Kultur und Wein

das beschauliche Magazin


Margot Pilz, Göttin schuf Eva, 2001/2025

Margot Pilz, Göttin schuf Eva, 2001/2025

DU SOLLST DIR EIN BILD MACHEN Das neue Verhältnis von Kunst & Kirche

Deborah Sengl, Von Schafen und Wölfen, 2008, Courtesy of Georg Thaler

Deborah Sengl, Von Schafen und Wölfen, 2008

Ist kritische moderne Kunst mit religiösen Themen eine Provokation oder nicht doch eine alternative Gottsuche?

Der aus Südtirol stammende Günther Oberhollenzer ist nach eigener Aussage in einem katholisch geprägten Umfeld aufgewachsen und wurde bestimmt auch davon in gewisser Weise geprägt. Als künstlerischer Leiter im Künstlerhaus war es ihm ein tiefes Anliegen, das Spannungsfeld zwischen Kunst und Religion offenzulegen. Über die längste Zeit war vor allem die katholische Kirche einer der größten, wenn nicht der bedeutendste Mäzen für Maler, Bildhauer und Architekten. Die Kunst hat sich jedoch in den letzten hundert Jahren von ihrem Förderer emanzipiert. Themen, die bis dahin einem strengen katechistischen Kanon unterworfen waren, wurden mit eigenen Ideen und Empfindungen besetzt. Die daraus erwachsende Konfrontation bleibt jedoch nicht konfliktfrei. Ein Skandal wie der gekreuzigte Frosch von Martin Kippenberger 2008 im damals neuen Museum Kunst Meran schlug Wellen bis Rom und führte zur Entlassung des Direktors. Ergänzend zu derlei Irritationen kamen die von der Amtskirche vernachlässigten Frauen, die mit starken Statements auf sich aufmerksam machten. Selbstbewusst entzogen sie dem im Christentum verehrten höchsten Wesen die Männlichkeit., beispielsweise mit dem feministischen Empfang „GRÜSS GÖTTIN“ von Ursula Beiler.

Du sollst dir ein Bild machen, Ausstellungsansicht

o.: Du sollst dir ein Bild machen, Ausstellungsansicht

r.: Johannes Rass, These Viennese Saints, 2021/2025 © Johannes Rass/Bildrecht Wien 2025 Foto: Jolly Schwarz

Johannes Rass, These Viennese Saints, 2021/2025

Im Deuteronomium, dem fünften Buch Moses, findet sich, je nach Übersetzung, die biblische Vorschrift „Du sollst dir kein Bild machen...“; ein Satz, der folgenschwere Missverständnisse birgt. Von fanatischen Ikonklasten wurden im Lauf der Kirchengeschichte immer wieder Kunstwerke brutal zerstört und Bilderverbote verhängt. Deshalb ist der Titel der Ausstellung im Künstlerhaus als Antwort darauf zu verstehen. Bis 8. Februar 2026 regen Werke zeitgenössischer Kunst unter dem Motto „Du sollst dir ein Bild machen“ zur Diskussion an, wie weit die Kreativität religiöse Gefühle verletzen darf oder ob vordergründig erscheinende Blasphemie eines aus Latex Noppen bestehenden „Zärtlichen Christus“ von Renate Bertlmann nicht doch Ausdruck alternativer Frömmigkeit ist.

Wie der bereits erwähnte Frosch beweist, kommt es ganz auf das gegenwärtige Empfinden an. Zwischen einem amüsierten Lächeln im Heute und dem empörten Aufschrei von seinerzeit liegen gerade 15 Jahre, eine extrem kurze Zeit im Verhältnis der 2.000 Jahre seit Christi Geburt. Das jeweilige Urteil müssen alle für sich selber fällen, wenn sie sich mit den im ersten Stock des Künstlerhauses die nach sieben Themenkreisen geordneten Werke auseinandersetzen. Es beginnt mit einer Neuinterpretation der Ikone, gefolgt von ironisch behandelter (Schein-)Heiligkeit, dem Kreuz als emotionalem Zeichen des Glaubens, der logisch daraus erwachsenen Auferstehung weiter zur Infragestellung des Geschlechts der Göttlichkeit (was nun: Mann, Frau, Neutrum?) und deren weiblichem Pendant, der Madonna, bis zum Letzten Abendmahl, bei dem statt Jesus und den Aposteln ausschließlich Frauen zu Tische sitzen. Als Wegbegleiter empfiehlt sich eine wunderbar praktische Gratis-Broschüre, die als Hilfe und Anregung neben den Werktiteln die Namen und eine Kurzbeschreibung der jeweiligen Künstlerinnen und Künstler enthält.

vorne: Aron Demetz, Ohne Titel, 2020, hinten: Billi Thanner, Himmelsleiter 2024

vorne: Aron Demetz, Ohne Titel, 2020, hinten: Billi Thanner, Himmelsleiter 2024

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