Kultur und Weindas beschauliche MagazinLove Me Kosher, Ausstellungsansicht © David Bohmann LOVE ME KOSHER Na so was! Sex gemäß Talmud und Tora
Eigenartigerweise hadert nahezu jede Religion mit der Vorstellung, dass ihre Mitglieder, also Mann und Frau, so ganz ohne ihr Mitreden zu Sache gehen könnten, um den biblischen Auftrag „Seid fruchtbar und vermehret euch und erfüllet die Erde“ auszuführen. So gibt es auch im Judentum eine ganze Reihe von Geboten und Vorschriften, die paarungswilligen Menschen auferlegt sind. Sie finden sich unter anderem in Tora und Talmud und sind für den gläubigen Juden Gesetz. So verlangt eine der Pflichten, dass beide Partner dabei Glücksgefühle empfinden sollen. Hätten sie es sonst nicht gewusst? Oder hätten sie auf die Einhaltung einfachster Hygieneregeln vergessen, gäbe es nicht die Reinheitsgebote. Sie schreiben detailliert vor, was während der Regel der Frau zu beachten ist und mit welchen Ritualen diese wieder mit ihrem Mann schlafen darf und das koschere Bett nicht mehr geteilt ist. Natürlich ist die Voraussetzung eine Heirat, um laut Kabbala auf dem Wege der Sexualität in eine neue spirituelle und kosmische Dimension, mit einem Wort, zur himmlischen Lust vorzudringen. Es wäre aber nicht unsere Zeit, gäbe es nicht Rabbiner, die darüber hinaus denken und den Begriff „koscher“ neu definieren. In liberalen Gemeinden gibt es mittlerweile Trauungen gleichgeschlechtlicher Paare und beispielsweise in Wien den Kibbutz Klub, der auch mit queeren Juden keine Problem haben will – LGBTQ in der Synagoge.
Danielle Spera hat mit Daniela Pscheiden und Julia Windegger ihre letzte große Ausstellung im Jüdischen Museum Wien dieser zwar anregenden, aber komplexen Materie gewidmet. Als roter Faden zieht sich die Chuppa durch die Räume, der Hochzeitsbaldachin aus Samt und Seide, der an die biblischen Zeiten erinnert, in denen die Kinder Israels noch in Zelten gewohnt haben. Darum herum gruppieren sich Themen wie „Die Wiener jüdische Gemeinde vor 1938“ als eine Frucht des Toleranzpatents von Kaiser Franz Joseph. Wenn es um Sexualität geht, darf eine Aufarbeitung der Psychoanalyse von Sigmund Freud in „Wien als Zentrum der modernen Sexualwissenschaft“ nicht fehlen. Ein düsterer Abschnitt behandelt „Sexualität und Holocaust“. Die Nachwirkungen haben Überlebende der Shoa lange, oft bis an ihr Ende belastet. Die Rede ist an dieser Stelle von Zwangssterilisation, medizinischen Versuchen und dem Einsatz eines ausgemergelten Körpers, um trotz Erniedrigung diese Torturen überstehen zu können.
Zum Schauen gibt es in der Ausstellung „Love me kosher“ (bis 13. November 2022) genug. Ein Anziehungspunkt sind die Fotos von der Hochzeit einer gewissen Danielle Spera im Jahr 1994 und man fragt sich, wie es diese Frau geschafft hat, nach 38 Jahren noch genauso gut auszusehen wie auf den Bildern als Braut. Plakate von erotischen Filmen wie „Der heilige Skarabäus“ von Else Jerusalem oder das Titelbild von Fritz Grünbaums Buch „Von an- un- und ausgezogenen Damen“ beweisen den lustvollen Umgang mit Sinnlichkeit. (Zeitgenössische) Kunst ist groß vertreten. Werke von Arik Brauer, Marc Chagall, Eva Schlegel, Pablo Picasso oder Hundertwasser führen direkt ins Paradies, geschaffen von André Heller. Sein Paradiesgarten Anima, der als magischer Ort der Sinnlichkeit, des Staunens, der Kontemplation, der Freude, der Heilung und der Inspiration dient, ist in Marrakesch zu erleben oder im Jüdischen Museum in der Dorotheergasse, wo die Besucher, egal welcher Weltanschauung oder Nationalität, vor einem riesigen Kaleidoskop eine Ahnung des verloren gegangenen Ortes aller Freuden erhalten können. Statistik |