Kultur und Wein

das beschauliche Magazin


Carl Auböck II, Briefbeschwerer (1947–1950) © MAK/Christian Mendez

Carl Auböck II, Briefbeschwerer (1947–1950) © MAK/Christian Mendez

ICONIC AUBÖCK Die Werkstatt für Design aus Österreich

Carl Auböck II, Baumtisch in der Werkstätte, Bernardgasse, Wien, um 1950 © Werkstätte Carl Auböck

Carl Auböck II, Baumtisch in der Werkstätte, Bernardgasse, Wien, um 1950 © Werkstätte Carl Auböck

Eine breite Palette an Materialien für eine Vielfalt an längst klassischen Formen

Carl Auböck II (1900-1957) stammt aus einer bis heute bestehenden Werkstätte, die österreichisches Design seit mittlerweile vier Generationen prägt. Neben einer Lehre bei seinem Vater Karl Auböck I, einem Erzeuger Wiener Bronzen, besuchte Carl die Graphische Lehr- und Versuchsanstalt in Wien und studierte Malerei an der Akademie der Bildenden Künste Wien. Über ein Empfehlungsschreiben von Johannes Itten, einem Lehrer an der Kunstschule Wien, gelangte der angehende Künstler nach Weimar, um in der Metallwerkstätte am Bauhaus mit den fortschrittlichsten Kunstrichtungen bekannt zu werden. Auböck schuf damals noch Gemälde, bis ihn die Metallbearbeitung wieder zu sich holte (ab 1922 in tschechoslowakischen Müglitz). Wieder zurück in Wien übernahm er mit seiner Mutter Elisabeth die Werkstätte der Familie, die sich in der wirtschaftlich schwierigen Zeit mit Handelsbeziehungen bis in die USA über Wasser hielt. Die ersten Entwürfe des nunmehr als findigen Designer tätigen Unternehmers entstanden und waren im Stil der Zeit dem „Art Deco“ zuzuordnen. Strömungen wie der Surrealismus oder der Kinetismus bis zu Anklängen an Objet Trouvé und Ready Made von Duchamps flossen später in sein Werk ein und begeisterten Sammler und Experten der Wohnkultur.

Carl Auböck II, Flaschenstöpsel, 1952 Archiv Carl Auböck © MAK/Christian Mendez

Carl Auböck II, Flaschenstöpsel, 1952 Archiv Carl Auböck © MAK/Christian Mendez

Carl Auböck II, Baumtisch, 1948 Sammlung Loher © MAK/Christian Mendez

Carl Auböck II, Baumtisch, 1948 Sammlung Loher © MAK/Christian Mendez

Vor allem aus Produktionszeit nach 1945 ist eine Fülle an Alltagsobjekten bis 13. Oktober 2024 im MAK in der Ausstellung „ICONIC AUBÖCK. Eine Werkstätte formt den österreichischen Designbegriff“ zu bewundern. Das Interieur wurde für Auböck zum Experimentierfeld für die Ästhetik des Praktischen, verbunden mit einem guten Schuss Humor. Alles und jedes ist in seiner Weise außergewöhnlich, ob es sich um Korkenzieher, Briefbeschwerer, Zeitungsständer, den kuriosen Baumtisch oder ein Schachspiel handelt. Zu sehen sind auch Arbeiten seiner Frau Mara Uckunowa-Auböck (1895-1987). Carl hatte die Bildhauerin und Textilkünstlerin in Weimar kennengelernt. Aus dieser Verbindung stammt Sohn Carl Auböck III (1924-1993), der die Familienfirma weltweit bekannt machte. Mit Carl Auböck IV (*1954) entstanden schließlich Produkte für Hermés und Tiffany, die ebenfalls in der Ausstellungen ihren gebührenden Platz gefunden haben.

MAK Ausstellungsansicht, 2024 ICONIC AUBÖCK. Eine Werkstätte formt den österreichischen Designbegrif

MAK Ausstellungsansicht, 2024 ICONIC AUBÖCK. Zentraler Raum MAK Design Lab © MAK/Christian Mendez

Carl Auböck II war aber auch ein Mensch, der in die ideologischen Fallen der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts tappte. 1933 war er bereits Mitglied der illegalen NSDAP, er brachte es bis zum Scharführer des SA und wurde ab 1938 reguläres Mitglied dieser Partei. Er begleitete Funktionen wie den Kassenwart beim „Wiener Kunsthandwerksverein“ und nahm mit Josef Hoffmann, J. & L. Lobmeyr, Karl Hagenauer u. a. an der Ausstellung „Deutsche Werkskunst“ im staatlichen Kunstgewerbemuseum in Wien (heute das MAK) teil. Angesichts der unkonventionellen und vor allem avantgardistischen Formensprache seiner Arbeiten fällt es jedoch schwer, an einen verbohrten Nazi zu denken, der ein menschenverachtendes System bejahen konnte. Möglicherweise ist es diese Spannung zwischen Kunst und dem Wissen um eine verwerfliche Weltanschauung, die eine solche Schau letztendlich über eine bloße Würdigung eines so bedeutenden Designers wie Carl Auböck II hinaus wertvoll macht.

My Ullmann, Angreifender Panther in drei Phasen – Landung, 1962 © Privatbesitz

My Ullmann, Angreifender Panther in drei Phasen – Landung, 1962 © Privatbesitz

MY ULLMANN Vergessen wie ihr gelebter Kinetismus

My Ullmann, Ohne Titel, Detail aus einem Tritychon

My Ullmann, Ohne Titel, Detail aus einem Tritychon

Eine Ausstellung zur Bewegung, die in einer avantgardistischen Kunstrichtung umgesetzt wurde.

Der österreichische Maler, Designer und Kunsterzieher Franz Čižek leitete ab 1903 einen Kurs für Ornamentale Formenlehre an der Wiener Kunstgewerbeschule. Sein Herzensanliegen war unter anderem der Kinetismus, eine der Strömungen, in die sich die Avantgarde dieser Jahre verzweigte. Ihm ging es um eine völlig neue Form des intuitiven Zeichnens und Malens in Verbindung mit Rhythmus und Bewegung. Er war damit der ideale Lehrer für die lebenshungrige Maria Ullmann (1905-1995). Mit 16 Jahren traf sie die Entscheidung für eine Ausbildung an der für ihre diesen Bestrebungen offenen Wiener Kunstgewerbeschule und dort in erster Linie für den Unterricht bei Franz Čižek. Die angehende Künstlerin signierte fortan mit MY und widmete sich in ihrem umfangreichen Werk fast ausschließlich dem Kinetismus.

My Ullmann mit dem Modell eines Brunnens für die Stadt Marl, um 1965

My Ullmann mit dem Modell eines Brunnens für die Stadt Marl,

My Ullmann, Teppichentwurf für die Firma Backhausen

My Ullmann, Teppichentwurf für die Firma Backhausen (Detail)

Die Ausstellung im MAK trägt nun auch den Titel „MY ULLMANN. Gelebter Kinetismus: Bilder, Bühne, Kunst am Bau“ (bis 1. September 2024 im Kunstblättersaal). Aber ähnlich der von ihr praktizierten Richtung wurde Ullmann selbst im Laufe der Jahre vergessen, ungeachtet eines gewaltigen Œuvres mit Bildern, Gebrauchsgrafik-, Stoff-, Bühnen- und Kostümentwürfen, neben denen Möbel, Raum- und Wandgestaltungen bis zur Kunst am Bau Ideenreichtum und technisches Können beweisen. Wiederentdeckt wurde My Ullmann von Barbara Stark, der Direktorin Städtische Wessenberg-Galerie – Stadt Konstanz, der Gastkuratorin dieser Schau.

Sie machte die Adresse der dort noch lebenden Familie aus und traf die Enkelin von MY Ullmann. In einer Lagerhalle fanden sich unter einer Plane zahlreiche Werke der Künstlerin. Sie stellen nun das Gros dieser Schau. My Ullman dürfte laut Überlieferung eine eigenwillige Person gewesen sein, dazu kommen etliche Ortswechsel; beginnend in Wien mit Auftragswerken für die Firma Backhausen oder die Möbelfirma Thonet über die Schweiz und das Zürcher Schauspielhaus bis Berlin, wo sie als Werbegrafikerin und Lehrerin an der Textil- und Modeschule tätig war. Mit MY STUDIO in Münster spezialisierte sie sich 1959 auf künstlerische Raum- und Wandgestaltung. Ein guter Teil dieser in ihrem Atelier ausgeführten Kunst am Bau existiert leider nicht mehr. Zu spüren ist die Kraft der Bewegung aber ungebrochen in den ausdrucksvollen Entwürfen auf Papier, die sich auf eine doch seltsame Art und Weise für die Nachwelt und für diese späte Würdigung erhalten haben.

My Ullmann, Der Hochmut, 1922, Linolschnitt

My Ullmann, Der Hochmut, 1922, Linolschnitt

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