Kultur und Wein

das beschauliche Magazin


Il turco in Italia, Ensemble © Patrick Piller

Il turco in Italia, Ensemble © Patrick Piller

IL TURCO IN ITALIA und ein Dichter, der Verwirrung schafft

Rodica Vica als reizende Donna Fiorilla © Patrick Piller

Rodica Vica als reizende Donna Fiorilla © Patrick Piller

Unmittelbares Opernvergnügen mit Rossini und grandiosen Stimmen

So nah ist man nirgendwo sonst den Sängern wie im Maulpertsch-Saal von Schloss Kirchstetten. Damit ist auch das Erlebnis einzigartig, wenn es um Belcanto und wie heuer um ein turbulentes dramma buffo von Gioachino Rossini geht. „Il turco in italia“ war zur Zeit seiner Uraufführung 1814 möglicherweise verwirrend – und ist es bis heute. Es geht darin um einen Dichter, der auf der Suche nach einem Stoff für eine komische Oper ist. Damit entstehen im Libretto von Felice Romani gleich mehrere Ebenen, die zwischen Realität und poetischer Fantasie changieren. Neben dem Spaß am erotischen Treiben in Neapel erscheint auch ein reicher Osmane gerade gut genug, um die damalige Mode an türkischer Thematik erfolgreich abzudecken. Da die erdachten oder doch tatsächlich existierenden Menschen – wer weiß es schon? – nicht immer so tun und wollen wie er, droht dem Poeten die Affäre aus der Hand zu gleiten. Aber was ein echter Dichter ist, weiß sich stets zu helfen, um am Schluss allseits glückliche Verhältnisse herzustellen. Für Rossini war die damit verbundene Aufregung ideale Voraussetzung für seine wie Sekt schäumende Musik, die vom ersten Takt an mit höllischen Tempi abwechselnd mit wunderbaren Kantilenen verzaubert.

Sevana Salmasi (Zaida), Daniele Macciantelli (Selim), Rodica Vica (Fiorilla) © Andreas Anker

Sevana Salmasi (Zaida), Daniele Macciantelli (Selim), Rodica Vica (Fiorilla) © Andreas Anker

Andrés Alzate Cavira (Don Narciso) © Patrick Piller

Andrés Alzate Cavira (Don Narciso) © Patrick Piller

Regisseur Richard Panzenböck hat die Aufgabe, große Oper im kleinsten Opernhaus Österreichs zu inszenieren, originell raffiniert gelöst. Bühnenbilder werden old fashioned mittels Overhead-Projektor geschaffen und diverse Einrichtungen mit zwei Hockern abgedeckt. Es gibt also kaum etwas, das von den Solisten und dem aus fünf Mitgliedern bestehenden Ensemble des Wiener Kammerchores ablenkt. Als Orchester wirken unter Hooman Khalatbari die Virtuosi Bruenses in Kleinstbesetzung, die aber den räumlichen Gegebenheiten mehr als gerecht wird. Rodica Vica als reizende Donna Fiorilla versteht es, mit hellem Sopran und deutlicher Lebenslust sowohl ihren Gatten Don Geronio als auch den Liebhaber Don Narciso (Tenor Andrés Alzate Cavira) vor Eifersucht fast platzen zu lassen. Denn als der türkische Fürst Selim im Hafen ankommt, ist sie sofort zur Stelle, um sich von ihm den Hof machen zu lassen. Sie hat aber die Rechung ohne die „Zigeunerin“ Zaida (Sevana Salmasi) gemacht. Die gute Frau war zwar von Selim einst zum Tod verurteilt gewesen, kann ihre Zuneigung aber nicht unterdrücken.

Wenig hilfreich ist dabei ihr Gefährte. Voller Hingebung und feinem Schmelz beklagt Marco Ascani als Albazar in der Tenorarie „Ah! sarebbe troppo dolce“ seine Sehnsucht nach der süßen Zaida. Richtig spannend wird es, wenn Geronio und Selim aufeinanderprallen. Es kommt zu einem sängerischen Zweikampf. Sowohl Bariton Emilio Marcucci als auch Bassist Daniele Macciantelli liefern sich im Duett „D’un bell’uso di Turchia“ ein Duell zweier bocche super veloce, also extrem schneller Münder, mit einer unfassbaren Anzahl von Silben in kürzester Zeit, was natürlich nur in Italienisch möglich ist. Schuld an der Misere ist Alexander Edelmann. Der noch junge, aber überzeugende Bariton spinnt als Poeta namens Prosdocimo alle die Intrigen und freut sich (gemeinsam mit dem begeisterten Publikum) diebisch über verzweifelte Ausbrüche in höchste Lagen seitens der Damen und stimmgewaltige Empörung der Herren, die sich im Finale II mit „Son la vite sul campo appassita“ in einem mächtigen Tutti als verdorrter Weinstock auf dem Feld (?) outen.

Alexander Edelmann als intriganter Dichter © Patrick Piller

Alexander Edelmann als intriganter Dichter © Patrick Piller

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