquileia, einem Brückenkopf Ostroms. Die Ungarn bedeuteten wieder das Ende der mährischen Vormacht. Die Magyaren erschütterten sogar die Hegemonie des fränkischen Reiches und konnten erst auf dem Lechfeld bei Augsburg entscheidend geschlagen und hinter Leitha und March zurück gedrängt werden. Es begann nun die Zeit der Schenkungen, in deren Urkunden immer wieder von Hufen die Rede ist. An dieser Stelle ist zu lesen, dass deren Größe relativ war, wenngleich ein Historiker 100 Königshufen mit exakt 47,9 km² angegeben hat. 1180 erfolgt die erste Nennung des Weinbaus in der ungarischen Mark. Wolfgang Galler betont, dass „Weinbau in gewisser Weise eine Zurschaustellung von Macht – in diesem Fall einer neu gewonnen – bedeutete.“ Wein war ein Prestigegut und hatte in der kirchlichen Liturgie große Bedeutung, was nicht zuletzt nach dem Ende der Völkerwanderung zum heutigen Namen dieser straßenreichen Gegend führte, eben dem Weinviertel.

 

Erhältlich ist „Straße und Handel – Siedlung und Herrschaft“, von Dr. Wolfgang Galler im Buchhandel mit der ISBN 978-3-902787-51-4 zum Preis € 44,-

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