Kultur und Weindas beschauliche MagazinAusstellungsansicht "GLANZ UND ELEND" © Leopold Museum, Wien, Foto: Lisa Rastl GLANZ UND ELEND Deutsche Kunst zwischen den Kriegen
Nach der Katastrophe ist vor der Katastrophe! Das wusste in den 1920er-Jahren natürlich niemand, aber sensible Gemüter mit offenem Geist konnten sich einer schrecklichen Ahnung nicht verschließen. 1918 war der große Krieg beendet worden, mit tausenden Toten auf allen Seiten. Doch die Sieger waren der verhängnisvollen Meinung, Verlierer wie Deutschland in den sogenannten Friedensverträgen zutiefst erniedrigen zu müssen. Die Saat für den Zweiten Weltkrieg wurde gelegt. Das damit einhergehende wirtschaftliche Desaster schwappte gesellschaftliche Richtungen nach oben, die blind einem Führer und dessen Ideen für unvorstellbare Grausamkeiten folgten. Künstler dieser Jahre standen den sich mehr und mehr abzeichnenden Tendenzen lediglich mit Kreativität gerüstet gegenüber, wenngleich sie ihre dunklen Ahnungen in einer deutlichen Bildsprache umsetzten, in der „Neuen Sachlichkeit“, die Stilrichtungen wie Expressionismus, Dadaismus oder den aufkommenden Surrealismus als artifizielle Spielereien erscheinen ließ.
Anhand von circa 150 Exponaten aus internationalen Museen und Privatsammlungen wird dieses eindrucksvolle künstlerische Phänomen zu einem teils bedrückenden Schauerlebnis. 13 Themenbereiche führen zu auf den ersten Blick unterschiedlichen Positionen. So folgt auf „das Gesicht des Krieges“ „der Tanz auf dem Vulkan“. Die vordergründige Ekstase der „Goldenen Zwanziger“ ist von einer düsteren Grundstimmung unterlegt, egal ob es sich um „Takka-Takka tanzt“ (Ernst Neuschul), „Miss Mary“ (Hanns Ludwig Katz) oder der bizarren „Zusammenkunft von Fetischisten und manischen Flagellanten“ von Rudolf Schlichter handelt. Dem gegenüber stehen die „Schattenseiten des Lebens“ mit ausgemergelten Gesichtern, genauso aber auch die selbstbewussten Bubiköpfe „der emanzipierten Frau“ und „Menschenbilder“ als eine Sammlung von Porträts damaliger Protagonisten.
Zwischen den Gegensätzen einer „heroisierenden Idylle“ als fluchtartiger Rückzug in die „Wahrheit und Schönheit“ von „Kakteenzüchtern“ wie Josef Mangold oder Eberhard Viegener und dem Motto „Mensch – Industrie – Technik“ mit den Fabriksschloten eines Frank Lenk hindurch führt der Weg in eine „Parodie zwischen Idylle und Apokalypse“. Dort haben gespenstische Clowns und Narren das Sagen. Deren Unvernunft brachte schließlich „den Anfang vom Ende“. Niemand hörte auf den „Rufer“ von Karl Hofer und der Künstler Felix Nussbaum, der 1940 im Exil eine Vorzeichnung für das Gemälde „Lagersynagoge“ fertigte, konnte trotz einer Odyssee durch Europa seinen Schergen nicht entkommen. 1944 im KZ Auschwitz-Birkenau wurde er „ein Opfer von vielen“. Bleibt nur zu hoffen, dass unsere Zeit ein ergreifendes Gemälde wie „Der Stahlhelm im Niemandsland“ von Franz Radziwill entsprechend deutet und hinter aktuellen Kriegsberichten mehr als eine lästige Information zu erkennen bereit ist. Ausstellungsansicht "GLANZ UND ELEND" © Leopold Museum, Wien, Foto: Lisa Rastl Begleitend zu Ausstellung ist ein umfangreicher Katalog in deutscher und englischer Sprache erschienen, herausgegeben von Hans-Peter Wipplinger, mit Beiträgen von Daniela Gregori, Rainer Metzger, Aline Marion Steinwender, Hans-Peter Wipplinger und Thomas Zaunschirm sowie einem Überblick zur Kultur, Politik und Gesellschaft der Weimarer Republik 1918–1933. Unknown Familiars, Ausstellungsansicht UNKNOWN FAMILIARS Begegnungen aus sechs Kollektionen
200 Jahre gibt es den Wiener Städtischen Versicherungsverein bereits, eine für solche Institutionen sensationell lange Zeit. 1824 sprach man noch von einer Assekuranz, in der mittels einer kollektiven Risikoübernahme Gefahren „zur See, auf Flüssen und bei Versendung zu Lande, auf Hafen-, Revier- und Feuer-Gefahr“ (Quelle: Satzung einer 1779 gegründeten Hamburger Kompagnie) begegnet wurde. Waren die Versicherten seinerzeit große Unternehmen, hat sich der Kundenkreis längst auf die breite Bevölkerung erweitert. Jeder von uns ist mehrfach versichert und hat bestimmt auch schon davon profitiert, als er unter Umständen mehr herausbekommen, als er laut seiner Polizze eingezahlt hat. Dass die Versicherungen trotzdem über genügend Geld verfügen, ist eines der großen Geheimnisse, das jedoch jeder Finanzexperte mit links erklären könnte.
Was aber tun mit dem Vermögen? Eine der segensreichsten Anlagen ist die Kunst. Die mittlerweile „Vienna Insurance Group“ genannte Anstalt hat sich in einer Reihe europäischer Länder etabliert und dort das Kulturleben eifrig gefördert. Beachtliche Sammlungen sind entstanden, mit Arbeiten aus unterschiedlichen Epochen und immer wieder, aber nicht nur, auf die nationale Herkunft bezogen. Unter dem Titel „Unknown Familiars“ (bis 6. Oktober 2024) wurden nun 200 Werke aus Österreich, Tschechien, Serbien und Lettland in einer umfangreichen Ausstellung vereinigt. Bis zu einem gewissen Grad gehören die Artefakte, so unterschiedlich sie auch sein mögen, tatsächlich einer großen Familie an. Es liegt im Auge der Besucher, das Verbindende zu finden, das Überraschende zu genießen und über die mediale Vielfalt zu staunen. Die Architektur der Schau betont mit Inseln, in denen Gemälde, Fotographien und Skulpturen losgelöst von den Wänden präsentiert werden, das Vorübergehende, nicht zuletzt, da es sich um eine Gastveranstaltung im Leopold Museum handelt. František Kupka, Norwegische Vision, vor 1900 © Kooperativa pojišťovna, a.s – Vienna Insurance Group, Prague, Foto: Kooperativa pojišťovna Ein Tipp: Der umfangreiche Katalog zeigt in seltener Vollständigkeit die einzelnen Objekte und bietet dazu ausführliche Kommentare des Kuratorenpaars Philippe Batka und Vanessa Joan Müller. Deren Texte ersparen es dem Betrachter, die winzigen, in Bodennähe angebrachten Informationstafeln mühsam entziffern zu müssen. Mit dem Buch in der Hand hat man also genügend Freiheit, sich dem „Jüngling im Wasser“ von Jan Preisler, der „Map“ von Luiza Margan, „Anschluss – Alice im Wunderland“ (Oskar Kokoschka) oder den bedeutungsvollen Händen, wie sie Neša Paripović in „Verhältnis Hand Kopf 3“ fotografiert hat, und vielen mehr beschaulich zu widmen. Statistik |