WIR BITTEN ZUM TANZ Erinnerungen an den Cafetier Otto Pollak
Café Palmhof, der verschwundene Hotspot von Rudolfsheim
Jazzgrößen wie Dr. Harry Osten spielten im „Haus Palmhof“ auf, 1933 wurde ein süßes Mädel zu Miss Wien gekürt und keiner, der in sein wollte, durfte eine Mottoparty auf der Pirateninsel verpassen. Das Café am Beginn der äußeren Mariahilfer Straße war in den 1920er- und 1930er-Jahren das Unterhaltungszentrum Wiens schlechthin. Wer sich den Besuch nicht leisten konnte, lauschte einmal in der Woche mit seinem Detektor-Empfänger den Konzerten, die aus dem Café Palmhof live übertragen wurden. Übertragungsort war der Saal des Kaffeehauses, der immerhin 350 Gäste fasste. Tagsüber saß man im Café bei einer Schale Mokka und etlichen Glas Wasser, um Zeitungen zu lesen oder wie heute nicht anders über die Politik zu diskutieren. Besitzer dieses innovativen Veranstaltungszentrums waren die Brüder Otto (1894-1987) und Karl Pollak (1889-1943). Sie stammten aus einer gutbürgerlichen jüdischen Familie, die ursprünglich in Tschechien beheimatet war. In Gaya, einer Kleinstadt mit einer bedeutenden jüdischen Gemeinde, betrieb sie Handel mit Waren aller Art.
Nach einer schweren Verwundung im Ersten Weltkrieg im Zuge seines freiwilligen Einsatzes beim Feldkanonenregiment Nummer 5 musste Otto ein Bein amputiert werden, was ihn aber nicht davon abhielt, weiterhin sportliche Höchstleistungen zu erbringen und mit bemerkenswerter Energie den Palmhof mit immer neuen Ideen zum Anziehungspunkt der Wiener auszubauen.
Dass die Aktivitäten dieses stets gut besuchten Etablissements nicht jedem gefielen, lag daran, dass in den beiden Jahrzehnten seines Bestehens der Nationalsozialismus auch in Wien mehr und mehr Fuß fasste. Schon am 12. August 1925 versuchten randalierende Nazis den Palmhof zu stürmen. Im Mai 1934 erschütterte ein Bombenanschlag illegaler Nationalsozialisten diesen kosmopolitischen Ort. 1938 wurde das Café schließlich arisiert und von einem früheren Kellner weitergeführt.
Die gesamte Familie Pollak wurde nach Theresienstadt und in andere Lager deportiert. Überlebt haben den Holocaust nur Otto Pollak und seine Tochter Helga.
Die Ausstellung „Wir bitten zum Tanz. Der Wiener Cafetier Otto Pollak“ (bis 1. Juni 2020) im Extrazimmer des Jüdischen Museums Wien lässt die Erinnerung an das Lebensgefühl dieser unterhaltsamen Tage wieder auferstehen. Die beiden Kuratorinnen Theresa Eckstein und Janine Zettl konnten dazu auf bestens erhaltene Dokumente und Objekte zurückgreifen.
So gibt es das mit einem eigenen Logo versehene Geschirr des Kaffeehauses, das Gästebuch und vor allem eine stattliche Anzahl sehr persönlicher Fotos. Der Besucher begegnet Otto Pollak im Kaffeehaus inmitten seiner strahlenden Gäste, aber auch in den unbeschwerten Ferien im Salzkammergut im Kreise seiner Familie. Gerade diese persönlichen Bilder machen die Ausstellung besuchenswert, als erschütternde Zeugnisse aus einer Zeit, deren Zukunft wir heute leidvoll zur Kenntnis nehmen müssen.