Kultur und Wein

das beschauliche Magazin


Weinlandschaft im Elsass - Illustration aus dem besprochenen Buch

Der große WEINATLAS: Landkarten schaffen Orientierung im Weinwissen

Der große WEINATLAS Cover

Eine anschaulich geführte Reise durch die Welt des Weins

Es gibt mehrere Arten von Weinfreunden. Die einen haben längst ihre Rebsorte, manche sogar ihren persönlichen Winzer für sich entdeckt und sind kaum bereit, sich auf eine Neuigkeit im Glas einzulassen. Andere wieder kennen vom Hörensagen Mythen von großen Gewächsen und orientieren sich an bekannten Namen und am Preis der für das abendliche Trinkvergnügen angepeilten Flasche, um sich nicht selten über die Kluft zwischen ausgegebenem Geld und der gebotenen Qualität zu wundern. Ein Teil der wackeren Genießer ist mit Abenteuerlust und Neugier zwischen den Weinregalen unterwegs, um seltene Traubensorten und ausgefallene Rieden in fremden Ländern zu entdecken.

Nach dem ersten Kostschluck wird er festzustellen, dass sich ein gängiger Merlot lediglich darin vom zumeist unbekannten Tazzelenghe unterscheidet, dass der eine sanft die Gurgel hinabrinnt, während der andere seinem Namen gerecht wird und die Zunge zerschneidet. Zuletzt gibt es noch die eher anspruchslosen Trinker, die beharrlich darauf pochen, dass es nur zwei Klassen des Weines gibt, weiß und rot. Kategorisch lehnen sie eine Erweiterung ihres diesbezüglichen Wissensstandes ab. Für die letzte dieser Gruppen ist „Der große Weinatlas“ im Hallwag Verlag nicht erschienen. Für alle anderen wird dieses von High Johnson & Jancis Robinson verfasste Buch allerdings eine enorme Bereicherung ihres Genussspektrums darstellen. Mit dem Schreiben über den Wein hat Johnson bereits in den 1960er-Jahren begonnen, um 1971 „The World Atlas of Wine“ erstmals auf den Markt zu bringen. Im Vorwort darf er sich nun glücklich schätzen, dass das von ihm so erfolgreich begonnene Werk von der britischen Weinspezialistin Jancis Robinson übernommen und in der achten Auflage nun auch in Deutsch herausgegeben wurde.

Nach einer „kurzen Geschichte des Weins“ wird unter „Was ist Wein?“ eine Definition dieser Flüssigkeit, der offenbar magische Kräfte innewohnen, versucht. Dass Weintrauben auch als Rosinen verzehrt werden, tut dem Mysterium der Rebe keinen Abbruch, denn, so steht hier geschrieben, die Hälfte der Welternte hat ein edleres Schicksal. Nach der Übersicht über die wichtigsten Rebsorten geht es hinaus in den Weingarten, wo „Temperatur und Sonne“ eine entscheidende Rolle spielen. Trotz aller Unkenrufe über gepantschtem Wein ist auch Wasser nicht unbedeutend, denn ohne Regen geraten Weinstöcke in einen veritablen Stress. Auch der „Klimawandel“ zeitigt Veränderungen im Weinbau, wobei durch die stetige Erwärmung der Erde Trauben an Orten reifen, wo Weinranken bisher bestenfalls als Dekoration der Veranda dienten. Nach „Terroir“, einem Blick in den Boden und einer Abhandlung über „Schädlinge und Krankheiten“ lernt der Leser die Anlage eines Weinbergs, wird unter anderem in die Kunst fachgerechten Verkostens eingeführt und am Schluss in die Preisgestaltung zwischen sauteuer und Supermarkt günstig.

Beispiel für eine der im Atlas abgebildeten Landkarten

So vorbereitet blättert man sich in die weite Welt des Weins. Innerhalb bestimmter Breitengrade gibt es rund um den Globus kaum eine Gegend, in der keine Reben wachsen. Dennoch behaupten nach wie vor die Klassiker das Geschehen. Frankreich beherrscht diesen Atlas mit einer Fülle an Landkarten, die vom Burgund über die Champagne bis Bordeaux die einzelnen Appellationen detailliert vorstellen. Der Erwerb einer Flasche französischen Weins und das Studium des Etiketts eröffnet ein amüsanten Suchspiel nach dessen Herkunft, die mit diesem Buch nicht nur exakt verortet, sondern auch mit ungeheuer viel Informationen ausgeladen werden kann.

In gleicher Weise wird Italien aufgearbeitet, danach Spanien und Portugal, bis Deutschland an der Reihe ist. Um endlich nach Österreich zu kommen, muss man sich allerdings durch England und Wales und sogar durch die Schweiz schauen und lesen, um nach Wachau, Kremstal und Kamptal und Burgenland das Weinviertel oder die Steiermark zu vermissen. Ähnlich gestrafft geht es durch den Rest der Weinwelt, die sich kartographisch illustriert von Kanada bis Neuseeland über alle Kontinente erstreckt.

Illustration aus dem besprochenen Buch
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