Kultur und Wein

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 Keine Menschenseele, Ensemble © Susanne Hassler-Smith

Keine Menschenseele, Lukas Watzl, Caroline Baas, Philipp Hauß, Hans Dieter Knebel © Susanne Hassler-Smith

KEINE MENSCHENSEELE Künstliche Intelligenz im Kasino

 Keine Menschenseele, Philipp Hauß, Lukas Watzl, Caroline Baas © Susanne Hassler-Smith

Keine Menschenseele, Ensemble © Susanne Hassler-Smith

Was Tote leisten könn(t)en, wenn wir sie nicht verrotten lassen

In seinem Buch „Dialoge“ lässt Stanislaw Lem die beiden Denker Philonous und Hylas darüber diskutieren, ob es möglich wäre, einen künstlichen Menschen zu erschaffen, indem man diesen exakt, Atom für Atom, nachbaut. Das Vorhaben muss jedoch scheitern, wie Heisenberg in seiner Unschärfenrelation festgestellt hat. Wenn man schon einen Menschen nicht nachbauen kann, so ließe sich zumindest seine Stimme dank künstlicher Intelligenz (KI) wieder zum Leben erwecken. Das Trio Laokoon (Cosima Terrasse, Moritz Riesewieck, Hans Block) hat daraus ein Nachdenkstück geschaffen und auf den Aufführungsort maßgeschneidert. Das Kasino (Schwarzenbergplatz 1) gehörte einst dem skurrilen Erzherzog Ludwig Viktor von Österreich, Bruder von Kaiser Franz Joseph, von Freunden und Lästermäulern nur Luziwuzi gerufen. Der Habsburger mit den seiner Familie nicht angemessenen Attitüden ist auch einer der ersten, dessen Stimme vom Startup Euphonia zu Wort kommt. Seine süße Botschaft: „Seid gegrüßt, meine Punschkrapferln!“ mündet im überraschenden Versprechen: „Pray the Gay Away!“

 Keine Menschenseele, Hans Dieter Knebel © Susanne Hassler-Smith

Keine Menschenseele, Hans Dieter Knebel © Susanne Hassler-Smith

 Keine Menschenseele, Hans Dieter Knebel, Caroline Baas, Philipp Hauß © Susanne Hassler-Smith

Keine Menschenseele, Hans Dieter Knebel, Caroline Baas, Philipp Hauß © Susanne Hassler-Smith

Als Person verkörpert wird Hausherr Luziwuzi von Lukas Watzl, der mit orange Outfit und ebensolcher Perücke kräftig Schwung in die Debatte bringt, ob die Firma von Peter (Philipp Hauß) tatsächlich Sinn macht. Aus dem Off ertönen nämlich ziemlich unkontrolliert Stimmen, die beispielsweise statt dem hässlichen Wort „tot“ für ihre digitalen Seelen den Ausdruck „körperlos“ fordern und sich auch sonst in gespenstischer Weise ungefragt einmischen.

Die bei einer Protestaktion verunglückte Ella (Caroline Baas) darf wiederum ihren Kampf für die Umwelt fortsetzen, will irgendwann aber abgeschaltet werden – allein, „vom Netz gehen“ ist nicht mehr möglich. Hans Dieter Knebel als Walter hingegen muss auf diesem Weg zur Kenntnis nehmen, dass er ein Kuckuckskind aufgezogen hat.

 

Die Idee zu dieser auf den ersten Blick utopisch anmutenden Unternehmung stammt aus dem frühen 19. Jahrhundert. Der Landvermesser Joseph Faber studierte angeblich Totenschädel, um eine sprechende Puppe, eben Euphonia, konstruieren zu können. Der Versuch scheiterte, das überlieferte Ergebnis erinnert aber frappant an die freundliche Stimme aus dem Navi, die ebenfalls synthetisch hergestellt ist. Sie funktioniert auch nur ohne die KI, die aus dem Ganzen im Endeffekt einen ordentlichen Horror für die Gesellschaft zeitigen würde. Eine Welt voll mit Wesen, die ohne Ende leben, will man sich bei allem Willen zu einer eigenen, lange währenden Existenz nicht vorstellen.

 Keine Menschenseele, Lukas Watzl © Susanne Hassler-Smith

Keine Menschenseele, Lukas Watzl © Susanne Hassler-Smith

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