Kultur und Weindas beschauliche MagazinBaselitz. Nackte Meister, Ausstellungsansicht © KHM-Museumsverband BASELITZ NACKTE MEISTER Ein brüllender Dialog zwischen den Akten
1961 war der damals 23jährige Hans-Georg Kern nach Paris gereist. Der DDR hatte er schon 1958 den Rücken gekehrt und in Westberlin studiert. Nun erschien die Zeit reif, sich des dort Erworbenen zu entledigen. Er war auf der Suche nach neuen Vorbildern, die er mit Jean Dubuffet und seiner Art brut oder den Surrealisten auch fand. Er teilte deren radikale Ansicht, dass Geschicklichkeit und die Fähigkeit, die Natur zu kopieren, großer Kunst zuwiderlaufen. Bei seiner Rückkehr nimmt er den Namen seines Geburtsortes als Künstlernamen an. Georg Baselitz tritt in ersten Ausstellungen auf und verfasst gemeinsam mit Eugen Schönebeck die Pandämonischen Manifeste, Streitschriften voller Empörung u. a. gegen die Langsamkeit der Entnazifizierung und der Errichtung der Berliner Mauer. Sein Stil erregt öffentliches Ärgernis, er selbst sieht sich als Opfer allgemeinen Unverständnisses. Aus dieser Phase der Disharmonie erwächst 1969 die Idee, seine Bilder auf den Kopf zu stellen und sie so auf den ersten Blick als Baselitz unverkennbar zu machen. Fingermalereien entstehen, die ihn und seine Frau Elke nackt stehend oder sitzend zeigen. Seine Malweise wird zunehmend spontaner und entfernt sich radikal von ästhetischen Ansprüchen, die bis dahin in der Kunstgeschichte Gültigkeit hatten. Er entzieht sich damit jedoch auch der Auseinandersetzung zwischen Gegenstand und Abstraktion und lässt seine Gemälde und Zeichnungen in ihrer ganzen schockierenden Hässlichkeit auf den Betrachter wirken.
Aus Anlass seines 85. Geburtstages wurde Georg Baselitz vom Kunsthistorischen Museum Wien zu einem Ausstellungsprojekt eingeladen. Mit seinen durchwegs großformatigen Arbeiten tritt er bis 25. Juni 2023 unter dem Bescheidenheit signalisierenden Motto „Wie eine Tapete sollen meine Bilder für die Alten Meister sein“ in ein visuelles Gespräch mit Altdorfer, Rubens, Tizian oder die Manieristen am Hof Kaiser Rudolfs II. ein. Er selbst traf die Auswahl der 40 Werke, die mit 73 Gemälden, zum guten Teil aus seinem Spätwerk, und zwei roh gearbeiteten Skulpturen aus seiner Hand zu einem spannend irritierenden Rundgang einladen. Nacktheit ist Trumpf! Egal, ob Kopf unten oder aufrecht im feinem Pinselstrich der Renaissance, es bleibt der Eindruck, eine stark gesalzene Brotsuppe auszulöffeln, in die ein verrückter Koch delikate Einlagen gestreut hat, um sie hilflos gegen diese Vereinahmung in rauer Brühe schwimmen zu lassen. Staitstik |